Online-Umfrage:Jung und wichtig

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Schilder mit Zitaten der Kinder auf dem Monopteros-Hügel. (Foto: Christian Willner/close.photography)

Stadt befragt Kinder und Jugendliche nach ihren Sorgen

Von Ramona Dinauer

"Wo stören dich die Veränderungen durch das Coronavirus am meisten?" Diese Frage, die in den vergangenen Monaten meist an Erwachsene gerichtet wurde, stellt München nun auch seinen jungen Bürgern. Im Auftrag der Stadt führt der Arbeitskreis Kinder- und Jugendbeteiligung eine Umfrage unter Kindern und Jugendlichen durch. Sie soll die derzeitige Stimmung der Neun- bis 14-Jährigen erfassen und wiedergeben. Ermittelt werden soll, wo für Stadtverwaltung und Kommunalpolitik der größte Handlungsbedarf besteht.

Noch bis Ende Juni kann diese Altersgruppe die digitale Umfrage unter www.ak-kinderundjugendbeteiligung.de ausfüllen. Gemeinsam mit Kindern und Vertretern aus Verwaltung und Politik diskutiert der Arbeitskreis die Ergebnisse in themenbezogenen Videokonferenzen am 10. Juli. Auch hierfür können sich Kinder und Teenager anmelden, um ihre Position zu vertreten.

"Es ist wichtig, dass die Kinder und Jugendlichen wissen, dass ihre Stimme wichtig ist, dass sie jemand unterstützt und ihre Interessen nach außen trägt", sagt Judith Greil, Vorsitzende des Kreisjugendrings (KJR). In diesem Sinne sammelte auch der KJR im Rahmen der Kampagne "Raise your voice" die Wünsche und Ängste der jungen Menschen. Auch wenn viele Jugendliche ihre Sorgen in sozialen Netzwerken posten, gelangen diese doch oft nur an den engsten Freundeskreis. Daher haben die Mitarbeiter des KJR die eingesendeten Statements auf Plakate geschrieben und bereits am 30. Mai für alle sichtbar gemacht: Von einem Wagen ließen sie ein "Raise your Voice"-Banner wehen, legten die Schilder mit Zitaten der Kinder auf dem Monopteros-Hügel aus und präsentierten die Plakate vor der Ludwig-Maximilians-Universität.

In einem Video von der Aktion ist zu sehen, wie Greil vor der "Alten Utting" einen der eingesendeten Texte in die Höhe hält. "Mich kotzt es an, dass mehr über die Bundesliga gesprochen wird, als über uns Kinder", ist darauf zu lesen. Lange sei die Situation der jungen Menschen in der Krise übergangen worden, so die Kritik, obwohl sie durch die Schulschließungen schon sehr früh betroffen waren. Stattdessen habe sich die Aufmerksamkeit auf Bereiche konzentriert, die eine finanzstarke Lobby hinter sich wissen, kritisiert Greil. Noch ließe sich nicht abschätzen, ob der Lockdown bei Kindern zu langfristigen Problemen in der Entwicklung führen werde. Besonders die Kontaktbeschränkungen waren für sie schwierig einzuhalten. "Der Austausch mit Gleichaltrigen ist für sie so wichtig, um sich weiterzuentwickeln", sagt Greil. "Im schlimmsten Fall waren Einzelkinder wochenlang nur mit ihren Eltern allein zu Hause."

Einer der eingesendeten Texte. (Foto: Christian Willner/close.photography)

Zu befürchten sei außerdem eine Verstärkung der Bildungsungerechtigkeit durch fortgesetztes Homeschooling. Das Lernen von zuhause aus sei gerade in ärmeren Haushalten besonders schwierig. "Oft fehlt es an Computern oder allein schon an der Möglichkeit, Arbeitsblätter auszudrucken", sagt Greil.

Neben Kindern aus sozial schwachen Familien traf die Stilllegung des öffentlichen Lebens Mädchen wohl besonders hart. Seit Wochen machen Behörden und soziale Einrichtungen in ganz Deutschland auf die sinkenden Zahlen gemeldeter Kindeswohlgefährdungen aufmerksam. Es sei jedoch nicht anzunehmen, dass die Fallzahlen tatsächlich abnehmen, teilt das Münchner Fachforum für Mädchenarbeit mit. Es mangele insbesondere Mädchen an Zugangswegen zu Hilfesystemen. Wenn sie nicht mehr zur Schule gingen, keine sozialen Angebote mehr wahrnehmen können, bemerke auch niemand im Umfeld, wenn sie beispielsweise von Gewalt betroffen oder in anderer Form gefährdet sind. Hinzu komme, so das Fachforum, dass Mädchen oftmals stärker in Haushalt und Betreuung der Geschwister eingebunden seien als Jungen. Deshalb fordert das Fachforum, dass die Vielfalt der Angebotsstruktur in München dringend erhalten bleiben müsse.

"Wir nehmen durchaus wahr, dass in München die politischen Entscheidungsträger aufgeschlossen für unsere Vorschläge sind", sagt Greil vom KJR. "Zum Beispiel bietet unsere sehr engagierte Dritte Bürgermeisterin Verena Dietl immer wieder eine Sprechstunde für Kinder und Jugendliche an." Den Blick in die Zukunft gerichtet, fehle für die Sommerferien noch eine Perspektive für viele Minderjährige. "Was sollen Eltern machen, die wegen der Schulschließung ihre Urlaubstage bereits verbraucht haben?", fragt Greil. "Wir wissen außerdem noch nicht, ob und in welcher Form wir Ferienprogramme anbieten dürfen."

© SZ vom 10.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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