Münchens neue Bürgermeisterinnen im Porträt:Zum Öko-Schreck für die Wirtschaft taugt Habenschaden nicht

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Katrin Habenschaden hat das Büro von ihrer Vorgängerin Christine Strobl übernommen. (Foto: Catherina Hess)

Katrin Habenschaden will als Zweite Bürgermeisterin vor allem den Umweltschutz vorantreiben. Sie wirkt aber stets unideologisch, Pragmatismus zählt zu ihren Markenzeichen.

Von Dominik Hutter

Manchmal geht alles ganz schnell. Am Montag, direkt nach ihrer Vereidigung im Deutschen Theater, ist Katrin Habenschaden mit der S-Bahn zu ihrem neuen Arbeitsplatz im Rathaus gefahren: eine Zimmerflucht an der Ecke Marienplatz/Dienerstraße, unter den Fenstern des Bürgermeisterinnenbüros plätschert der Fischbrunnen. "Das hat viel Spaß gemacht", berichtet die gebürtige Nürnbergerin. Und ein bisschen merkwürdig war es natürlich auch. So ein Einzug in die noch ziemlich leeren und frisch hergerichteten Räume in der zweiten Etage des neugotischen Palasts am Marienplatz.

Draußen vor der Tür lehnt noch eine Leiter. Büro-Vorgängerin Christine Strobl ist schon am Donnerstag vergangener Woche ausgezogen, sie hat 14 Jahre hier gearbeitet. Zurück geblieben sind ein Schreibtisch aus hellem Holz, ein dazu passender Konferenztisch und eine riesenhafte Kerze vom Kirchentag. Es war ein ulkiger Moment, als das erste Mal das Telefon klingelte: falsch verbunden.

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Was Habenschaden, die erst seit 2009 bei den Grünen ist, in den vergangenen Jahren hingelegt hat, kann man getrost als Blitzkarriere bezeichnen. 2014 kam sie zum ersten Mal in den Stadtrat, zwei Jahre später war sie stellvertretende Fraktionsvorsitzende, noch einmal zwei Jahre später Vorsitzende. Und nun also Zweite Bürgermeisterin der Landeshauptstadt München. Zeit zum Durchschnaufen bleibt ihr nicht, trotz des anstrengenden und viele Monaten währenden Wahlkampfs. Gefolgt von einer weiteren Premiere für die Mutter zweier Kinder: Verhandlungsführerin in Koalitionsverhandlungen.

Nun muss Habenschaden mit zwei Gegensätzen klarkommen: dem befreienden Gefühl, dort angekommen zu sein, wo sie sich monatelang hingekämpft hat. Endlich ganz normal politisch arbeiten zu können. Und dem Korsett, das das kommunale Spitzenamt vom ersten Tag an mit sich bringt. Habenschaden nimmt ab sofort an den Sitzungen des Stabs für außergewöhnliche Ereignisse teil, des Corona-Krisenstabs also, der sich zweimal die Woche und manchmal auch sehr lange trifft. Termine für Gespräche innerhalb der Stadtspitze, mit der Kämmerei oder der eigenen Fraktion flattern herein. Eine Bürgermeisterin ist weiterhin Mitglied im Stadtrat, aus diesem Gremium heraus wurde sie in das Büro im zweiten Stock gewählt.

Und die Fraktion hat ziemlich viel zu tun in diesen Tagen: Die Zahl der Mandate ist um zehn auf 23 angestiegen, es gibt zahlreiche Neulinge. Ausschüsse müssen besetzt werden, ein neuer Fraktionsvorstand arbeitet sich ein. Dazu kommen die Aufsichtsratsmandate, die Habenschaden schon vorher innehatte. Ganz zu schweigen von der Pflicht, ein komplett neues Büro aufzubauen. Sämtliche Positionen werden neu besetzt, der Büroleiter war schon bis 2014 für den damaligen grünen Bürgermeister Hep Monatzeder tätig. Neben diesen ganzen Verpflichtungen gilt es, an die Umsetzung der im Koalitionsvertrag vereinbarten Themen zu gehen.

Und irgendwann muss Habenschaden auch noch mit ihrem bisherigen Arbeitgeber, der Stadtsparkasse, sprechen. Aktuell ist sie unbezahlt beurlaubt, seit Beginn des Wahlkampfs schon. Nun muss für sechs Jahre ein Modell vereinbart werden. Denn ehrenamtliche Stadträte üben ihren "bürgerlichen" Beruf neben der Kommunalpolitik weiter aus. Bei Bürgermeistern, die hauptamtlich tätig sind, geht das nicht mehr.

Habenschaden, die mit Mitte 20 von Nürnberg nach München gezogen ist, ist Bankkauffrau sowie Wald- und Wildnispädagogin. Diese Mischung passt zu ihrem Motto, Ökonomie und Ökologie miteinander zu verbinden. Die 1977 geborene Politikerin gilt als wirtschaftskompetent und vor allem auch in puncto Finanzen versiert. Diese Themen hat sie auch schon als Stadträtin betreut, sie gelten normalerweise nicht gerade als Kerninteressen der Grünen, deren Mandatsträger sich bevorzugt der Umwelt- oder Verkehrspolitik verschreiben.

Doch natürlich steht auch bei der ausgebildeten Diplom-Betriebswirtin die Ökologie ganz weit oben. Sie will, dass die Münchner Umweltpolitik der kommenden sechs Jahre anders aussieht als die der schwarz-roten Kooperation, die nun Vergangenheit ist. Der Klimaschutz soll einen höheren Stellenwert erhalten. Erkennbar nicht zuletzt daran, dass das bisherige Referat für Gesundheit und Umwelt in ein Gesundheitsreferat sowie ein Referat für Klima- und Umweltschutz aufgesplittet werden soll. So haben es Grüne und SPD im Koalitionsvertrag festgeschrieben.

Zum Öko-Schreck für die Wirtschaft taugt die Person Habenschaden nicht - auch wenn die Münchner Verbände bereits heftige Kritik an den Vorhaben der neuen grün-roten Stadtregierung formuliert haben. Die Bürgermeisterin wirkt stets auffallend unideologisch, Pragmatismus zählt zu ihren Markenzeichen. Wer noch dem Klischee der verträumten Öko-Kämpfer im selbstgestrickten Kratzpulli verhaftet ist, liegt bei Habenschaden völlig falsch.

Sie wirkt eher tough in ihrer Herangehensweise, eine Politikerin, die weiß, was sie will. Trotzdem ist sie freundlich und locker - als die SZ im Wahlkampf Fotos für das Format "Sagen Sie jetzt nichts" machte, hatte sie eine ganze Stofftüte an Requisiten dabei, vom Baustellenhelm bis zum Transparent, und ließ sich im Ziggy-Stardust-Stil schminken. Als sie vereidigt wurde, daraus macht sie keinen Hehl, hatte sie Mühe, die Fassung zu bewahren. Sie schaffte es aber und dankte nicht nur den Stadträten, sondern auch ihrem Mann Björn mit den Worten: "Ohne dich und die Mäuse wäre alles nichts."

Habenschaden wird in der neuen dreiköpfigen Stadtspitze unter anderem für Wirtschaft, Kultur, Umwelt- und Klimaschutz sowie Mobilität zuständig sein. Der Verkehr in München soll umweltfreundlicher werden, das ist ihr ganz wichtig - und auch die derzeit ein wenig hintanstehende Kultur solle angesichts des Corona-Lockdowns nicht völlig unter die Räder kommen.

© SZ vom 09.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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