Katrin Habenschaden:"Wirtschaft und Grün geht gut zusammen"

Katrin Habenschaden, 2020

Katrin Habenschaden in ihrem Büro im Münchner Rathaus.

(Foto: Catherina Hess)

Als Zweite Bürgermeisterin muss Katrin Habenschaden Münchens Boom bewältigen. Wichtig ist ihr, dass Industrie und Klimaschutz kein Widerspruch sind.

Von Anna Hoben

Sie müssten jetzt ganz stark sein, warnt Katrin Habenschaden ihre Zuhörer und meint damit: falls jemand Vorurteile über die Grünen hat. Nicht komplett unwahrscheinlich in einem Raum voller Immobilienmenschen - Anwälte, Bauträger, Gutachter. Habenschaden, 43, will Oberbürgermeisterin von München werden, deshalb steht sie hier im Haus der Bayerischen Wirtschaft, im Februar 2020. "Wirtschaft und Grün geht gut zusammen", sagt sie. Allerdings wolle sie "nicht nur ein gutes wirtschaftliches Klima, sondern auch eine Wirtschaft, die gut ist fürs Klima". Sie spricht über Unternehmertum und besseren Mieterschutz. Für Letzteres erntet sie zwar keine Zustimmung, nach der Veranstaltung aber anerkennende Kommentare.

Bei der Kommunalwahl ein paar Wochen später unterliegt Habenschaden dem Amtsinhaber von der SPD, Dieter Reiter. Die Grünen werden stärkste Fraktion im Stadtrat. Jetzt ist Habenschaden Zweite Bürgermeisterin, das Gesicht der Münchner Grünen, und unter anderem ist sie für Wirtschaftsthemen zuständig, zusammen mit einem Referenten für Arbeit und Wirtschaft von der CSU. Sie steht für einen wirtschaftsfreundlichen Kurs und freut sich, dass Apple München zu seinem Technologiezentrum in Europa ausbauen will.

Mit Apple, IBM-Watson, Google, Microsoft und Amazon Web Services sind fünf große IT-Konzerne in der Stadt vertreten. Auch BMW und Audi haben ihre Forschung und Entwicklung für künstliche Intelligenz und dergleichen in der Region zusammengezogen und entsprechende Zentren oder Labore aufgebaut. Als große Chance sieht Habenschaden die Apple-Investition aber vor allem wegen der Begleiterscheinungen: wegen der Start-ups etwa, die dadurch wie von alleine angezogen werden. Sie ist Pragmatikerin, betont gern, dass die Stadt sich ohne Gewerbesteuern keine Schwimmbäder, keine Seniorentreffs, keine Bibliotheken, keine Spielplätze leisten könne.

2009 trat sie bei den Grünen ein und legte eine Blitzkarriere hin

In ihrer Heimatstadt Nürnberg hat sie Bankkauffrau gelernt und Betriebswirtschaftslehre studiert. Mit Mitte 20 zog sie nach München und fing bei der Stadtsparkasse im Kreditbereich an, finanzierte Unternehmen, vom kleinen Falafel-Laden bis zum Oktoberfest-Wirt. 2009 trat sie bei den Grünen ein, begann sich mit Wirtschaftspolitik zu beschäftigen und legte eine Blitzkarriere hin: 2014 zog sie in den Stadtrat ein und kümmerte sich um Finanzen, Haushalt und Wirtschaft - so jemand hatte der Fraktion noch gefehlt. Mit ihrem Fachwissen und ihrer offenen Art verschaffte sie sich schnell Anerkennung, 2018 wurde sie Fraktionschefin. Als Bankerin eroberte sie die Herzen des Ökoflügels und wurde bald darauf OB-Kandidatin.

Nur mit der und nicht gegen die Wirtschaft werde die Klimaneutralität bis 2035 zu erreichen sein, sagt Habenschaden. Dieses Ziel hat München sich vor einem guten Jahr gesetzt. Habenschaden muss nun also den Boom am Laufen halten und sich gleichzeitig um dessen Kehrseiten kümmern: den überhitzten Wohnungsmarkt, die - vor der Pandemie - verstopften öffentlichen Verkehrsmittel. Wenn noch mehr sehr gut bezahlte Entwickler in die Stadt ziehen, konkurrieren eben noch mehr Menschen um den knappen und teuren Wohnraum. Die Neubauziele der Stadt sind hoch, zugleich stellt sich - vor allem für Habenschaden und die regierenden Grünen - immer mehr die Frage, wie sich der Schutz des Stadtklimas und der Erholungsflächen damit vereinbaren lässt.

Grüne Wirtschaftspolitik bedeutet für Habenschaden auch die Ansiedlung von Tech-Unternehmen. Warum sollte das nächste Google oder Facebook nicht in einer Garage in den Münchner Stadtteilen Allach oder Laim entstehen? Das fragte sie mal rhetorisch auf einer Wahlkampfveranstaltung. Sie will ein Klima schaffen, in dem die Jobs von morgen entstehen können - und in dem Industrie und Klimaschutz kein Widerspruch sind.

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