Neues Gesetz:Beleg und Semmeln

Händler wehren sich gegen Pflicht, auch bei kleinsten Einkäufen Kassenbons zu drucken

Von Bernhard Hiergeist

Etwa 800 Kunden pro Tag hat Matthias Kehr im Kiosk an der Münchner Freiheit. Einer kauft eine Zeitschrift und eine Limo, ein anderer ein Feuerzeug oder eine Schachtel Zigaretten. Kiosk-Geschäft eben, vieles davon sind Kleinbeträge. Doch im kommenden Jahr muss Kehr für jeden Einkauf, und seien es nur ein paar Cent, einen Kassenbon ausgeben. "Da kommt pro Tag natürlich einiges zusammen", sagt er. "Die wenigsten Kunden wollen einen Kassenbon. So produzieren wir unnötig Müll."

Den unnötigen Müll erfordert die sogenannte Kassensicherungsverordnung, die am 1. Januar in Kraft tritt. Besitzt ein Betrieb eine elektronische Kasse, muss diese spätestens im Oktober über eine "zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung" verfügen, wie das Bundesfinanzministerium (BMF) mitteilt. Unterschied zu jetzt: Betriebe haben dann eine "Belegausgabepflicht" - Kunden allerdings keine Mitnahmepflicht. Supermärkte und Kaufhäuser drucken Bons schon bisher meist standardmäßig, Kioske, Imbissbuden oder Bäckereien eher nicht. "Totaler Quatsch", sagt ein Sprecher des Handelsverbands Bayern. "Das sind einige Millionen Bons im Jahr, die man sich sparen könnte."

Dem BMF geht es um "verstärkte Transparenz im Kampf gegen Steuerbetrug". Wie groß das Problem ist, weiß man im Ministerium aber nicht: "Bei der Kassenmanipulation handelt es um ein Dunkelfeld, so dass der Schaden für die Allgemeinheit nicht bezifferbar ist." Papier also als die ultimative Sicherheit? Das BMF weist darauf hin, dass Belege ja auch "per Mail oder auf das Handy" ausgegeben werden könnten. Aber wie soll das funktionieren? "Da müssten wir ja Kundendaten sammeln und eine ganz eigene Plattform anbieten", sagt Magnus Müller-Rischart, Inhaber des Münchner Bäcker-Unternehmens Rischart. Er verweist darauf, dass elektronische Kassen seit Jahren immer enger mit dem Finanzamt kommunizierten. Sie zeichneten alle Vorgänge auf, es gebe Speicher- und Aufbewahrungspflichten. "Selbst wenn man wollte, könnte man nichts manipulieren." Auch er findet den Müll unnötig. "Wenn Sie einen Beleg für Ihre Breze haben wollten, haben Sie den immer schon bekommen", sagt er. Insofern sei man vorbereitet. Aber die allermeisten Kunden verlangten eben keinen.

Kassen, die schwerer umzurüsten sind, dürfen unter bestimmten Bedingungen länger als bis Ende September genutzt werden. Und selbst wer danach keine Belege ausgibt, hat erst einmal nichts zu befürchten: Die Verordnung sieht keine Bußgelder vor. Ein Verstoß "könnte aber als Indiz dafür gewertet werden, dass den Aufzeichnungspflichten nicht entsprochen wurde", warnt das BMF. Die Finanzämter schauen unter Umständen genauer hin. Unternehmer, die das vermeiden möchten, können sich von der Belegausgabepflicht befreien lassen: Wer Waren an eine Vielzahl unbekannter Personen verkauft, kann mit Zustimmung des jeweiligen Finanzamtes auf den Papierbeleg verzichten. Allerdings nur, wenn für den Betrieb nachweislich eine "sachliche Härte" vorliegt, teilt das Bayerische Finanzministerium dazu mit. Worin eine solche bestehen könnte, sagen die Ministeriellen nicht. Sie verweisen nur darauf, dass "höhere Kosten" nicht als Grund ausreichen.

Möglich, dass viele Betriebe erst einmal spuren. Oder versuchen, das Beste daraus zu machen: Die Hofpfisterei druckt schon länger alle Belege aus und ist vor einiger Zeit von Thermo- auf Öko-Papier umgestiegen. Das hat einen bläulichen Farbstich und ist etwas teuer - ein Grund, warum es sich für kleine Betriebe wie den Kiosk an der Münchner Freiheit nicht lohnt. Für die Hofpfisterei, die in und um München gut 120 Filialen betreibt, war der Schritt leichter zu gehen. Die Bons wandern zwar auch in den Müll, können aber immerhin recycelt werden.

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