"Persönlichkeiten wie Christoph Probst sind für uns Vorbilder", sagt Generalstabsarzt Stephan Schoeps, der stellvertretende Inspekteur des Sanitätsdiensts der Bundeswehr, gegen Ende seiner Ansprache vor vielen Ehrengäste, darunter Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde, sowie Hildegard Kronawitter, die Vorsitzende der Weiße-Rose-Stiftung. Solche Persönlichkeiten, fährt Schoeps fort, "vermitteln den Wertekanon und moralischen Kompass für unsere Sanitätssoldaten und -soldatinnen."
Wenig später marschieren Ehrenposten, die Truppenfahne tragend, unter Trommelwirbel zum Podium, wo eine mit blauem Tuch verhüllte Stellage aufgebaut ist. Schoeps und zwei weitere Offiziere sowie Vincent Probst, der Sohn von Christoph Probst, rollen gemeinsam das Tuch auf, unter dem ein großes silbriges Schild zum Vorschein kommt. "Christoph-Probst-Kaserne" steht da zu lesen. Dieses Schild wird demnächst an der Einfahrt des Zentralen Instituts des Sanitätsdienstes der Bundeswehr an der Ingolstädter Landstraße in Garching angebracht. Es ist das erste Mal, dass die Bundeswehr eine Kaserne nach einem Mitglied der Widerstandsgruppe "Weiße Rose" benennt. Bislang firmierte die Garchinger Bundeswehr-Liegenschaft unter dem Namen "Hochbrück".
Exakt vor hundert Jahren, am 6. November 1919, ist Christoph Probst in Murnau geboren worden. 1939 begann er sein Medizinstudium in München, einer seiner engsten Freunde war Alexander Schmorell, geboren in Russland als Sohn eines deutschen Arztes, ein junger Mann, der sich wie Probst für Kunst und Kultur interessierte und ebenfalls Mediziner werden wollte. Christoph Probst heiratete 1941 Herta Dohrn, das Paar hatte drei Kinder. Im Sommer 1942 führte Schmorell seinen Freund in den Kreis um Hans Scholl ein, der sich dem Kampf gegen die NS-Diktatur und den mörderischen Krieg verschrieben hatte. Probst, mittlerweile nach Innsbruck versetzt, beteiligte sich bei seinen Besuchen in München an der Diskussion um das fünfte Flugblatt der Weißen Rose, und er war auch bereit, selbst eine Flugschrift zu verfassen. Im Manuskript, zu dessen Verbreitung es nicht mehr kam, stand unter anderem: "Hitler und sein Regime muss fallen, damit Deutschland weiterleben kann."
Als Hans und Sophie Scholl am 18. Februar 1943 beim Auslegen des sechsten Flugblatts in der Ludwig-Maximilians-Universität festgenommen wurden, fand die Gestapo Probsts Entwurf in der Jackentasche von Hans Scholl. So kam sie auf die Spur des Medizinstudenten. Probst wurde am 20. Februar in Innsbruck verhaftet und zwei Tag später in einem Schauprozess vom Volksgerichtshof-Präsidenten Roland Freisler zusammen mit den Geschwistern Scholl zum Tode verurteilt. Noch am selben Tag wurden die drei Widerstandskämpfer im Gefängnis Stadelheim mit der Guillotine hingerichtet.
Im Foyer des Bundeswehr-Instituts in Garching, in dem medizinische, veterinärmedizinische, pharmazeutische und chemische Untersuchungen für die Streitkräfte vorgenommen werden, hat man bereits ein großes Porträt Christoph Probsts angebracht, über dem steht: "Aufrecht, mutig, couragiert." Auf diese Worte bezieht sich auch Oberstapotheker Thomas Zimmermann, der Leiter des Zentralinstituts, in seiner Begrüßungsansprache. Die "sinnstiftende Namensgebung" einer Kaserne sei eine besondere Herausforderung, unter anderem solle die Gesamtpersönlichkeit des Namenspatrons beispielgebend sein. Seit 2016 hätten die Sanitätssoldaten und -soldatinnen in einem mehrstufigen Prozess Vorschläge entwickelt und diskutiert, und schließlich habe man sich klar für Christoph Probst entschieden. Dieses Votum habe man Vincent Probst mitgeteilt, der schließlich seine Zustimmung im Namen der Familie erteilt habe.
Für die Familie des Widerstandskämpfers - neben Vincent Probst, dessen Geschwister nicht mehr leben, sind noch viele Enkel und andere Angehörige zum Festakt erschienen - spricht Enkelin Katharina Versluis-Probst. Sie stellt eingangs die Frage, woher Christoph Probst in dieser katastrophalen Zeit die Liebe zu den Menschen nahm und den Mut, "wo überall Feigheit herrschte". In ihrer Familie habe jeder sein eigenes Bild des Widerstandskämpfers, den sie ja alle nicht kennenlernen durften. Einig aber sei man sich, dass er "ein besonderer junger Mann" war und dass er "ein großes Vorbild" sei, "ein Vorbild für Klarsicht, Mut und Liebe". Selbstverständlich habe sich die Familie gefragt, ob der Name Christoph Probst zur Bundeswehr passe. Katharina Versluis-Propst beantwortet die Frage mit Ja. Zum einen, weil es sich um eine Sanitätskaserne handle und damit der Faden zu Probst geknüpft werde, der als Medizinstudent im Sanitätsdienst der Wehrmacht eingesetzt war. Zum anderen sei die Bundeswehr, anders als die Wehrmacht, auf Verteidigung ausgerichtet, was mit Probsts Streben nach Freiheit und einem menschenwürdigen Leben korrespondiere. Abschließend sagte die Enkelin: "Nach reiflicher Überlegung freut sich die ganze Familie über diese Namensgebung."
Mit der Namengebung fügt die Bundeswehr den Widerstand der Weißen Rose in ihre Erinnerungskultur ein. Ein erster Schritt war bereits 2012 unternommen worden, als das Auditorium Maximum in der Bundeswehr-Sanitätsakademie nach Hans Scholl benannt wurde. Nun also Christoph Probst: "Dies ist ein starkes Zeichen der Wertschätzung des Widerstands gegen die Nazis", sagt Generalstabsarzt Stephan Schoeps in seiner Rede. Markus Vogt, Professor für Christliche Sozialethik an der Ludwig-Maximilians-Universität, fügte in seinem Festvortrag hinzu, Probst sei "ein Märtyrer für den Glauben an Humanität, Freiheit und Demokratie" und könne somit bis in die Gegenwart sinnstiftend wirken. Sein Beispiel eines kritischen, eigenständigen Denkens mahne zum Nachdenken über die heutigen Gefährdungen der Demokratie. Auch im Alltag gebe es Situationen, die Zivilcourage erforderten. "Zivilcourage ist die kleine Münze des Widerstands", sagt Vogt. Das Bekenntnis der Bundeswehr zu Probst und der Weißen Rose bedeute auch eine "notwendige Abgrenzung zum braunen Erbe". Und mit Blick auf die jüngsten Wahlerfolge der AfD fügt Vogt hinzu: "Das ist die demokratische Herausforderung im Erbe von Christoph Probst."