Süddeutsche Zeitung

Galeria Karstadt Kaufhof:Ausverkauf am Nordbad

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Mehr als 50 Jahre lang war der Karstadt am Nordbad die zentrale Anlaufstelle für Schwabing. Am Samstag ist Schluss - doch schon jetzt herrscht Endzeitstimmung in der Filiale.

Von Dominik Hutter

Ausgeweidet nennt man das wohl. Leere Vitrinen, leere Regale, die silbernen Kleiderständer sind zur Seite geschoben. "Noch ein Tag" steht am breiten Eingangsportal des Karstadts am Nordbad, und man kann davon ausgehen, dass hier gerade jeder Mitarbeiter, der ebenso wacker wie final die Stellung hält, in einer merkwürdigen Stimmung ist. Eine Kundin fragt nach, ob es möglich ist, Teile des Mobiliars abzubekommen. Eine andere erzählt, dass sie schon bei der Eröffnung des Westschwabinger Kaufhauses dabei gewesen ist. 1968 war das, damals wirkte die Beton-Trutzburg noch ziemlich futuristisch zwischen den Altbauten rund um das mit einem Säulenportikus geschmückte Nordbad.

Jetzt ist Ladenschluss - für immer. Der Karstadt am Nordbad macht nach mehr als einem halben Jahrhundert zu. Mit ihm schließt der Karstadt im Olympia-Einkaufszentrum - wobei dort, ähnlich wie beim vorerst geretteten Kaufhof am Stachus, immerhin ein Warenhaus des gleichen Konzerns in unmittelbarer Nähe besteht. Der Karstadt am Nordbad aber ist weit und breit der Einzige seiner Art. Offiziell ist dieser Samstag der letzte Verkaufstag. In dem dreistöckigen Bunker befindet sich allerdings nur noch sehr wenig, was Kunden anziehen könnte. Eine grelle Rabattaktion - die Werbebanner hängen noch an der Fassade - hat längst Regale, Kleiderständer und Kühltruhen geleert.

Das Obergeschoss ist bereits gesperrt, hier gibt es nichts mehr zu erstöbern. Mitarbeiter laufen herum, schieben Möbel hin und her. In der nunmehrigen Leere wird klar, wie riesig die Flächen eigentlich sind. Noch ist alles hell erleuchtet, sind die Rolltreppen in Betrieb. Demnächst, wenn ausgeräumt ist, wird all das hier leer und düster dastehen, als Abbruchhaus. Eine komische Vorstellung.

Die Wursttheke im Untergeschoss ist noch besetzt, Fisch gibt es nicht mehr. Vereinzelt stehen Lebensmittel in den Regalen. Essig, Wein, Gewürze und Süßigkeiten. Ein paar riesige Adventskränze warten auf die letzten Schnäppchenkäufer. Die Kühltruhen sind schon ausgeräumt.

Draußen an der Schleißheimer Straße, auf einer Glasscheibe, prangt ein Protest-Aufkleber: "Die Benkos enteignen", steht darauf. In Anspielung an den österreichischen Investor, dem Karstadt und Kaufhof seit einiger Zeit gehören. An den gläsernen Eingangstüren hängt eine Solidaritätsnote eines "traurigen, alten Kunden", wie der Schreiber selbst formuliert. Für die Schwabinger ist die Schließung ein herber Schlag.

Jahrzehntelang war das direkt am Nordbad gelegene Kaufhaus eine zentrale Anlaufstelle, wenn es noch schnell etwas zu besorgen galt, wofür man sonst in die Innenstadt fahren müsste. Wo man an Heiligabend auf den letzten Drücker einen Weihnachtsbaum kaufen konnte. Wo es, als die Ladenöffnungszeiten noch strenger reglementiert waren, noch Schweineschnitzel gab, wenn die anderen Supermärkte schon zu hatten.

Natürlich ist die Schließung der einst so wichtigen Anlaufstelle auch ein Symbol für den Wandel der Konsumwelt. Die Kaufhäuser leiden wie sonst kaum jemand unter dem Trend, digital einzukaufen - in den besseren Zeiten des Karstadt am Nordbad war es eher verpönt, ausdauernd die eigene Couch zu belagern und alles von zu Hause aus zu erledigen. Obwohl es damals auch schon Versandhandel gegeben hat, der jedoch einen noch spießigeren Ruf als die Warenhäuser hatte. Das alles hat sich geändert.

Die Schwabinger haben einen Rettungsversuch gestartet. Eine Anwohnerinitiative sammelte Unterschriften für den Erhalt des Stadtviertel-Treffpunkts, die Landtagsabgeordnete Ruth Waldmann (SPD) hat eine Online-Petition initiiert. Und dabei auch an das Schicksal der vielen Karstadt-Mitarbeiter erinnert, denen nun die Arbeitslosigkeit droht. Genützt hat es alles nichts. Im Abschiedsschreiben der Belegschaft, das draußen an der Eingangstür angeklebt ist, wird nun daran erinnert, wo ein guter Ort ist für die Personalakquise: hier.

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Quelle:
SZ vom 17.10.2020
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