Knausgård-Lesung:"Der wird hier bis Mitternacht sitzen, um allen ein Autogramm zu geben"

Lesezeit: 3 Min.

Der norwegische Autor Karl Ove Knausgård in München. (Foto: Robert Haas)

In München wird Karl Ove Knausgård wie ein Superstar gefeiert - obwohl ihn die wenigsten wohl verstehen dürften: Er liest auf Norwegisch. Manch einer will danach das Geheimnis seines hohen Outputs verstanden haben.

Von Stefanie Witterauf

Karl Ove Knausgård schließt die Augen, verschränkt die Arme und lächelt. Vor sieben Jahren war der norwegische Schriftsteller schon einmal in München und wurde wie ein Popstar gefeiert. Bekannt wurde er durch sein autobiografisches Romanprojekt "Mein Kampf". Mittlerweile schreibt er so schnell, dass er jedes Jahr ein neues Buch veröffentlicht. Mit seiner fiktionalen Romanserie, die nach einer Mischung aus Bibel und Stephen King klingt, ist Knausgård nun auf Mini-Deutschland-Tournee. Gerade hat er in Köln gelesen, am Donnerstagabend sitzt er auf dem Podium in der Großen Aula der LMU. Dunkelgraue Jeans, schwarzes Hemd und weiße Haare mit dem gleichen Volumen wie Richard Gere. Hinter dem Autor glitzern die Sterne des Apoll-Mosaiks und an der Decke die goldenen Strahlen der Holzvertäfelung. Passende Location also, denn Knausgård ist ja gekommen, um den dritten Band seiner Morgenstern-Romanreihe vorzustellen.

Darin gibt es einen Perspektivwechsel, denn Knausgård erzählt in "Das dritte Königreich" die gleiche Handlung wie im ersten Teil, doch dieses Mal etwa aus der Sicht von Tove, die bisher nur eine Nebenfigur war. In einem anderen Erzählstrang verliebt sich eine junge Frau in den Sänger einer Black-Metal-Band. Das Konzert beschreibt Knausgård so detailliert, dass sich vermuten lässt, er sei selbst fanatischer Metal-Fan. Aber nein, das stimmt nicht, er selbst höre Klassik, sagt er, nur gab es eine große Black-Metal-Szene in Bergen, wo er in den frühen Neunzigern studiert hat und Black-Metal-Anhänger Kirchen niedergebrannt und Menschen im Park ermordet haben. In seinem neuesten Werk leben die Menschen plötzlich ewig. "Unsterblichkeit ist das schlimmste Szenario, das ich mir vorstellen könnte", sagt Knausgård.

Der 55-Jährige setzt eine Brille auf und liest. Im voll besetzten Saal wird es andächtig ruhig, aber die meisten werden von Knausgårds Worten nichts verstehen. Nein, das liegt nicht an der Technik. Knausgård liest in seiner Muttersprache, auf Norwegisch. Und unterhält sich auf Englisch. Der FAZ-Journalist Andreas Platthaus paraphrasiert, ordnet ein und moderiert den Abend. Wenn Schauspieler Thomas Loibl die deutsche Übersetzung liest, schließt Knausgård die Augen und lächelt. Loibl ist wohl einer der wenigen im Saal, die Knausgårds neuesten Band schon von Anfang bis Ende kennen, immerhin hat er bereits das Hörbuch eingesprochen, 16 Stunden dauert das, und die geschriebenen 650 Seiten sind erst am Tag vor dieser Lesung in den Handel gekommen.

Unter glitzernden Sternen: Moderator Andreas Platthaus, Schriftsteller Karl Ove Knausgård und Schauspieler Thomas Loibl. (Foto: Robert Haas)

Für Knausgård ist das eine eher moderate Seitenzahl. Er habe sieben Monate an einem Essay über Computertechnologie geschrieben, deswegen weniger Zeit für den Roman gehabt als geplant, erzählt er auf der Bühne. Seit vier Jahren hat er jedes Jahr einen Band der Morgenstern-Reihe veröffentlicht. In Norwegen ist gerade der vierte Teil "Nattskolen" erschienen. Wie es nun weitergeht? Das weiß Knausgård selbst nicht, denn seine Romane plant er nicht, die Geschichten entstehen, während er schreibt.

Wenn ein Schriftsteller so berühmt ist wie Knausgård, geht es da wirklich noch um das Werk? In die Universität sind auch Fans gekommen, die noch kein einziges seiner Bücher gelesen haben. Einfach mal den gefeierten Literaten sehen, dabei sein ist alles, das olympische Motto gilt halt auch bei ihnen. Ob sie nach der Lesung zu einem seiner Bücher greifen werden? Zwei Frauen genügt vorerst, mit dem Smartphone noch ein paar Videos aus der Nähe zu machen. Ein Mann, auch noch Knausgård-Frischling, hat sich beim Büchertisch immerhin das neueste Werk gekauft, wird also mit Band drei in den Zyklus starten und steht nun zwischen schwerbeladenen Knausgård-Leserinnen und Lesern in der Schlange für die Autogramme.

Manche könnten mit den Büchern, die sie zum Signieren dabeihaben, einen halben Meter Regalbrett füllen, andere haben die rückenfreundlichere Variante, also die leichtere Taschenbuchversion in den Händen. "Der wird hier bis Mitternacht sitzen, um allen ein Autogramm zu geben", vermutet jemand im Vorbeigehen, obwohl Knausgård ja bekannt fürs schnelle Schreiben ist. Aber ein Mann will noch ein anderes Geheimnis für den hohen Output des norwegischen Schriftstellers gelüftet haben. "Der hat auf der Bühne so viel geredet", sagt er. "Seine Antworten waren sehr lang. Da kann ich mir jetzt schon vorstellen, wie er jedes Jahr so ein dickes Buch veröffentlichen kann. Der schreibt einfach alles auf, genauso, wie er spricht."

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