Eine Hülle wie aus Marmor, der Mensch darin eingezwängt. Schwer ist die Hülle. Von außen wird die Form bestimmt. Das Gefühl, von anderen eine Identität übergestülpt zu bekommen, die nicht die eigene ist, in der man sich selbst nicht sieht - dieses Empfinden beschreibt der Song "Sculpted Marble". Es ist der erste Song der Musikerin Franziska Auer, alias Franzine, den die 27-Jährige im Frühling diesen Jahres veröffentlichte.
Lange hat sich Franziska gefühlt wie eine Statue, "aber mir ist es erst durch den Songtext bewusst geworden, dieses Gefühl, als skulpturiere dich jemand von außen", sagt sie. Schon früh hat sie begonnen Songs zu schreiben. Im Zentrum standen immer "konflikthafte Gefühle", wie die gebürtige Tirolerin mit leichtem Akzent erzählt. Als sie sechs Jahre alt war, haben sich ihre Eltern getrennt. In dieser Zeit konnte Franziska ihre eigenen Gefühle nicht richtig fassen, war verwirrt. Mit der Musik und mit dem Schreiben von Songs fiel es ihr leichter, "einen emotionalen Zugang zu der Thematik zu finden".
Für die Musikerin ist das immer ein intimer Prozess gewesen, deshalb habe sie auch bisher keines ihrer Lieder veröffentlicht. Immer gab es Selbstzweifel, ihre Identität als Künstlerin wurde in ihrer damaligen Heimat in Tirol nie richtig anerkannt. "Ich hatte nie von meinem Umfeld gespiegelt bekommen, dass ich dem, was da ist, auch wirklich nachgehen kann", erzählt Franziska. Es ist dieser Identifikationskonflikt zwischen ihrem Selbstbild als Künstlerin und dem, was Leute auf sie projizierten, mit dem sie sich in dem Song auseinandersetzt. Sie musste Tirol erst hinter sich lassen, ist nach London gezogen, wo sie ihre Identität leben konnte "und das hat keiner hinterfragt". Zu Beginn der Pandemie stand sie dann wie viele vor der Frage, was sie jetzt machen solle. Sie entschied sich, nach München zu ziehen und hat hier begonnen, Psychologie zu studieren.
Ihren neuen Zugang zur Musik brachte Franziska mit aus London. In Co-Produktion mit Niclas Wesemann, alias Chinichi, den sie in München kennenlernte, entstand der Pop-Song "Sculpted Marble". Zwischen einem breakigen Beat, Synth-Wave-Einflüssen und dem Echo der Stimme der Sängerin, das immer wieder mit der Melodie verschmilzt, singt Franziska von der Schwere des Marmors. Von Asche, die bleibt, wenn Vergangenes verbrannt wird. Von der Illusion, dass es jemals jemandem gehörte. Es sind Chiffren, die Interpretation liegt beim Hörer. Für Franziska beginnt ihre Musik immer mit einem Bild, einer Welt, die in ihrem Kopf entsteht. Aus dieser Welt entstehen ihre Songs.
Zurück zum Marmor. In gewisser Weise hatte der Song etwas Befreiendes für Franziska. "Durch das Schreiben hatte ich das Gefühl, der Marmor kriegt Risse, und er wird so langsam aufgelöst", erzählt die Sängerin. Vielleicht ist auch das der Grund, warum Franziska sich dieses Mal dazu entschied, ihre Musik zu veröffentlichen.