Süddeutsche Zeitung

Ideen für Münchens Zukunft:Bezahlbare Wohnungen und "Ugly Friday"

Wie muss die Stadt 2040 aussehen, damit sie für heute 14- bis 27-Jährige lebenswert bleibt? Nach einem Kongress hat ein Team aus 80 jungen Engagierten einen Forderungskatalog im Rathaus übergeben.

Von Andrea Schlaier

Ein regelmäßiger "Ugly Friday" wäre nicht schlecht: Die Hemmschwelle sinkt, keiner muss sich einen Kopf um die Garderobe machen, und kann einfach in Jogginghosen zu Wagner in die Staatsoper oder ins Theater schlendern. Und auch sonst könnte das Leben in München in knapp 20 Jahren anders aussehen: Studierende, die nicht auf einem Sack Geld sitzen, müssten nicht mehr jahrelang warten, um den Zuschlag für eine bezahlbare Genossenschaftswohnung zu bekommen. In den Stadtbibliotheken fänden sich statt langer Regalreihen voller Lexika luftige Inseln mit digitalen Medien, aktueller internationaler Lektüre und Zapfstellen für Wasserflaschen. Im Rathaus wäre eine Partizipationsstelle geschaffen, die Jugendbeteiligung für alle Bereiche des Lebens in den Fokus und damit ernst nimmt.

"München 2040" hieß die Zukunftskonferenz, bei der im Sommer 2021 etwa 300 junge Menschen zwischen 14 und 27 Jahren Visionen und Innovationen für die Stadt entworfen haben, in der sie wohnen und ihre Kinder großziehen wollen. Auf Initiative des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) in der Region München gründete sich ein Organisations-Team aus vielen Bereichen der Jugendarbeit, darunter Kreisjugendring und Stadtschülerinnenvertretung. Unterm Strich haben 80 Leute in 43 000 ehrenamtlichen Stunden Vertreter von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft mit ins Boot geholt, um eine gesellschaftliche Debatte anzuregen und möglichst vieles aus der langen Wunsch-Liste umzusetzen. Am Dienstagmittag hat eine Abordnung die Forderungen im Rathaus an Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD) übergeben.

Es sei nicht in Frage gekommen, die lange geplante Konferenz mitten im Pandemiesommer 2021 abzublasen, sagt Benedikt Breil vom BDKJ, 23 Jahre alt und Initiator des Großprojekts. "Viele junge Menschen hatten in der Zeit das Gefühl, vergessen worden zu sein." Und genau darum sollte es ja gehen: konkrete Mitbestimmung der eigenen Zukunft, gebündelt in fünf Themenbereiche, darunter Bildung und Arbeit, Umwelt und Technik, Kultur und Gesellschaft. Daraus destillierten sie bei der Veranstaltung ihre Forderungen.

Eine Partizipationsstelle soll bald beschlossen werden

Wichtig sei, dass Lehrkräfte gut ausgebildet würden zu den Themen Antirassismus, Antidiskriminierung und Medienkompetenz, sagt bei der Übergabe im Rathaus Fabian Rieth, 23, Studierenden-Vertreter der Hochschule München. Der Herzenswunsch von Philosophie-Studentin Franziska Rhein, 25, ist es, "im öffentlichen Raum mehr Aufenthaltsfläche für Jugendliche zu schaffen". Sharing-Angebote im gesamten MVV-Raum stehen ebenfalls auf der Liste. "Das Querschnittsthema", sagt Benedikt Breil, "ist ein Ausbau der Fachstelle für Demokratie zu einer Münchner Zentrale für politische Bildung. Wir wissen einfach zu wenig über unsere Kommunalpolitik."

"So gebündelt von so vielen unterschiedlichen Bereichen" sei noch kein Jugend-Paket an die Stadt herangetragen worden, zollt Bürgermeisterin Dietl den Engagierten Respekt. Manches sei bereits auf dem Weg, und man habe die jungen Aktiven dabei gleich als Ansprechpartner eingebunden. So bei der Partizipationsstelle als Anlaufstelle für junge Menschen, über die im nächsten Kinder- und Jugendhilfeausschuss entschieden werde.

Vor allem auf ihrem Instagram-Kanal haben die Visionäre konkrete Forderungen an Stadt-, Land- und Bundespolitiker bis hin zu Kanzler Olaf Scholz gestellt, die alle mit einem kurzen Filmchen antworten. Die einen nutzen die Plattform als Vortragsfläche fürs eigene Parteiprogramm, andere werden konkreter. So konzentriert kriegt man die Aufmerksamkeit junger Wähler nicht allzu oft.

"Wenn man in Zukunftsprojekten spricht, kommt man schnell auf Flugtaxis." Benedikt Breil lacht. "Dann kommt man wieder zurück und wird ganz konkret und fängt im Kleinklein an, wo wir Verbesserungen im Alltag herstellen können." Das sei schon ganz gut gelungen. Über die Grenzen Bayerns hinaus wird die Methode ihres Zukunftsprojekts wohl rege angefragt.

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