Süddeutsche Zeitung

"Hader on Ice":Über die Lust, einen blöden Mann auf die Bühne zu bringen

Der Kabarettist Josef Hader spielt sein neues, lange erwartetes Programm. Im Interview spricht er über populistische Führer, unlautere Konkurrenz aus der Politik - und warum Abgründe ihm große Freude machen.

Interview von Oliver Hochkeppel

Zehn, vierzehn oder gar 17 Jahre - es gibt verschiedene Rechnungen, wann zuletzt ein neues Kabarett-Bühnenprogramm von Josef Hader Premiere hatte. Lang genug ist es jedenfalls her, zu gut war der mit seinen Monolog-Stücken zum berühmtesten Kabarettisten Österreichs aufgestiegene Wiener dann auch als Schauspieler, Autor und Regisseur beschäftigt. Jetzt aber ist es soweit: "Hader on Ice" ist vom 13. November an in mehreren Münchner Spielstätten zu sehen - nach einem heimlichen Probelauf.

SZ: Herr Hader, erinnern Sie sich noch an den 26. Mai diesen Jahres?

Josef Hader: (überlegt)

Da haben Sie in München im Innenhof des Deutschen Museums gespielt. . .

Ah ja, um Gottes Willen. . .

. . . das war buchstäblich "Hader on Ice". . .

. . . es hat noch einiges gefehlt, ich hab ja ohne Pause gespielt, und es war noch sehr im Rohzustand. Und was am Schluss passiert, konnte man dort noch nicht machen.

Ich meinte, weil es acht Grad und strömenden Regen hatte.

Ach so, ja. Ich hab' mir noch nie Funktionsunterwäsche gekauft, ich bin ja nicht so sportlich, deswegen brauch ich sowas nie. Aber am Tag zuvor hab' ich den Kollegen Alfons gesehen, da war mir so kalt, da bin ich sofort ins nächste Geschäft für Bergsteiger gegangen und hab' mich eingedeckt.

Hatten Sie sich kurzfristig entschieden, nicht wie angekündigt "Hader spielt Hader", sondern schon aus dem neuen Programm zu spielen?

Ich war vor allem zu faul, mir nach der langen Pause das alte Programm wieder draufzuschaffen, zum anderen dachte ich mir, dass das eine gute Feuerprobe ist. Weil ich wusste, dass es ohne Pause ist, konnte ich die Teile zusammennehmen, bei denen ich mir schon sicher war. Ich hatte vorher in Innsbruck ein bisschen trainiert, nicht vor zahlendem Publikum, sondern vor ein paar Freunden.

Mit Goldkettchen und offenem Hemd, wie die Figur angelegt ist, konnten Sie jedenfalls nicht auftreten.

Nein, das war eher mit Pullover und Sakko. Hat aber auch nicht schlecht gepasst zu dieser versülzten Kabarettistenfigur, die sich aufs Altenteil zurückgezogen hat.

Im Weinviertel spielt das Ganze?

Ja, das ist bei uns so ein Codewort für Künstler und Journalisten, die es hinter sich haben und jetzt da wohnen, teilweise sogar in Schlössern.

Man weiß bei Ihnen ja nie so genau, was autobiografisch ist. Hat es Sie in der Corona-Zeit zwischendurch selbst aufs Land verschlagen?

Nein, ich war in Wien. Es wäre geradezu ungesetzlich gewesen, woanders zu sein als in der Stadt. Durch meine Herkunft vom Bauernhof ist mir jede Art von Land-Romantik wahrscheinlich bis ins hohe Alter völlig unmöglich. Ich hab' einen Bruder, der ist Bauer, wenn ich Sehnsucht nach dem Landleben hab', fahr' ich einen Tag zu ihm. Einmal übernachten, dann bin ich schnell wieder weg.

Die großen Städte können aber auch anstrengend werden.

Aber Wien ist nicht so groß wie beispielsweise Berlin, und vor allem viel langsamer, da muss man keine Angst haben, dass im eigenen Viertel in zehn Jahren ganz andere wohnen.

Während man in Berlin eine Stunde braucht, bis man bei seiner Verabredung im Kaffeehaus ist.

In Berlin gibt es kein Kaffeehaus, das diesen Namen verdient! Aber ernsthaft: Ich mag die deutschen Städte sehr gerne, von den Tourneen her. Man darf in einer anderen Stadt sein und so ein bisschen mitleben. Für ein, zwei Wochen ist das großartig.

Mit einer Premiere hatten Sie das aber lange nicht mehr. Zu viel Filmarbeit?

Ja. Ich hab' ja bei den meisten Filmen am Drehbuch mitgeschrieben, auch bei den Brenner-Filmen. Das kostet eigentlich die meiste Zeit, und es ist nicht so, dass man weniger Zeit braucht, wenn man es zu dritt statt alleine schreibt. Danach war das Ziel, einen eigenen Film mit Regie zu machen. Wenn ich da noch ein neues Programm dazwischen schiebe, dann wird das nie was, dachte ich mir. Aber mir war immer klar: Wenn der eigene Film fertig ist, dann möchte ich unbedingt wieder ein Programm machen. Das ist ja der Kernbereich, damit habe ich angefangen und das werde ich wahrscheinlich bis zum Schluss machen: Texte schreiben und die auf der Bühne vortragen.

Ihr Programm "Privat" haben Sie gut zehn Jahre lang gespielt, "Hader spielt Hader" noch länger. Wird das nicht fad?

"Hader spielt Hader" hab' ich ja immer variiert. Das war so, wie man Spielkarten mischt. Die anderen Programme freilich haben sich nicht groß verändert. Ich weiß nicht, warum mir das lange Spaß macht. Es hat vielleicht damit zu tun, dass ja eigentlich schon die zehnte Vorstellung fad ist, wenn man kein Mittel dagegen findet. Ich seh' das mehr wie ein Musiker, der jeden Tag dasselbe Stück etwas anders spielt, wie er grad drauf ist.

Gab es jetzt für "Hader on Ice" ein Schlüsselerlebnis oder ein prägendes Ereignis?

Nein, das hat sich mit der Zeit entwickelt. Als dann überall populistische Führer gekommen sind, in Osteuropa, in Amerika, dann auch in Österreich, hat mir das immer mehr Lust gemacht, einen blöden, überheblichen Mann auf die Bühne zu bringen. Selbstverständlich als Josef Hader.

Wobei man Sie beglückwünschen darf, dass Sie sich aus dem Tagesaktuellen heraushalten. Bei dem, was in Österreich los ist, müssten Sie jeden Tag umschreiben.

Ja, das ist unlautere Konkurrenz. Den Kollegen, die sich von Berufs wegen damit beschäftigen, bleibt die Luft weg. Aber das kann man natürlich auch ganz ausgezeichnet machen, für mich ist es halt nichts. Als ich jung war und sich abzeichnete, dass das jetzt mein Beruf werden würde, war einer der ersten Gedanken, kein tagespolitischer Kabarettist zu werden: Die Vorstellung, dass man sich bis zum Lebensende immer mit dem beschäftigen muss, was die Politiker gerade machen, erschien mir schaurig. Ich wollte Programme machen, wie andere einen Roman schreiben oder ein Theaterstück. Und hab' mir gedacht: Wenn das nicht funktioniert, werd' ich was anderes.

Ist nicht das Abgründige im Menschen, mit dem Sie sich beschäftigen, nicht viel schauriger als politisches Kabarett?

Ich weiß es nicht genau. Ich weiß nur, dass mir Abgründe große Freude machen. Egal wie ich dadurch charakterlich dastehe. Es ist vielleicht wie bei einem Romanautor: Dass man das Leben gewissermaßen auf ein Blatt Papier herunterbricht. Und damit die Deutungshoheit über diese sinnlose Existenz gewinnt.

Ihre Figur in "Hader on Ice" hat aufgegeben. Liegt dem Programm eine Art Endzeitstimmung zugrunde?

Dass wir in einer Umbruchzeit leben, wird keiner bestreiten. Die Nachkriegszeit ist endgültig zu Ende gegangen, es kommt was Neues. Aber das ist der normale Gang der Geschichte. Meine Vorbilder waren diesmal die prallen, deftigen Satiren des Barock. Ich habe vorher bewusst Grimmelshausen und Swift gelesen, weil ich mir dachte, das waren auch so Umbruchzeiten, als die geschrieben haben. Und sie haben keine moralisierende, sondern eine ganz zupackende Art, Dinge zu beschreiben, die sie nicht mögen. Es ist ein ungeheurer Zynismus, aber kein kalter, da steckt eine große Empörung dahinter. Und etwas Fantastisches, das war mir auch wichtig. Ein böses Märchen zu erzählen. Aus einem verwunschenen Land, wo die Sommer heiß und die Winter kalt sind, wo Wölfe sprechen können - und die Menschen Kurz wählen.

Josef Hader, Sa. bis Mo., 13. bis 15. Nov., Leo17; Fr., 19. Nov., Circus Krone; Sa., 20. Nov., Lustspielhaus; Sa. u. So., 4. u. 5. Dez., Audimax, www.hader.at/termine

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