Süddeutsche Zeitung

München:Jetzt gilt's

Bekannte Gesichter und eine Überraschung: Rückblick auf einen eher müden Wahlkampf und Ausblick auf Sonntag

Von Lars Brunckhorst

Einige Stunden noch, dann sind wir alle klüger. Nach 18 Uhr am Sonntag werden früher oder später die Ergebnisse aus den Wahllokalen eintrudeln, dann wird sich nach und nach herausstellen, wer im Wahlkreis München-Land das Direktmandat gewonnen hat und welchen Anteil an Zweitstimmen die Parteien aus den 29 Städten und Gemeinden im Landkreis zum deutschen Gesamtergebnis beitragen. Ein paar Aussagen zur Wahl und zum zurückliegenden Wahlkampf lassen sich aber auch schon jetzt treffen.

Kein Aha-Effekt

Für die Wähler war es teilweise schwierig, sich ein Bild von den Kandidaten und deren Positionen zu machen. Wegen Corona waren Live-Veranstaltungen auf ein Minimum reduziert und wenn sie stattfanden, dann mit großem Abstand. Zudem fiel eine Podiumsdiskussion aus, weil sich SPD und Grüne weigerten, mit dem Kandidaten der AfD aufzutreten. Der Aha-Effekt war wegen Aha-Regeln gering.

Ins Ziel geschleppt

Direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises dürfte mit ziemlicher Sicherheit wieder Florian Hahn werden. Der CSU-Mann aus Putzbrunn wird aber sein mit Abstand schlechtestes Ergebnis einfahren. 2017 hatte Hahn noch 43,5 Prozent der Erststimmen erzielt - freilich waren das auch schon neun Prozent weniger als vier Jahre zuvor. Damit lag er zwar immer noch einen guten Schluck über dem Zweitstimmenergebnis der CSU im Landkreis von 37,3; von guter Laune bei Hahn, so beobachteten damals Kollegen am Wahlabend im Landratsamt, konnte aber keine Rede sein. Dieses Jahr dürfte diese ganz verfliegen und allenfalls der Erleichterung Platz machen, mit einem historisch schlechten Ergebnis gerade noch das Direktmandat verteidigt zu haben.

Vertane Chance

Dass Hahn aller Voraussicht nach in Berlin bleiben darf, liegt vor allem daran, dass sich SPD und Grüne auf keine Absprache im Wahlkreis geeinigt haben. Nach dem überraschenden Rückzug der bereits nominierten SPD-Abgeordneten Bela Bach hätte die SPD auf einen eigenen Kandidaten verzichten und Anton Hofreiter, den prominenten Erststimmenkandidaten der Grünen im Landkreis, unterstützen können. In dem Fall wäre eine Wiederwahl Hahns angesichts des Stimmenpotenzials von Rot-Grün so gut wie aussichtslos.

Zu weit weg

Dass Hofreiter auch beim fünften Anlauf nicht das Direktmandat gewinnen dürfte, hat aber auch einen anderen Grund: Von vielen Wählern wird er nicht als Abgeordneter des Wahlkreises wahrgenommen. Das liegt daran, dass er - obwohl in Sauerlach aufgewachsen und in Unterhaching zu Hause - hier kaum in Erscheinung tritt. Selbst im Wahlkampf reichte es nur für einen Auftritt auf den letzten Metern. Hofreiter ist für viele ein Bundespolitiker.

Überraschendes Triell

Damit hat der prominente Hofreiter unerwartet eine Flanke geöffnet, in die erfolgreich Korbinian Rüger stößt. Der 32-jährige Planegger sprang als Verlegenheitskandidat der SPD ein, nachdem Bela Bach abgesprungen war. Niemand, erst recht nicht er selbst, hätte ihm Chancen auf ein Mandat im Bundestag ausgerechnet. Doch der Trend, der in diesem Wahlkampf überraschend ein Genosse ist, sowie seine eigene persönliche Ausstrahlung haben ihn unversehens im Endspurt zu einem Mitfavoriten auf das Direktmandat gemacht.

Dass selbst ein seriöses Meinungsforschungsinstituts den smarten Universitätsdozenten immerhin in einem Kopf-an-Kopf-Rennen mit den Alphatieren Hahn und Hofreiter sieht, dürfte auch daran liegen, dass Rüger nicht nur einen sehr engagierten Wahlkampf geliefert hat, sondern eine Art George Clooney in dem Triell ist. Die Herzen der Wähler fliegen ihm geradezu zu.

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Quelle:
SZ vom 25.09.2021
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