München:Jagdmuseum arbeitet NS-Vergangenheit auf - Kritikern geht das nicht weit genug

Jagd- und Fischereimuseum in München, 2013

Das Jagdmuseum in der Neuhauser Straße bewertet seine Nazi-Vergangenheit wenig kritisch.

(Foto: Catherina Hess)
  • Die Geschichte des Münchner Jagdmuseums wird in einer neuen Broschüre aufgezeigt.
  • Kritik gibt es allerdings, weil die Nazi-Vergangenheit des Museum stark weichgezeichnet wurde.

Von Christian Sebald

Der Historiker Hans Günter Hockerts, ein Experte für die Nazi-Zeit, ist bekannt für seine klaren Urteile. Was die neue Darstellung der Geschichte des Münchner Jagdmuseums anbelangt, tut sich der Wissenschaftler aber schwer. "Das ist eine über weite Strecken detailreiche Broschüre", sagt Hockerts. "Aber bei der Einordnung, der Bewertung der Fakten, wird es oft problematisch. Da wird der NS-Kontext, in dem das Jagdmuseum gegründet worden ist, sehr weich gezeichnet."

Dennoch will Hockerts das Heft nicht allzu heftig kritisieren. Für ihn kann es ein Anfang sein für die Aufarbeitung der Museumsgeschichte. Hockerts spricht von einem "ersten Schritt, dem nun weitere folgen sollten".

Die Geschichte des Münchner Jagdmuseums ist immer wieder Gegenstand von Kontroversen. Denn das Deutsche Jagd- und Fischereimuseum, wie das Haus in der vormaligen Augustinerkirche mitten in der Fußgängerzone offiziell heißt, hat eine Nazi-Vergangenheit. Es war der Münchner Christian Weber, ein Nationalsozialist der ersten Stunde und Duz-Freund Adolf Hitlers, der von 1934 an mit aller Macht seine Gründung betrieb.

Münchner Stadtrat trieb die Gründung voran

Als Mitglied des Münchner Stadtrats hatte er alle Möglichkeiten dazu und setzte sie rücksichtslos ein. So reklamierte Weber Schloss Nymphenburg für sein Museum. In dessen Nordflügel wurde das Jagdmuseum am 16. Oktober 1938 schließlich eröffnet.

Die nationalsozialistische Gründungsgeschichte war aber nicht der einzige Grund für Kontroversen. Viele Jahre lang präsentierte das Haus an prominenter Stelle ohne kritische Kommentierung drei mächtige Jagdtrophäen aus dem Besitz von Hermann Göring, einem der größten Nazi-Verbrecher.

Vor drei Jahren, zum 75. Gründungstag des Museums, schlug die Empörung so hoch, dass der Präsident des Landesjagdverbands, Jürgen Vocke, die Geweihe abhängen und im Depot verschwinden ließ. Vocke, der der Stiftung, die das Museum trägt, vorsitzt, und der Museumschef und Münchner CSU-Stadtrat Manuel Pretzl kündigten damals, dass die Autorin Cornelia Oelwein in einer Broschüre die NS-Gründungsgeschichte kritisch aufarbeiten werde.

Broschüre voller Details

Diese Broschüre ist nach mehreren Verzögerungen nun erschienen. Mit 120 Seiten ist sie sogar recht umfangreich. "Auf der Ebene der Ereignisgeschichte steckt sie voller interessanter Details", sagt Hockerts, "zum Beispiel wenn es um die Rivalität zwischen Weber und dem NS-Verbrecher Hermann Göring geht." Göring, wie Weber ein leidenschaftlicher Jäger, wollte ebenfalls ein Jagdmuseum gründen - in Berlin.

Über Jahre hinweg versuchten Göring, der auch den Titel Reichsjägermeister trug, und Weber, sich mit Intrigen und Winkelzügen gegenseitig auszustechen, bis sich der Münchner Nazi-Stadtrat durchsetzte. "Das Heft ist auch durchwegs flüssig geschrieben", sagt Hockerts. "Es liest sich gut und anschaulich."

Gute Lektüre, aber die kritische Einordnung fehlt

Gleichwohl ist Hockerts Kritik sehr deutlich: "Wann immer eine kritische Einordnung nötig wäre, ist die Broschüre zu wenig offensiv", sagt er. "Sie wirkt viel zu gebremst und zaghaft und entwickelt dadurch sogar einen apologetischen Unterton." Worum es ihm geht, macht der Historiker am Beispiel des Porträts von Museumsgründer Weber deutlich. "Es wird mit keinem einzigen Wort erwähnt, dass Weber ein ebenso glühender wie gewalttätiger Antisemit war", sagt Hockerts.

"Dabei wurde Weber bereits 1924 zu vier Wochen Gefängnis verurteilt, weil er in München auf offener Straße einen jüdischen Kaufmann zusammengeschlagen hatte." Das Äußerste, was hierzu in der Broschüre zu lesen ist, ist, dass Webers "allgemein bekanntes ungehobeltes Auftreten, das ihn mehrmals vor Gericht brachte, auch den Unmut Hitlers" erregt habe.

Hermann Göring, Konstantin von Neurath, Joszef Lipski auf der Jagd, 1935

Der Nazi-Bonze Hermann Göring verlor gegen Christian Weber beim Bau des Museums.

(Foto: Knorr+Hirth/SZ Photo)

Diese Weichzeichnerei ist kein Einzelfall. Das zeigt auch das Porträt des Münchner NS-Oberbürgermeisters Karl Fiehler. "Die Broschüre präsentiert Fiehler als leidenschaftlichen Kommunalpolitiker", sagt Hockerts. "Sie hebt sogar seine kommunalpolitischen Errungenschaften hervor." Dass Fiehler ein ebenso glühender Antisemit war wie Weber, wird ebenfalls komplett unterschlagen. "Dabei war doch gerade Fiehlers München antisemitischer Vorreiter unter den deutschen Großstädten - und zwar oft, bevor die entsprechenden Gesetze erlassen wurden."

Abgeordnete schließen sich der Kritik an

Mit seiner Kritik schließt sich Hockerts Landtagsabgeordneten aller Fraktionen an. Diese hatten unlängst ein Gesamtkonzept des Museums für den Umgang mit seiner Vergangenheit und vor allem seiner Gründungsgeschichte gefordert. "Museumsleitung und Jagdverband müssen endlich Stellung zur NS-Vergangenheit des Hauses beziehen und sich davon abgrenzen", sagte Sepp Dürr (Grüne).

Hockerts zielt in die gleiche Richtung. "Die Broschüre erweckt den Eindruck, als sei die Jagd ein überzeitliches Phänomen", sagt er. "Aber wie jedes Kulturphänomen ist sie das eben nicht, sie ist in zeit- und kulturspezifische Zusammenhänge eingebunden." Für Hockerts kommt es "darauf an, zu zeigen, für welche Zwecke die Nazis diese Tradition vereinnahmt haben". Als Beispiele nennt er "die Imagepolitik der ,Hauptstadt der Bewegung' und die Verankerung der NS-Herrschaft in den Milieus der Jagd-Interessierten" bis hinein in Münchner Traditionsfamilien und -betriebe.

Im Gegenzug sollte die Museumsverantwortlichen außerdem aufzeigen, "dass und warum sie heute das Phänomen Jagd in ganz andere Zusammenhänge einordnen". Am besten, so Hockerts, in einer Ausstellung über "die Jagd in der NS-Zeit".

Cornelia Oelwein: Die Geschichte des Deutschen Jagd- und Fischereimuseums, Lindenberg im Allgäu, 2016, ISBN 978-3-89870-880-7, 14,90 Euro

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: