München ist Zentrum der Sekte:Scientology umwirbt massiv Jugendliche

Der Kreisjugendring beobachtet starke Aktivitäten - München ist inzwischen Zentrum der Organisation.

Christian Rost

Die Expansionsstrategie der Scientology-Organisation zielt immer mehr auf Kinder und Jugendliche ab: Nach Versuchen, in der Schülernachhilfe Fuß zu fassen, und dem Aufbau einer inzwischen verbotenen Kindertagesstätte umwerben Scientologen nun Jugendverbände.

München ist Zentrum der Sekte: Seit den neunziger Jahren hat Scientology München kontinuierlich zum Zentrum der Organisation ausgebaut.

Seit den neunziger Jahren hat Scientology München kontinuierlich zum Zentrum der Organisation ausgebaut.

(Foto: Foto: Andreas Heddergott)

Zuletzt lud eine Scientology-Initiative zum Tag "Jugend für Menschenrechte" ein. Der Verfassungsschutz und der Sektenbeauftragte der evangelischen Landeskirche, Wolfgang Behnk, warnen vor den subtilen Methoden der "Psycho-Organisation".

Der Kreisjugendring (KJR) in München sah sich in der zweiten Märzwoche zu einem Hinweis an andere Jugendverbände veranlasst: "Scientology macht sich systematisch an Jugendgruppen im Stadtgebiet heran", heißt es in der Warnmeldung, die der KJR an alle Ortsgruppen und Vereine ausgegeben hat. Zunächst biete sich ein Anrufer für "persönliche Gespräche" an, er wolle über das Projekt "Jugend für Menschenrechte" sprechen.

Dahinter stecke jedoch in Wahrheit Scientology. Später sei auch schriftlich eine Einladung zu einem Jugendtag zum Thema Menschenrechte erfolgt. Dieses Treffen fand im Hotel Vier Jahreszeiten-Kempinski statt, woran sich allerdings aufgrund des KJR-Hinweises keine Jugendlichen der Verbände beteiligt hätten, wie Ingrid Zorn sagt.

Stattdessen nahmen daran mehrere Jugendliche teil, die bei Scientology Mitglieder sind. Die Sprecherin des Kreisjugendrings berichtet, "dass in jüngster Zeit Scientology ganz massiv an Jugendliche herantritt und für sich wirbt".

Michael Feiler vom Landesamt für Verfassungsschutz bezeichnet das Vorgehen der Organisation, die sich selbst als Kirche bezeichnet, als Teil einer "Expansionsstrategie". Laut Verfassungsschutz stagnieren die Mitgliederzahlen von Scientology - derzeit sind es in Bayern rund 2600 und bundesweit etwa 6000 Mitglieder.

Deshalb würden nun vermehrt Jugendliche angesprochen, erklärt Feiler und zählt als Beispiel die Nachhilfeangebote auf, die Scientology auch in München zu etablieren versucht habe. Der soeben vorgelegte Verfassungsschutzbericht verwies wieder auf die verdeckten Angebote für Schüler von Scientology: 13 solcher Nachhilfeeinrichtungen sind bislang in Bayern bekannt geworden.

Die Nachwuchsgewinnung zielt laut Verfassungsschutz mittlerweile sogar auf noch jüngere Kinder ab: Die Stadt ließ, wie berichtet, erst im Januar eine seit Sommer 2007 von Scientologen betriebene Kindertagesstätte in München schließen.

Scientology umwirbt massiv Jugendliche

Scientology will gegen diese Entscheidung klagen. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) begrüßte das Verbot der Einrichtung mit den Worten: "Ich halte es für besonders perfide, unter dem Deckmantel einer Kindertagesstätte mit dem verharmlosenden Namen ,Kinderhäusl' schon Kleinkinder mit dieser menschen- und gesellschaftsverachtenden Ideologie zu manipulieren."

Als "sehr ernst zu nehmen" bezeichnet der Sektenbeauftragte der evangelischen Landeskirche, Wolfgang Behnk, das heftige Werben der Scientologen. Stagnation gelte in der Organisation als "Verbrechen", weshalb die Nachwuchsgewinnung "fanatisch" vorangetrieben werde. Dass dabei Kinder zum Ziel werden, wundert Behnk nicht:

"Die Scientologen unterscheiden nicht zwischen Kindern und Erwachsenen. Sie sehen nur die jeweilige Leistungsfähigkeit eines Menschen und dessen Geist, den es zu knacken und für die eigenen materiellen Ziele zu instrumentalisieren gilt." Scientology gehe nach dem Motto"Wer die Jugend hat, hat die Zukunft" vor, so Behnk.

Feinde werden observiert

Laut Verfassungsschutz, der Scientology intensiv beobachtet, hat sich München seit den neunziger Jahren zum Zentrum der Organisation in Deutschland entwickelt. Zwar sei auch in Berlin ein großes Zentrum entstanden, neun Scientology-Einrichtungen seien aber weiterhin in der Landeshauptstadt aktiv, darunter die Deutschland-Zentrale.

Neben der Scientology Kirche Deutschland und Bayern, die als Vereine eingetragen sind, operiert auch ein "Department of Special Affairs (DSA)" von München aus. Bei DSA, dessen inoffizieller Sitz sich in der Nordendstraße befindet, handelt es sich nach den Angaben des Verfassungsschutzes um eine Abteilung, die "nachrichtendienstliche Tätigkeiten" ausübe.

Außendienstmitarbeiter observierten "Feinde" der Organisation und bezögen dabei auch Privatdetektive ein, um Rückschlüsse auf Scientology zu verhindern. Aufgrund der starken Wachsamkeit, die in Sachen Scientology herrsche, könne DSA derzeit in Deutschland aber nur eher passiv tätig sein und "keine nennenswerten Erfolge erzielen", so Feiler, "sie halten sich zurück, weil sie wissen, dass sie beobachtet werden."

Das DSA sei eine "reine Presse- und Rechtsabteilung", sagt dagegen Scientology-Sprecherin Maja Nüesch. Die Angebote für Jugendliche bezeichnet sie als "eines von vielen Sozialprogrammen". Sie sieht ihre Organisation durch die Beobachtung des Verfassungsschutzes stigmatisiert und benachteiligt.

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