„Wie geht es dir?“ Diese Frage eröffnet einen Abend zum Buch „Trotzdem Sprechen“ im Jüdischen Museum. Gerichtet ist sie in der vergangenen Woche an eine der Herausgeberinnen, Mirjam Zadoff, sie gibt zu: „Ich bin wahnsinnig nervös“. Auf dem Podium vor prall gefülltem Zuschauerraum sitzt Zadoff bei der Buchvorstellung nicht allein: Neben ihr Platz genommen hat Hannan Salamat, Leiterin des Zürcher Instituts für interreligiösen Dialog und eine der 21 Autoren und Autorinnen des Buches. Auf ihrer Mütze steht: „Gegenwart erinnern“.
Dass es sich hierbei nicht um eine willkürliche Modeentscheidung, sondern um ein klar gesetztes Statement handelt, ist mehr als deutlich. Denn an diesem Abend findet nicht nur eine Lesung, sondern vor allem ein Gespräch statt – wie erneut am 19. November in anderer Runde bei der Münchner Bücherschau. Ein Gespräch über das Hamas-Massaker und die humanitäre Katastrophe in Gaza, über Kritik am politischen Vorgehen in Deutschland und den damit einhergehenden rassistischen und antisemitischen Strömungen, die es mit allen Mitteln zu verhindern gilt. Und nicht zuletzt über eine von Vorsicht und Ablehnung geprägte soziale Distanz.
„Trotzdem sprechen“ – ein Titel, der als Anregung und als Aufforderung zu verstehen ist. Und eine Einladung: Macht es uns nach. Denn, wie Mirjam Zadoff deutlich macht, bei der Publikation handelt es sich nicht um ein „Debattenbuch“, sondern um eine Zusammenstellung von Essays aus verschiedenen Perspektiven, die aus subjektiven Erfahrungen, Gedanken und Visionen geformt sind. Jeder Standpunkt bezieht einen eigenen Raum. Ein Privileg, das sie gemeinsam mit den Mit-Herausgeberinnen Lena Gorelik und Miryam Schellbach den Schreibenden bewusst zuteilwerden ließ, denn ihnen ist klar, wie selten eine solche Gelegenheit heute ist.
Zadoff und Salamat gehen an diesem Abend als Vorbild voran, indem sie transparent darüber sprechen, wie sie nach dem 7. Oktober in Deutschland die zwischenmenschliche Atmosphäre wahrnahmen, die sie vor dem Dialog zurückschrecken ließ. Dann war der erste Schritt doch, ein Buch darüber zu schreiben. Und das wird mit offenen Armen empfangen. Von zustimmendem Nicken aus dem Publikum begleitet, sprechen die Autorinnen über Positionierungsdrang und steile Kluften in unserer Gesellschaft. Und sie geben, begleitet von ein paar Zeilen aus dem Buch, eine vorsichtige Anleitung, wie wir einander wieder die Hände reichen könnten. Gut zu wissen: Es gehört dazu, sich auch mal nicht einig zu sein. „Jeder hatte so seine inhaltlichen Schmerzstellen im Buch“, sagt Zadoff zum Entstehungsprozess. „Aber das muss ausgehalten werden.“
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Nicht zuletzt fehlt, leider, noch eine weitere Zutat, die den Ausweg aus der Funkstille erleichtert: „Geld!“, lautet Hannan Salamats prompte Antwort auf die Frage, was es braucht, um im Austausch zu bleiben. Schließlich zeichneten sich klare Tendenzen in der Kulturbranche ab, die sich in einer finanziell immer heikleren Lage wiederfände: Die Nachfrage nach kultureller und politischer Bildung und nach Räumen für das Gespräch steige, betont auch Zadoff, während die Verantwortlichen und Initiatoren wegen mangelnder Ressourcen teils dem Existenzminimum entgegensegelten.
Kurz: Wenn der Staat nicht will, müssen wohl die Leute selbst mit anpacken. Und eine Gemeinschaft bilden, die im Gespräch bleibt, die Unstimmigkeiten aushält und das gemeinsame Ziel einer weltoffeneren Gesellschaft nicht aus den Augen verliert. Einer Gesellschaft, die trotzdem spricht.
Trotzdem sprechen, mit Lena Gorelik, Paula Villa Braslavsky und Mirjam Zadoff, Dienstag, 19. November, Münchner Bücherschau, Haus der Kunst, 19 Uhr, muenchner-buecherschau.de