Boots- und Badeunfälle:So könnte die Isar sicherer werden

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Ein 14-jähriger Junge sprang Anfang August an der Marienklause einem Fußball hinterher ins Wasser - und ertrank. (Foto: Stephan Rumpf)

Immer wieder geraten Menschen im Fluss in Not, werden in Wasserwalzen gezogen und ertrinken. Besonders gefährlich sind Wehre, an denen sich reißende Strömungen bilden. Nun fordern Experten, diese tückischen Stellen zu entschärfen.

Von Joachim Mölter, München

Es ist ein zeitlicher Zufall, dass der Bayerische Kanu-Verband (BKV) in der vorigen Woche eine Stellungnahme bei der Stadt eingereicht hat zur geplanten Erneuerung des Großhesseloher Wehrs an der Isar. Das Genehmigungsverfahren für das Projekt läuft halt gerade. Aber die in dem Schreiben geäußerten Bedenken der Kanu-Funktionäre gegen die angestrebte Neugestaltung haben durch die jüngsten Boots- und Badeunfälle in der Isar eine neue Brisanz bekommen - und einen grundsätzlichen Charakter. Im Papier des BKV steckt jedenfalls genug Stoff für eine öffentliche Debatte über Gefahrenstellen im Fluss und deren Entschärfung.

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Es sind vor allem zwei Stellen, an denen es immer wieder zu Unfällen und Rettungseinsätzen kommt. Beiden gemeinsam ist ein steiles Gefälle, das jeweils von quer verlaufenden Einbauten im Fluss verursacht wird und unberechenbare Strömungen und Strudel zur Folge hat, sobald der Wasserstand etwas höher ist als normal und das Wasser folglich in größerem Ausmaß über die Baukante in die Tiefe stürzt.

So musste am Großhesseloher Wehr nach einer Regenperiode Ende Juli ein Pärchen per Hubschrauber und Feuerwehrleitern gerettet werden, das sich mit seinem Schlauchboot an einer Holzwand verfangen hatte. Ein paar Tage zuvor hatten die Einsatzkräfte flussabwärts an der Marienklause drei Männer und ein Mädchen aus dem Fluss gerettet, die sich nicht mehr selbst aus der dortigen Strömung befreien konnten. Für einen 14 Jahre alten Jungen, der Anfang August an der gleichen Stelle in die Isar gesprungen war, um einen Fußball aus dem Wasser zu holen, kam jede Hilfe zu spät: Seine Leiche wurde erst am vorigen Wochenende etliche Kilometer flussabwärts entdeckt.

An solchen Stellen ist die Isar besonders gefährlich, weil das Wasser über steile Kanten rauscht und sich dabei starke Strömungen bilden. Gerät man in so eine Wasserwalze, wird es lebensgefährlich. (Foto: Stephan Rumpf)

Um solche tückischen Stellen zu beseitigen, regen die Kanu-Sportler an, zum einen sogenannte Bootsrutschen möglichst weit weg von den gefährlichen Wehrteilen zu installieren und deutlich auszuschildern sowie zum anderen bereits vorhandene, steile Einbauten naturnah umzugestalten, zum Beispiel durch flache, abgestufte Sohlrampen. "Damit wären Gefahren dauerhaft beseitigt", glaubt Stefan Schmidt, der als Ressortleiter Umwelt und Gewässer im BKV für die Stellungnahme zeichnet.

Es sind keine radikalen Forderungen, die er und seine Verbandskollegen vertreten; es geht ihnen nicht darum, alle Wehre und sonstige Einbauten komplett zu entfernen. Ein grundsätzliches Verständnis für deren Notwendigkeit ist durchaus vorhanden. "Für die Energiewirtschaft am Isarkanal muss man den Wasserstand an den Wehren schon steuerbar machen", sagt Schmidt. "Aber man muss es nicht in der Form machen, dass es an einer Kante senkrecht nach unten geht." Genau solche Konstruktionen verursachen die lebensgefährlichen Wasserwalzen, in denen Menschen zu Tode geschleudert werden, wenn sie hineingeraten. "Man hat keine Chance, da allein rauszukommen", sagt Schmidt: "Ohne schnelle Hilfe von außen ist man als Schwimmer verloren und ertrinkt innerhalb weniger Minuten."

Schmidt vertritt zwar in erster Linie die Interessen seines Verbandes, aber er hat durchaus die Allgemeinheit im Blick. Kanu-Sportler sind ja so gut wie nie in Unfälle auf der Isar verwickelt, sie sind geübt im Umgang mit ihren Booten und geschult, was potenzielle Gefahren angeht. Die Opfer sind in der Regel Menschen, die einfach baden oder einmal bloß zur Gaudi mit dem Schlauchboot den Fluss runterrauschen wollen. Auch denen will der BKV mit seinen Vorschlägen zum sicheren Freizeitspaß in der Isar verhelfen.

Aus Sicht der Stadt spricht prinzipiell nichts dagegen, die für das gefährliche Wassergefälle verantwortlichen Konstruktionen am Großhesseloher Wehr und an der Marienklause umzugestalten. "Entscheidend ist die technische Umsetzbarkeit unter den gegebenen Bedingungen vor Ort", teilt Gesine Beste mit, die Sprecherin des Referats für Klima- und Umweltschutz (RKU), welches in diesem Fall die zuständige Wasserrechtsbehörde ist. Beste weist darauf hin, dass beim Wehr in Großhesselohe unterhalb der Wasserlinie eine Hauptleitung der Trinkwasserversorgung verläuft, die bei Planungen berücksichtigt werden müsse; bei der Marienklause liege unterirdisch der Auer Mühlbach Düker, den es zu beachten gelte. Technisch sollten das keine Hindernisse sein, glaubt Stefan Schmidt: "Wasserbauer sind in der Regel innovativ und kreativ, man muss ihnen halt nur die richtigen Vorgaben machen."

Konkrete Ideen für solche Vorgaben gibt es im RKU naturgemäß noch nicht so viele, die Kanu-Funktionäre haben die Debatte ja gerade erst angestoßen. Referatssprecherin Beste sagt: "Die wirksamste Maßnahme, die es gibt, ist, sich von derartigen Gefahrenstellen unbedingt fernzuhalten." Abgesehen davon verweist sie auf die hiesigen Verordnungen: "An Wehren oder ähnlichen Gefahrenstellen bleibt das Baden und Bootfahren verboten."

Für den Sportfunktionär Schmidt ist dieser Ansatz zu einfach. "Bade- und Bootfahr-Verbote sind nur eine Symptombekämpfung, das sollte man anders lösen", findet er: "Man muss die Wehre so umbauen, dass sie ungefährlich oder zumindest weniger gefährlich werden." Genau das Gegenteil sei jedoch gerade bei den Planungen zum Großhesseloher Wehr der Fall, wo die Stadtwerke als Bauherren die Gefahrenstelle sogar noch verschärft hätten, findet Schmidt. Durch den angedachten Wegfall der weithin sichtbaren, weil über der Wasserlinie befindlichen Anlagenteile und den Einbau eines unter der Wasseroberfläche liegenden Klapp-Wehrs steige das Unfallrisiko für ungeübte Bootsfahrer. Schmidts Appell: "Wenn man es jetzt nicht schafft, die Gefahrenstellen am Wehr zu entschärfen, dann hat man sie weiter für die nächsten 50 Jahre." Seitens der Stadtwerke heißt es, die ursprünglich vorgesehene Sohlrampe am Großhesseloher Wehr wurde "aus technischen, aber auch aus ökologischen Gründen verworfen". Schmidt vermutet hinter der jüngsten Planung indes Kostengründe. "Die billigste Lösung ist meist nicht die beste", warnt er: "Man sollte lieber ein paar Euro mehr für eine Variante investieren, die dann auch die Gefahren für Badende und Bootfahrer minimiert."

© SZ vom 19.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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