Ramadama an der Isar:"Je kleiner der Müll, desto größer ist das Problem"

Ramadama an der Isar: Mehr als 100 Kilogramm Müll haben die Isarfischer unter der Thalkirchner Brücke eingesammelt.

Mehr als 100 Kilogramm Müll haben die Isarfischer unter der Thalkirchner Brücke eingesammelt.

(Foto: Leonhard Simon)

Bei einer dreistündigen Aktion sammeln die Isarfischer Kronkorken, Zigarettenstummel und anderen Mikromüll aus der Isar. Dabei zeigt sich, wie viel davon achtlos weggeworfen wird.

Von Thomas Anlauf

Wenn die sommerlichen Feiern an der Isar vorbei sind, bleibt oftmals tonnenweise Müll zurück. Etwa 4000 Kilogramm müssen Müllleute an Sommerwochenenden an den Stränden in München einsammeln. Dabei finden auch die längst nicht alles, was einfach weggeworfen wurde. So bleiben Tausende Zigarettenkippen, kleine Plastik- oder Alufolien, aber auch Kronkorken zwischen den Kieselsteinen am Strand liegen oder treiben die Isar hinunter. "Je kleiner der Müll, desto größer ist das Problem", sagt Frank Meißner, Vorstandsmitglied bei den Isarfischern in München. Das Problem heißt Mikroplastik und Mikromüll.

Dem Problem sind die Isarfischer, die als Münchner Naturschutzverein gelten, nun nachgegangen und haben in einer Ramadama-Aktion mit knapp einhundert Mitgliedern am Isarbett unter der Thalkirchner Brücke innerhalb von drei Stunden 108 Kilogramm Mikromüll eingesammelt. Auch in vergangenen Jahren hatten die Isarfischer an und in der Isar schon Müll gesammelt und unter anderem Schrotträder und E-Scooter geborgen. Doch diesmal haben sie sich mit Magnet-Hebern, Müllzangen und Holzpinzetten auf das Sammeln von Bierdeckeln, Zigarettenfiltern, Verpackungen und Blechdosen konzentriert. Denn das sind die größten Verursacher von Mikroplastik, das sich zunächst im Fluss und später im Meer sammelt. "Die Quelle für all den Abfall in den Ozeanen ist oft der Unrat vor unserer Haustür, oder in diesem Fall an den Ufern der Isar", so Meißner.

Die Isar mündet bekanntlich in der Donau, die bis zum Schwarzen Meer fließt. Vor vier Jahren haben Forscher der Universität Bayreuth festgestellt, dass sich die Menge an Mikroplastik in der Isar zwischen Baierbrunn im Süden der Stadt und einer Messstelle nördlich davon verzehnfacht hat. Damals konnten die Wissenschaftler noch nicht erklären, woher der massive Eintrag kam. Zudem war in der Studie, die als bislang weltweit größte zum Thema Mikroplastik galt, nicht klar ersichtlich, in welchem Zeitraum die Proben entnommen wurden. Damals wurde allerdings nahezu ausgeschlossen, dass das Mikroplastik vom Reifenabrieb Tausender Autos stammt, die täglich über die Brücken Münchens fahren. Wahrscheinlicher ist, dass es sich um Partymüll handelt, der achtlos am Ufer liegengelassen oder gar in die Isar geschmissen wurde.

Ramadama an der Isar: Tütenweise Müll, der in der Natur oft hunderte Jahre braucht, bis er verrottet.

Tütenweise Müll, der in der Natur oft hunderte Jahre braucht, bis er verrottet.

(Foto: Leonhard Simon)

Und genau dieser Müll ist besonders problematisch. Laut verschiedener Studien des Umweltbundesamts, des Deutschen Alpenvereins und der Wetter- und Ozeanografiebehörde der Vereinigten Staaten, NOAA, dauert es 200 bis 400 Jahre, bis ein mit Aluminium beschichtetes Tetrapack verrottet, einige Getränkehalter aus Plastik für Sixpacks ebenfalls bis zu 400 Jahre. Eine Bierdose braucht den Berechnungen zufolge etwa 200 Jahre, um sich aufzulösen. Eine PET-Plastikflasche könnte bis zu 500 Jahre in der Landschaft liegen.

Dagegen nehmen sich Zigarettenstummel vermeintlich harmlos aus mit einer Verrottungszeit von zwei bis sieben Jahren. Allerdings verseucht jede Kippe etwa 40 Liter Wasser und schädigt Organismen wie Fische, Vögel und Insekten. Bei Kronkorken dauert es nach Angaben der Isarfischer zwischen 80 und 200 Jahren, bis sie sich zersetzen. Dazu kommt, dass sie innen mit Plastik und außen mit Farbe beschichtet sind. Klaus Betlejewski, Vorstand der Isarfischer, sagt deshalb zu der Ramadama-Aktion: "Wir säubern unsere Isar, weil wir der Natur nicht den Rest geben."

Forscher der Universität Bayreuth unter der Leitung von Professor Christian Laforsch sowie Wissenschaftler der TU München, die neben der Isar auch die Donau und weitere Flüsse in Süd- und Westdeutschland nach Mikroplastik untersucht haben, wollen noch in diesem Jahr weitere Forschungsergebnisse veröffentlichen. Sie gehen offenbar auch der Frage nach, weshalb sich im Raum München so viel Mikroplastik im Fluss sammelt und Richtung Donau treibt.

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