Ist Migration das Hauptproblem der Deutschen? Zumindest glaubten das drei Viertel der Befragten des Ipsos-Sorgenbarometers im Februar 2025. Die gängigsten Vorurteile gegenüber Migranten halten einem Faktencheck der UNO-Flüchtlingshilfe nicht stand. Dennoch stimmt jeder Fünfte beim Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitor 2025 (NaDiRa) rassistischen Aussagen zu. Mit gravierenden Folgen: Laut NaDiRa erlebten mehr als die Hälfte der Befragten aus ethnischen oder religiösen Minderheiten regelmäßig Rassismus, ob in der Freizeit, bei Behörden oder in der Justiz. Gleichzeitig fühlen sich Geflüchtete laut Bundesamt für Migration überdurchschnittlich oft einsam und isoliert.
Dort, wo Einheimische wenig mit Zugezogenen interagieren, steigt laut einer Studie die Angst vor Migration am meisten. Dabei kann schon positiver Kontakt zu nur einer Person Vorurteile gegenüber einer ganzen Gruppe verringern. Ein Paper von Landmann, Aydin, Dick und Klocke erklärt, was das in der Realität bedeutet: Menschen, die Geflüchtete kennen, haben weniger Vorbehalte gegen Notunterkünfte in ihrer Nähe, zeigen mehr Empathie und wirken positiv auf ihr Umfeld ein.
In München gibt es Initiativen und Vereine, die einen geschützten Raum für Menschen jeglicher Herkunft schaffen. Auf ehrenamtlicher Basis setzen sie sich dafür ein, dass das interkulturelle Zusammenleben in der Stadt funktioniert. Sie helfen Geflüchteten dabei, Fuß zu fassen, geben ihnen eine Stimme, und veranstalten regelmäßige Kultur- und Freizeitangebote für Menschen mit und ohne Migrationshintergrund.
Ob beim Kochen, Malen, Spazierengehen, Sporttreiben oder einfach nur beim Kartenspiel nach der Arbeit: An diesen fünf Begegnungsorten lohnt sich der Blick über den eigenen Tellerrand.
Bellevue di Monaco

An diesem Abend macht ein Schälchen mit Datteln die Runde. Es ist Ramadan und die Datteln sind eine beliebte erste Mahlzeit nach Einbruch der Dunkelheit. Hier beim Open House im Gemeinschaftsraum wärmt nicht nur der schwarze Tee, sondern auch die offenherzige Atmosphäre. Egal ob Afghane, Pakistanerin, Russe oder Neumünchnerin aus Norddeutschland – beim UNO-Spiel blitzt bei allen Beteiligten das gleiche diebische Vergnügen auf, wenn ein Mitspieler zehn Karten auf einmal ziehen muss.
Das Open House im Bellevue di Monaco findet jeden Mittwoch ab 18 Uhr statt. Vor dem Hintergrund der Fluchtbewegungen 2015 gegründet, feiert die Sozialgenossenschaft Bellevue di Monaco ihr zehnjähriges Bestehen. Sie ist Wohnort für über 40 geflüchtete Personen, Beratungsstelle, Raum für Fortbildungen, Freizeit-, Sport- und Kulturveranstaltungen zugleich.
Neben dem Open House für alle gibt es auch Angebote, die sich gezielt an Frauen richten, wie etwa das Café Juno. Jugendliche und junge Erwachsene haben ihr eigenes „Bellevue-Wohnzimmer“ mit Theaterworkshops, Pyjama-Partys oder Grillfeiern. Beim Fußball auf dem Dachsportplatz, beim Boxen oder beim Kraftsport lassen sich leicht Kontakte knüpfen. Kreative finden in der Nähwerkstatt, beim Rap-Workshop oder im Fotoatelier Spaß an der Kunst und mit etwas Glück neue Freunde.
Informationen zu allen Angeboten und Veranstaltungen unter bellevuedimonaco.de.
Mohr-Villa Freimann

In der Küche herrscht geschäftiges Treiben, denn hier entsteht gerade ein Mittagsmenü. Nebenan im Gewölbesaal warten schon die Gäste. Den Buffet-Tisch schmückt ein Papp-Aufsteller: „Kultur schmeckt!“ Eine Schüssel mit buntem Salat und ein Tablett voller Piroschki stehen daneben. Piroschki, das sind gebackene Teigtaschen mit Weißkraut. Zum Nachtisch gibt es gefüllte Pfannkuchen, genannt Blini.
Jeden Monat trifft sich ein internationales Team rund um Verona My Hong in der Mohr-Villa Freimann. Unterschiedliche Nationalitäten sind seine Stärke: Hier werden Rezepte weitergegeben und kulinarische Experimente gewagt. Jeder darf mitmachen, Anmeldungen zum Mitkochen oder Mitessen werden unter info@kultur-schmeckt.de entgegengenommen.
Die Mohr-Villa liegt in der Situlistraße inmitten eines baumumstandenen Gartens. Getragen vom gleichnamigen Verein organisieren hier Ehrenamtliche Kunst, Tanz, Theater, Musik und Bewegung für Groß und Klein.
In der Kunstwerkstatt findet zwischen Werkbänken, Druckerpresse und Staffeleien regelmäßig ein besonderer Workshop statt: „Mohr-Villa ist bunt“. Dort treffen sich Geflüchtete und Einheimische, um gemeinsam Kunst zu machen. Es wird gelacht, erzählt, dazu gibt es Musik und Pizza. Mit Farben und Pinsel verarbeiten die Teilnehmer ihre Erlebnisse und können sich frei entfalten. Das Projekt ist eine Kooperation mit der Flüchtlingshilfe München, Anmeldungen an treffpunkt@mohr-villa.de.
Ob Filmgespräche im Dachstudio, Reparaturwerkstatt oder Dialogcafé zum Sprachenlernen: Alle Infos gibt es unter mohr-villa.de.
Munich Girls Talking & Walking

Unter einem strahlend blauen Himmel geht es am Samstagmorgen zum Olympiapark. Anlässlich des Internationalen Frauentags haben sich an der U-Bahnstation mehr als 130 Frauen versammelt. Um kurz nach elf geht es gemeinsam zum Olympiastadion. Dort wartet die olympische Sportschützin Carina Wimmer mit Dehnungs- und Atemübungen. Bereits nach wenigen Minuten fällt auf: Es wird viel Englisch gesprochen. In lockerer Atmosphäre lernt man Frauen aus Bolivien oder Indien kennen. Wer allein kommt, geht am Ende des Treffens vielleicht mit einem Grüppchen neuer Freundinnen ins Café.
Dass ein Begegnungsort kein fester Platz sein muss, beweist die Gruppe „Munich Girls Talking and Walking“, kurz MGTW. Ursprünglich als Projekt gegen Einsamkeit gedacht, ist der Frauentreff gleichzeitig ein Safe Space und ein Ort, um Freundinnen aller Altersgruppen und aus anderen Ländern kennenzulernen. Besonders häufig sieht man die Frauen rund um Gründerin Clare Carrington an der Isar und im Englischen Garten. Seit Januar 2024 ruft sie Münchnerinnen über Instagram (@munichgirlstalkingwalking) zu den Treffen auf.
Habibi Kiosk

Lila Flauschteppich, Sitzkissen und ein bunter Wandbehang: Der Habibi Kiosk ist das kulturelle Wohnzimmer in der Maximilianstraße. Tagsüber ein offener Co-Working-Space, finden hier abends Kulturveranstaltungen in kleiner Runde statt.
„Habibi“ kommt aus dem Arabischen und bedeutet Schätzchen. Darin spiegelt sich die Philosophie des Kiosks wider: Das Projekt der Münchner Kammerspiele bietet Performances, Ausstellungen und Konzerte in freundschaftlicher Wohlfühlatmosphäre. Immer wieder stellt der Habibi Kiosk die Kunst und Kultur marginalisierter Gruppen in den Fokus. So etwa am 4. April, wenn kurdische Musik im Rahmen der Wohnzimmer-Musik-Talks im Fokus steht. Informationen zu allen Veranstaltungen unter muenchner-kammerspiele.de/habibi.
Eine-Welt-Haus

Interkulturelle Begegnungen der besonderen Art verspricht der Comedy Crush im Eine-Welt-Haus. Die Hosts Giada Severini und Omar Sharaki haben selbst italienische und ägyptische Wurzeln. Sie führen durch eine interaktive Comedy Night voller Dating Fails und Beziehungspannen. Und wer im international besetzten Publikum seinen nächsten Crush noch nicht entdeckt hat, wird mit etwas Glück live auf der Bühne verkuppelt.
Das Eine-Welt-Haus hat sich der Solidarität zwischen Menschen aller Kulturen verschrieben. Seit 25 Jahren dient das Begegnungszentrum an der Schwanthalerstraße zahlreichen Initiativen und Vereinen als Versammlungs- und Veranstaltungsort. Wer möchte, engagiert sich in einer der Gruppen, wie etwa „Migration macht Gesellschaft“, die sich für ein besseres Zusammenleben deutscher und ausländischer Mitbürger einsetzen.
Lesungen, Theater, Flohmarkt, Kleider- oder Pflanzentausch bieten Gelegenheit, mit anderen ins Gespräch zu kommen. Unter anderem gibt es regelmäßige Sprachangebote für Esperanto, Hindi und Französisch. Informationen zu allen Angeboten unter einewelthaus.de.