München:Insel auf dem Isarufer

Die Freisinger Fürstbischöfe herrschten fast 500 Jahre lang über die Grafschaft Ismaning. Bayerns Herzögen gefiel das gar nicht, wie eine Wanderausstellung zeigt

Von Ulrike Steinbacher

Isarrain

Die Grafschaft im Blick: Das Herrschaftsgebiet der Freisinger Fürstbischöfe - hier eine Postkarte von 1913 - erstreckt sich östlich der Isar bis vor die Tore Münchens.

(Foto: Schlossmuseum Ismaning)

Sie hatten beide was von ihrem Deal, der spätere Kaiser und der Fürstbischof. Auch wenn er sich langfristig nicht auszahlte, aber damit mussten sich dann ihre Nachfolger herumschlagen. Ludwig der Bayer jedenfalls konnte zufrieden sein, weil er sich die Unterstützung eines mächtigen Kirchenmannes gesichert und dafür nur vergleichsweise wertloses Land hergegeben hatte, und Konrad III., weil er die Freisinger Besitzungen rechts der Isar endlich zu einem geschlossenen Territorium konsolidiert und dafür nur läppische hundert Mark Silber gezahlt hatte. 1319 war das, und Ludwig verlangte das Geld für die Landgerichtsbarkeit und damit die Herrschaft "auf dem Rain bey der Isar in den Dörfern Oberfering, Niederfering, Englsalking, Tagolfingas und Ismaning".

Mit dem Verkauf an das Hochstift Freising entstand die "Grafschaft auf dem Yserrain", später Grafschaft Ismaning genannt. Der schmale, lange Streifen ödes Land am Ostufer der Isar gleich nördlich von München war zwar auf allen Seiten vom Herzogtum Bayern umschlossen, stand aber unter der Herrschaft der Kirche. Die Bewohner zahlten ihre Steuern bis zur Säkularisation also nicht an die Herzöge, sondern an die Freisinger Bischöfe - im Ismaninger Fall seit 1509 zusätzlich zum Zehnt auch noch 2500 Krautköpfe im Jahr. Die erste urkundliche Erwähnung der Grafschaft vor 700 Jahren haben Archive und Kultureinrichtungen in Freising, Ismaning, Unter- und Oberföhring zum Anlass genommen, ihre Forschungsergebnisse zusammenzutragen. Daraus resultiert die Wanderausstellung "Eine Insel in Bayern", die am Dienstag, 16. Juli, in Freising eröffnet wird.

Eine äußere Klammer verbindet die Orte bis heute: der gekrönte Mohr im Gemeindewappen. Unterföhring führt ihn gemeinsam mit einem blauen Wellenbalken, der die Isar darstellt, und einer Backsteinmauer, die auf die Bedeutung der Ziegeleien für den Ort verweist. Unter Ismanings Mohr sind drei silberne Rauten aus dem Familienwappen des Fürstbischofs Johann Franz von Eckher angeordnet. Mohren finden sich außerdem auf den Wappen des Landkreises Freising und der dortigen Gemeinden Zolling, Eching und Fahrenzhausen, aber zum Beispiel auch in Mittenwald (Landkreis Garmisch-Partenkirchen), Pastetten (Landkreis Erding), Huisheim (Landkreis Donau-Ries), Waidhofen (Niederösterreich) und Oberwölz (Steiermark). Sie alle gehen auf den Mohren zurück, der 1284 erstmals im Wappen von Emicho von Wittelsbach auftauchte, des ersten Freisinger Fürstbischofs. Dass der Mohr sich dann so weit verbreitete, liegt im Streubesitz des Hochstifts Freising in ganz Mitteleuropa begründet. Woher aber Emicho den Kopf genommen hat, das ist ein ungelöstes Rätsel. Vielleicht geht das Wappen auf die Kreuzzüge zurück, vielleicht ist es Ergebnis eines Missverständnisses. Christine Heinz, der Chefin des Ismaninger Schlossmuseums, die den Arbeitskreis zur Ausstellung leitete, gefällt die Deutung am besten, dass der Mohr auf die Reisen des Wappenträgers in fremde Länder verweist. Mag aber auch sein, er war als Widerpart zum bayerischen Löwen gedacht.

Denn zwischen Grafschaft und Herzogtum gab es ständig Ärger: Streitereien über den Grenzverlauf, gegenseitige Vorwürfe wegen Wilderei. Die Wittelsbacher späterer Jahrhunderte dürften den Kaiser und seinen Landverkauf verflucht haben, jedenfalls taten sie alles, damit die Bischöfe ihren Besitz nicht ausweiten konnten. Die wiederum standen mit einer wirtschaftlich völlig uninteressanten Erwerbung da. "Wir haben Lehm, Moos, Torf", zählt Christine Heinz auf, "nichts, womit man auftrumpfen könnte." Nur die Herzöge konnte man ärgern: Die Bischöfe "waren mit der Grafschaft verdammt nah an München dran", sagt die Kunsthistorikerin.

Eine eigene Identität, eine gemeinsame Kultur aber scheint sich nicht entwickelt zu haben auf dieser Insel in Bayern. Die Orte auf dem Isarrain existierten nebeneinander her: das Bauerndorf Unterföhring, das doppelt so große Ismaning (565 Einwohner im Jahr 1785) und das Handwerkerdorf Oberföhring, das einmal ein aufstrebender Wirtschaftsstandort gewesen war, mit der Gründung Münchens aber von den Handelswegen abgeschnitten wurde. Die Bauernhöfe dort waren so klein, dass die Bewohner einem Gewerbe nachgehen mussten, weil sie von der Landwirtschaft nicht leben konnten, schreibt Lokalhistorikerin Karin Bernst, die mit anderen Mitgliedern des Vereins Nordostkultur den Oberföhringer Beitrag zur Ausstellung konzipiert hat.

Die Schau fußt darauf, "dass jeder das reinschmeißt in den großen Topf, was er schon erarbeitet hat", erklärt Christine Heinz. Die Oberföhringer beschäftigen sich also unter anderem mit frühen Schenkungen, dem ersten Verwaltungssitz der Grafschaft und dem Priel, einem riesigen Eichenmischwald. Ein kleiner Rest davon ist heute noch nördlich des Klinikums Bogenhausen zu finden. Unterföhring untersucht die "Pfarrkirche St. Valentin in ihrer frömmigkeits- und baugeschichtlichen Bedeutung" samt Marienwallfahrt, erklärt Theologe und Kirchenhistoriker Manuel Götz, der den Beitrag erarbeitet hat. Die Kirche ist ein Schmuckstück des Spätbarock, erbaut im Auftrag des Freisinger Fürstbischofs Johann Franz von Eckher, einst Pfarrer in Oberföhring. Um 1720 ließ er auch das Ismaninger Renaissanceschloss durch einen Neubau ersetzen. Den Verwaltungssitz hatten die Fürstbischöfe schon im 16. Jahrhundert von Fering nach Ismaning verlegt. Entsprechend geht es im Ismaninger Beitrag zur Ausstellung um höfisches Leben, Jagden, Feste, Kunst. Der Freisinger Stadtarchivar Florian Notter befasst sich mit der Finanzstruktur des Hochstifts. Darüber habe er schon seine Magisterarbeit geschrieben, erzählt Christine Heinz. Die Experten fanden geografisch-wirtschaftliche und historische Parallelen zwischen den Dörfern: Alle wurden schon im 8./9. Jahrhundert urkundlich erwähnt, sagt Manuel Götz, alle haben "die Isar und die Fischerei, das Moos, Lehm und Ziegeleien", zählt Karin Bernst auf. Und natürlich den Mohr im Wappen.

Einen gesellschaftlichen Zusammenhalt aber kann Christine Heinz nicht erkennen, der Bezug zu Freising endete abrupt mit der Säkularisation 1802/1803. Die Grafschaft war eben nur "ein politisches Konstrukt", sagt sie. Gehalten hat der Deal trotzdem fast 500 Jahre lang.

"1319. Eine Insel in Bayern", in Freising von Dienstag, 16., bis Sonntag, 28. Juli, Galerie im Alten Gefängnis, Obere Domberggasse 16. In Oberföhring von Samstag, 3., bis Sonntag, 25. August, Bürgerpark, Oberföhringer Straße 156. In Unterföhring von Freitag, 20. September, bis Samstag, 2. November, Bürgerhaus, Münchner Straße 56. In Ismaning von Samstag, 16. November, bis Sonntag, 29. März 2020, Schlossmuseum Ismaning, Schloßstraße 3 a

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