Süddeutsche Zeitung

Inflation und Energiepreise:München, du ausgekochte Stadt

Die Preise für gutes Essen steigen rasant - gerade in München. Hier aber lassen sich auch viele kreative Antworten auf die Entwicklung finden.

Glosse von René Hofmann

Essen und Trinken konnte in München immer schon ein teurer Spaß sein. In diesen Tagen aber mehren sich die Klagen, dass es so nun wirklich kaum mehr ein Spaß ist. Die Kugel Eis für zwei Euro; nicht wenigen vergeht da bei der Stippvisite im Eiscafé die Lust auf den Sprizz danach. Und von Besuchen in Restaurants der Kategorie Fine Dining wird inzwischen oft weniger im Hmm-Hmm-Feinschmecker-Jargon berichtet und mehr im Duktus, mit dem früher auf dem Schulhof die Buben Quartett-Karten tauschten: "Meine erste vierstellige Rechnung, wirklich!"

Und dann war da noch die Bio-bewusste Mutter, die neulich an der Supermarktkasse um Vortritt bat, um das gerade erst erstandene 500-Gramm-Päckchen Hartweizennudeln zurückzugeben, weil, wie sie erst ihrem Kind und dann der Verkaufskraft erklärte: "Ich habe nicht gesehen, dass die teurer geworden sind und jetzt mehr als vier Euro kosten. Das ist mir zu viel."

Inflation und Energieangst: Dieser Cocktail schmeckt keinem. Aber natürlich wäre München nicht eine besondere Stadt, wenn sich in ihr auch in einer solchen Lage nicht besonders findige Antworten finden ließen. Da ist zum Beispiel der Buchhändler, der in diesen Tagen die Fibel "Gar es ohne Bares!" ganz nach vorne in die Auslage rückt. Oder der Feinkostanbieter, der neben dem Gemüse aus der Region die Rezepte-Sammlung eines Wettbewerbs des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe feilbietet: "Kochen ohne Strom. Die 50 besten Rezepte für Alltag, Camping und Notfall."

Getrocknete Kichererbsen, erfährt man in dem Buch, lassen sich nach mindestens zwölf Stunden Einweichzeit mit einem Hammer oder einem anderen schweren Werkzeug derart bearbeiten, dass sie mit einer feingeraspelten Roten Bete, Mehl, Kreuzkümmel, Knoblauch und Chili im Handumdrehen in Falafel-Taler verwandelt werden können, die auf einem Gaskocher wunderbar knusprig zu braten sind. Tipp: "Dazu kann Baguette gereicht werden" - falls vorhanden.

So groß ist die Not noch nicht, dass dieser Stadt die Fantasie ausgeht. Zu besichtigen ist das auch in einer öffentlichen Tennishalle in Bogenhausen, deren große, zur Abendsonne hin ausgerichteten Glasfenster nun um eine Nutzung erweitert wurden: Hinter ihnen gedeihen jetzt selbst gezogene Tomaten der Sorten "Green Zebra", "Stupice" und "Resi". Letztere verspricht bei der Ernte "massenweise sehr wohlschmeckende Früchte".

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