Sendlinger Straße:Warum ein Haus in bester Lage vergammelt

Sendlinger Straße: Das Eckgebäude hat eine fleckige Fassade und verwitterte Fensterrahmen, es fällt ziemlich aus der Reihe an der sonst so gepflegten Sendlinger Straße.

Das Eckgebäude hat eine fleckige Fassade und verwitterte Fensterrahmen, es fällt ziemlich aus der Reihe an der sonst so gepflegten Sendlinger Straße.

(Foto: Stephan Rumpf)

In dem Gebäude ist ein Arbeiterwohnheim untergebracht. Die Stadt prüft, ob eine Zweckentfremdung vorliegt. Der Eigentümer weist das zurück - und reagiert auf Nachfrage kurz angebunden.

Von Sebastian Krass

Achtet man nur aufs Erdgeschoss, dann fällt dieses Eckgebäude an der Sendlinger Straße nicht weiter auf. Wo früher einmal eine Filiale der Hypo-Vereinsbank war, ist nun eine Filiale einer skandinavischen Kette für Inneneinrichtung, Marketingschlagwörter: "inspirierend und nachhaltig". So weit, so normal für eine Fußgängerzone in der Münchner Innenstadt. Richtet man den Blick aber etwas nach oben, dann fällt dieses Haus ziemlich aus der Reihe an der dieser münchnerisch-gepflegten, manche würden sagen: geschleckten Sendlinger Straße.

Eine fleckige Fassade und verwitterte Fensterrahmen, an denen die grüne Farbe abblättert, dahinter vergilbte Gardinen, eine Fensterscheibe mit Sprüngen. Die Eingangstür ist nur angelehnt, manche Fenster sind geöffnet, das Haus wird also offenbar genutzt. Was ist das für eine Immobilie, die da dem äußeren Anschein nach vor sich hingammelt?

Sendlinger Straße: Die Eingangstür schaut nicht sehr einladend aus, doch offenbar wird das Haus noch genutzt.

Die Eingangstür schaut nicht sehr einladend aus, doch offenbar wird das Haus noch genutzt.

(Foto: Stephan Rumpf)

Vor ein paar Monaten hing in der Eingangstür des Hauses, die an der Hermann-Sack-Straße 2 liegt, noch ein Schreiben eines Unternehmens mit dem Begriff "Bettenvermietung" im Firmennamen. Auf der Website heißt es, man betreibe an drei Standorten "Arbeiter- und Studentenwohnheime in München mit insgesamt 400 Betten". Man habe Zwei-, Drei-, Vier- oder Mehrbettzimmer im Angebot, die Preise pro Bett und Tag lägen zwischen 6,50 und 17 Euro. Auch ein Geschäftsführer und eine Handynummer sind genannt. Ans Telefon geht ein kurz angebundener Mann, der sagt, die Firma gebe es nicht mehr, und überhaupt beantworte er keine Fragen von der Zeitung. Dann legt er auf.

Ein gewerblich genutztes Wohnheim dieser Kategorie in bester Innenstadtlage ist zumindest ungewöhnlich, aber ist es auch zulässig? Im Prinzip ja, wie die Lokalbaukommission (LBK) mitteilt. Im Jahr 2016 habe man eine "Nutzungsänderung (ohne bauliche Änderungen): Büro- und Praxisflächen zu Arbeiterwohnheim" befristet auf fünf Jahre genehmigt, schreibt ein Sprecher des Planungsreferats, zu dem die LBK gehört, im September. Auf die Frage, ob eine solche Nutzung im Sinne der Stadt sei, antwortet er, es habe sich "um keine Ermessensentscheidung" gehandelt.

Laut Bebauungsplan liege das Grundstück in einem "Kerngebiet", in einem solchen sei "die beantragte Nutzung zulässig". Allerdings sei die Baugenehmigung - um eine solche handelt es sich rechtlich bei der Nutzungsänderung - im Frühjahr abgelaufen. Der Eigentümer habe mitgeteilt, dass er einen neuen Bauantrag stellen werde. "Nachdem dies nicht fristgerecht erfolgt ist", habe die LBK den Eigentümer dazu aufgefordert, weitere Schritte seien derzeit nicht geboten.

Sendlinger Straße: Haare werden hier wohl schon lange nicht mehr geschnitten.

Haare werden hier wohl schon lange nicht mehr geschnitten.

(Foto: Stephan Rumpf)

Das Gebäude beschäftigt aber noch eine weitere Stelle in der Stadtverwaltung, das Amt für Wohnen und Migration im Sozialreferat. Dieses hatte bereits im Mai dem Bezirksausschuss (BA) Altstadt-Lehel in einem Schreiben mitgeteilt, zwar sei für den größten Teil des Gebäudes die LBK zuständig. Für je eine Wohnung im vierten und fünften Obergeschoss sei aber das Zweckentfremdungsrecht "anwendbar", für diese beiden Wohnungen habe das Wohnungsamt ein entsprechendes Verfahren eingeleitet. Stelle man eine Zweckentfremdung fest, werde man "mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen vorgehen".

Es sind Informationen, die einige Fragen beantworten, aber auch neue aufwerfen: Was sagt der Eigentümer zur Frage, ob er Wohnraum zweckentfremdet? Was hat er mit dem Haus vor? Warum setzt er auf diese Nutzung, die vermutlich längst nicht so viel abwirft wie eine Neuvermietung, nachdem man das Haus saniert oder einen Neubau errichtet hätte? Und welche Verantwortung hat ein Hauseigentümer für das Stadtbild?

Eigentümerin des Gebäudes ist eine Firma mit Sitz in Gräfelfing. Auf eine Anfrage zur aktuellen Nutzung und zu künftigen Plänen schreibt der Geschäftsführer Ende September zunächst, er erkenne kein öffentliches Interesse für eine Berichterstattung, man verbitte sich, dass "wir als Eigentümer oder ich als Geschäftsführer" namentlich genannt werden.

Man werde das Gebäude revitalisieren, verspricht der Eigentümer

Zu den inhaltlichen Fragen schreibt er, das Gebäude sei schon als Wohnheim genutzt gewesen, als die Firma das Haus gekauft habe. Einen Antrag auf Verlängerung dieser Nutzung habe man eingereicht. Überdies betont er ohne weitere Erläuterung: "Eine Zweckentfremdung liegt bei den beiden Wohnungen nicht vor." Und er kündigt an, man werde "das Gebäude in enger Abstimmung mit der Stadt München revitalisieren. Das Haus wird nach dieser Entwicklung in neuem, dem Standort angemessenen ,Glanz' erscheinen". Auf Nachfrage schreibt er, Details zur Planung könne man "heute noch nicht nennen". Man werde sich aber an den "zulässigen Nutzungsmix" halten.

Die LBK erklärt wiederum daraufhin, dass seit Anfang Oktober ein Bauantrag vorliege, der erneut eine Nutzung als Arbeiterwohnheim im ersten bis vierten Obergeschoss zum Ziel habe. Dieser werde aktuell geprüft. Man gehe davon aus, dass dieser genehmigungsfähig sein werde. Eine Nutzung als Wohnheim bis dahin zu untersagen, wäre deshalb "nicht verhältnismäßig". Das Wohnungsamt schreibt auf Nachfrage, dass das Zweckentfremdungsverfahren "inzwischen weiter fortgeschritten, aber noch nicht abgeschlossen" sei, zudem hänge es eng mit dem eingereichten Bauantrag zusammen. In dieser Woche war die Immobilie auch wieder einmal Thema im BA, der eine neuerliche Auskunft vom Wohnungsamt einfordert.

Wie viele Betten gibt es eigentlich in dem Gebäude, und wie viele Menschen wohnen dort? Auf eine Anfrage dazu kommt keine Antwort mehr vom Unternehmen, dem das Haus gehört.

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