Es war hoher Besuch, den Dieter Reiter an einem Tag im vergangenen Oktober in seinem Büro empfing. Werner Faymann, ehemaliger Bundeskanzler Österreichs und Ex-SPÖ-Politiker, hatte sich angekündigt. Allerdings sprach Faymann als Unternehmer vor. Er ist in die Immobilienbranche eingestiegen und Mitgesellschafter des in Wien ansässigen Investmentunternehmens Imfarr, das seine Aktivitäten in München ausbaut. Im vergangenen Jahr kaufte Imfarr mit einem Co-Investor die Highlight-Towers in der Parkstadt Schwabing und den ehemaligen Postbank-Block zwischen Bayer- und Schwanthalerstraße. Bei seinem Besuch erwähnte Faymann ein neues Imfarr-Projekt in der Innenstadt.
Das Unternehmen hat im Herbst 2020 das Parkhaus an der Adolf-Kolping-Straße, zwischen Sonnen- und Schillerstraße, übernommen. Es steht auf einem städtischen Grundstück, das für noch gut 50 Jahre im Erbbaurecht an Private vergeben ist. Imfarr plant ein Bauprojekt, das diese versteckte Ecke deutlich bekannter machen soll.

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Das bereits geschlossene Parkhaus soll durch eine fünfgeschossige Tiefgarage ersetzt werden, wie Matthias Euler-Rolle erläutert, der als Sprecher für Imfarr agiert und mit dem zusammen Faymann sechs Prozent der Anteile an Imfarr hält. Oberirdisch seien im Erdgeschoss Gastronomie und ein "Hub für nachhaltige Mobilität" vorgesehen, darüber Büros und ein begrüntes Dach, so Euler-Rolle. Der Hub solle aus einer "Fahrradlobby" für mehr als 200 Räder bestehen, dazu komme ein Fahrradgeschäft. Der Entwurf für das Gebäude stammt vom Münchner Büro Ochs Schmidhuber Architekten (OSA).
Aussteigen, Umsteigen und Aufsteigen auf moderne Fortbewegungsmittel
Man habe "mit der Stadt verhandelt, um alle Autos unter die Erde zu bekommen und dadurch ein Aussteigen, Umsteigen und Aufsteigen auf moderne, nachhaltige Fortbewegungsmittel zu ermöglichen", ergänzt Euler-Rolle. Das Planungsreferat bestätigt lediglich die Eckpunkte der geplanten Nutzung, mehr könne man wegen eines laufenden Baugenehmigungsverfahrens nicht sagen. Für die Baugenehmigung braucht Imfarr wegen der Tiefgarage aber auch eine wasserrechtliche Genehmigung, dafür ist das Referat für Klima- und Umweltschutz (RKU) zuständig.
Und das hat mit einem Bauprojekt in der Nachbarschaft der Adolf-Kolping-Straße schlechte Erfahrungen gemacht. An der Schillerstraße 3 will ein Investor ein neues Hotel für "Motel One" errichten. Die Nachbarn von der Schillerstraße 5, die selbst ein Hotel betreiben, haben gegen die wasserrechtliche Genehmigung des RKU geklagt und im Eilverfahren in zwei Instanzen Recht bekommen, seit August gilt ein Baustopp für das geplante Hotel. Es geht bei dem Rechtsstreit um den Aufstau von Grundwasser durch den Neubau und um mögliche Schäden für Nachbargebäude.
In die Prüfung ist das Wasserwirtschaftsamt eingebunden
Nach den Niederlagen vor Gericht will das RKU auf Nummer sicher gehen. Man bewerte den "tolerierbaren Grundwasseraufstau" nun anders, erklärt eine Sprecherin. "Dies führt aufgrund der geänderten Maßstäbe und einer vermehrten Berücksichtigung der Nachbarschaftsinteressen zu einem deutlichen Mehraufwand seitens der Behörden und zu einer Nacharbeit der Antragsteller*innen." Die Verfahren verlängerten sich. Und wie bewertet das RKU die Auswirkungen der Tiefgarage an der Adolf-Kolping-Straße? "Der Antrag ist aktuell in Prüfung und hat Grundwasserthemen in Bezug auf Nachbargebäude zum Gegenstand", teilt eine Sprecherin der Behörde mit.

"Motel One"-Bauprojekt am Hauptbahnhof:Investor wirft Nachbarn versuchte Erpressung vor
Für das geplante "Motel One" an der Schillerstraße gilt seit August ein Baustopp. Die Hotelbetreiber von nebenan bieten an, ihre Klagen gegen 2,8 Millionen Euro zurückzuziehen. Das sei "kriminell", meint der Anwalt des Investors.
Erst nach Abschluss der Prüfung, die gemeinsam mit dem staatlichen Wasserwirtschaftsamt erfolge, könne "über den Antrag entschieden werden". Imfarr-Sprecher Euler-Rolle sagt, man erwarte die Baugenehmigung "aller Voraussicht nach Ende des ersten Quartals 2022. Unmittelbar danach erfolgt der Baustart". Die Tiefgarage solle 2025 in Betrieb gehen, das gesamte Gebäude 2026 fertig werden.
Allerdings könnten wieder Nachbarn gegen die wasserrechtliche Genehmigung klagen. Ob es so kommt, ist offen. Benno Ziegler, Anwalt der Hauseigentümer von der Schillerstraße 5, hält sich bedeckt: "Ich möchte erst einmal die Unterlagen zu dem Bauprojekt, die ich nach dem Umweltinformationsgesetz beim RKU angefragt habe, sehen und prüfen. Alles weitere wird sich danach zeigen."
Aufträge an die Verwaltung habe er nicht erteilt, sagt der Oberbürgermeister
Die schwierige Gemengelage führt zu der Frage, ob Werner Faymann versucht haben könnte, beim OB Druck zu machen wegen der Adolf-Kolping-Straße. Imfarr-Sprecher Euler-Rolle erklärt, Faymann und Reiter seien "immer wieder zu unterschiedlichen Themen im Austausch. Es mag sein, dass er den Herrn Oberbürgermeister darüber informiert hat, dass Imfarr das Projekt übernommen hat". Es sei aber "ganz sicher", dass Faymann beim OB "nicht operativ auf die Umsetzung des Projekts eingewirkt hat".
Reiter wiederum erklärt, Faymann habe "einige Projekte eines von ihm vertretenen Projektentwicklers/Investors vorgestellt", darunter auch die Adolf-Kolping-Straße. Das sei "absolut nicht ungewöhnlich", das machten auch andere Investoren. "Ein etwaiger Auftrag meinerseits an die Verwaltung ist aus dem Gespräch nicht erfolgt", ergänzt Reiter. "Ich habe Herrn Faymann - wie ich dies im Regelfall nach solchen informellen Gesprächen immer tue - gebeten, sich bei konkreten Fragen direkt mit den entsprechenden Referaten in Verbindung zu setzen."