München im Festspieltaumel:Glückseligkeit bei Wein und Aperol Sprizz

Heiter und leicht präsentiert sich München bei einem sommerlichen Festspiel-Wochenende - und bestätigt den Ruf, die nördlichste Stadt Italiens zu sein.

Astrid Becker

Manchmal wirken die Münchner auf Fremde so, als ob ihr größter Feind das Leben selbst sei. Misanthropisch erscheinen sie den Nicht-Münchnern vor allem, wenn die S-Bahn mal wieder Verspätung hat und zu allem Überfluss dicke Regenwolken den weißblauen Himmel verhängen.

München im Festspieltaumel: 12.000 Zuschauer genossen am Samstagabend bei "Oper für alle" auf dem Max-Joseph-Platz Musik von Claude Debussy, Richard Strauss und Gustav Holst.

12.000 Zuschauer genossen am Samstagabend bei "Oper für alle" auf dem Max-Joseph-Platz Musik von Claude Debussy, Richard Strauss und Gustav Holst.

(Foto: region.mue)

Heizt hingegen die Sonne die Stadt noch bis in die späten Abendstunden hinein auf, und dies auch noch zur Festspielzeit, kehren die Münchner die heitere und leichte Seite ihres Wesens hervor - so geschehen am Eröffnungswochenende der Opernfestspiele mit Festspielnacht und "Oper für alle".

Freitagabend am Marstallplatz. In Kürze soll der Pavillon 21 Mini Opera Space eröffnet werden. Mehrere hundert Gäste sind dazu geladen, darunter die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch, Susanne Porsche, Kristina Gräfin Pilati oder auch Christa Prinzessin Thurn und Taxis, ihres Zeichens Präsidenten des Bayerischen Roten Kreuzes.

Die gegenseitigen Begrüßungen an diesem Abend fallen besonders herzlich aus, man umarmt sich, man plaudert, stößt miteinander mit Sekt oder auch Rhabarbersaftschorle an. So gar nicht steif gibt sich auch der Sponsor des Ganzen, Unicredit-Vorstand Theodor Weimer. Er hält eine unerwartet dadaistisch anmutende Rede à la Ernst Jandl. Opernintendant Nikolaus Bachler bescheinigt ihm später sogar Bühnentalent.

12.000 Zuschauer bei "Oper für alle"

Und als dann noch Opernstar Jonas Kaufmann aus der Generalprobe zu "Tosca" direkt auf die Bühne des Pavillons eilt, um die Arie "Libiamo" als Überraschungseinlage zu schmettern, sind der Begeisterung der Gäste keine Grenzen mehr gesetzt. Zu dieser Zeit drängen sich bereits tausende Menschen bei der "Festspielnacht" in den Fünf Höfen und den Bühnen in der nahen Umgebung herum. Sie haben sich ihre Gläser mit Weißwein oder "Aperol Sprizz" füllen lassen oder schlecken Eis. Gelassenheit und Glückseligkeit herrscht vor.

Eine Stimmung, die sie sich selbst dann nicht vermiesen lassen, wenn Sicherheitskräfte ihnen den Einlass wegen Überfüllung verwehren - zum Beispiel beim Auftritt des Bayerischen Staatsorchesters unter Kent Nagano in der Kundenhalle der Bank. Egal, schließlich gibt's ja auch andernorts hinreißende Klänge zu hören. Und die Festspielnacht lädt ja seit jeher zum Bummeln durch die vielen Sparten der ernsten Musik ein.

Auch das Konzert im Rahmen von "Oper für alle" zieht mehr Menschen an als jemals zuvor. Etwa 12.000 haben sich mit Decken und Getränken am Boden des Max-Joseph-Platzes vor dem Nationaltheater niedergelassen und lauschen fast andächtig den Kompositionen Claude Debussys, Richard Strauss' und Gustav Holsts, dessen "Planeten" Kent Nagano als Zugabe ausgewählt hat. Vor dem Spatenhaus flanieren die Menschen, der ein oder andere hat sich ein Fußballtrikot übergezogen. Doch das runde Leder interessiert an diesem Abend nicht wirklich. Es ist die Musik bei lauen Temperaturen, die die Menschen anzieht - und sie wieder einmal beweisen lässt, dass München, zumindest manchmal, tatsächlich die nördlichste Stadt Italiens ist.

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