Deutsche Bahn:Wie im Münchner ICE-Werk Züge fit gemacht werden

Lesezeit: 3 min

Vom Dach bis zum Boden werden die Züge im ICE-Werk München gewartet. (Foto: Stephan Rumpf)

Seit 30 Jahren kümmern sich die Mitarbeiter darum, dass von der Klimaanlage bis zu den Rädern alles am Zug funktioniert. Ein großes Unglück konnte dennoch nicht verhindert werden.

Von Andreas Schubert

An sommerlichen Tagen kommen sich die Arbeiter im ICE-Werk der Deutschen Bahn schon mal vor wie im Death Valley in Kalifornien. Unterm Dach klettern die Temperaturen auf bis zu 50 Grad. Von oben heizt die Sonne ein, von unten die Abwärme der Züge. Und doch müssen die Arbeiten erledigt werden: Klimaanlagen und Stromabnehmer müssen schließlich funktionieren, wenn so ein Zug nach seiner Wartung an der Landsberger Straße wieder auf die Strecke rollt.

Den ICE gibt es nun schon seit 30 Jahren. Am 29. Mai 1991 startete der erste Zug in Kassel-Wilhelmshöhe, am 2. Juni nahm der ICE seinen Regelbetrieb zwischen Hamburg und München auf. Seither werden die Züge auch in München gewartet, die Halle an der Landsberger Straße wurde nach und nach erweitert und ist seit 1996 mit sechs Wartungsgleisen voll funktionsfähig. 900 Menschen sind hier beschäftigt, die Handwerker arbeiten im Drei-Schicht-Betrieb und erledigen die meisten Arbeiten nachts.

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So ist an diesem Dienstagmorgen beim Besuch im ICE-Werk auch vergleichsweise wenig los in der 450 Meter langen Halle, in der die Züge auf mehreren Ebenen bearbeitet werden. In der Nacht hat es einigermaßen abgekühlt, sodass es sich auch unterm Dach gut aushalten lässt. Techniker Walter Dolzer kann dem eigenen Bekunden nach aber gut mit hohen Temperaturen umgehen. Dass jeder in der Belegschaft eine Maske tragen muss, sei dabei auszuhalten, sagt er. Gerade kontrolliert er die Stromabnehmer eines ICE 4, der - anders als die meisten Züge der Flotte - noch keinen Namen trägt. Am Nebengleis ist die Brücke abgeriegelt, hier fließt Strom mit einer Spannung von 15 000 Volt durch die Oberleitung, sich dieser auch nur zu nähern, wäre lebensgefährlich. Dies erahnt man spätestens, als der Zug am Nebengleis die Stromabnehmer hochfährt und dann ein elektrisches Knistern zu hören ist und ein paar Funken springen.

Auch die Wartung der Klimaanlagen ist ein wichtiges Thema, da schon viele Bahnkunden leidvolle Erfahrungen mit überhitzten Zügen machen mussten. Doch die Klimatechnik bei den alten Zügen kommt bei Außentemperaturen über 30 Grad an ihre Grenzen, der ICE 4, der seit 2016 gebaut wird, habe eine robustere Technik, die es auch mit 45 Grad aufnehme, erklären die DB-Leute.

Walter Dolzer inspiziert die Stromabnehmer. (Foto: Stephan Rumpf)

Unten, im Abteil, arbeiten Computertechniker am IT-System. Die Züge werden aktuell mit einem besseren Wlan und einer neuen Fahrgastinfo ausgestattet, weshalb sie auch neue Antennen auf dem Dach bekommen. Trotzdem enden Internetverbindungen immer noch häufig im Funkloch. Julia Göbel, IT-Projektleiterin, erklärt, dass die Bahn zwar daran arbeite, den Empfang im Zug zu verbessern, was ein ziemlich großer Aufwand sei. Doch selbst Funkmasten aufstellen kann die Bahn nicht, das obliege den Mobilfunkanbietern, mit denen man deshalb in regelmäßigem Kontakt stehe, sagt Göbel.

Das ICE-Werk München ist neben Berlin das einzige Werk, in dem alle ICE-Baureihen gewartet werden können - vom ICE 1 bis zum neuesten Modell, dem ICE 4 XXL. Hier kann alles erledigt werden, von Sicherheitschecks, über das Abpumpen der Toiletten, bis hin zum Austausch von defekten Kaffeemaschinen im Bordbistro. Die gesamte ICE-Flotte umfasst derzeit 330 Züge. In den nächsten fünf Jahren sollen es 421 Züge werden, langfristig sind sogar 600 geplant.

André Hobusch arbeitet an den Achsen. (Foto: Stephan Rumpf)

Die alten Züge werden dabei auch nach 30 Jahren noch nicht ausgemustert, sondern so modernisiert, dass sie noch etwa zehn weitere Jahre im Einsatz bleiben können, erklärt Werksleiter Sirko Kellner. Der ICE Hanau ist so ein altes Modell vom Typ 1. In der Nacht zum Dienstag kam er in München angerollt, nach der Inspektion und Wartung rollte er schon am Dienstag wieder ab. Dem Zug sieht man an, dass er noch in die Waschanlage muss. Doch erst steht der Austausch von Radsätzen an. Im Keller des Werkes lagere die Bahn etwa 180 Radsätze für die verschiedenen ICE-Typen, sagt Kellner. Etwa drei Jahre hält so ein Radsatz, in der Zeit wird er bis zu fünf Zentimeter abgefahren. Alle 240 000 bis 300 000 Kilometer werden die Räder ausführlich mit Ultraschalltechnik auf mögliche Schäden überprüft.

Seit dem Eisenbahnunglück von Eschede am 3. Juni 1998, bei dem 101 Menschen ihr Leben verloren und mehr als 100 teils schwer verletzt wurden, werden wieder Vollräder statt mit Gummi gefederter Räder verwendet. Bei dem Unfall hatte sich am ICE Wilhelm Conrad Röntgen ein Radreifen gelöst und eine katastrophale Kettenreaktion ausgelöst. Der Zug war zuvor in München inspiziert worden. Es war das größte Zugunglück der Nachkriegsgeschichte. Die Ermittlungen gegen die Münchner Inspizienten wurden allerdings eingestellt, da kein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten festgestellt wurde. Ludwig Schader, Leiter Fahrzeugtechnik im ICE-Werk, arbeitet schon seit 30 Jahren dort. Über die technische Entwicklung des ICE weiß er allerhand zu sagen, wird jedoch recht einsilbig, wenn er auf das Thema Eschede angesprochen wird. "Es war eine schlimme Zeit", sagt er nur. Und man habe einen derartigen Unfall nicht für möglich gehalten.

Zum 30. Jahrestag des ICE hat die Bahn neben allen Lobeshymnen auf ihr Flaggschiff auch die Zugkatastrophe erwähnt. "Die Erinnerung daran ist eine ständige Mahnung und Verpflichtung, dass Sicherheit Vorrang vor allem anderen haben muss", ließ sich Bahnchef Richard Lutz in einer Pressemitteilung zitieren. Genau dies hatten Opfervertreter lange gefordert. Erst 15 Jahre nach dem Unglück hatte sich der damalige Bahnchef Rüdiger Grube entschuldigt.

© SZ vom 30.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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