Süddeutsche Zeitung

Proteste gegen die IAA:"Sand im Getriebe" ist manchen zu wenig

Gegen die Internationale Automobilausstellung, die erstmals in München stattfindet, hat sich eine Menge Widerstand formiert. Während die meisten zu gewaltfreien Blockaden und Störaktionen aufrufen, drohen einzelne mit Eskalation und Zerstörung.

Von Martin Bernstein

Am Freitag wollen Klimaschutz-Aktivisten "Sand ins Getriebe" der Internationalen Automobilausstellung (IAA) in München bringen. Die Sprecherin des Aktionsbündnisses, Lou Winters, kündigt in einem unter anderem via Twitter verbreiteten Video an: "Wir crashen die Greenwashing-Party der deutschen Autoindustrie." Unter anderem Extinction Rebellion, das Bündnis "NoIAA", aber auch die Jugend der in München mitregierenden Grünen unterstützen nach Angaben von "Sand im Getriebe" den Aufruf zu gewaltfreien Blockaden, in dem es unter anderem heißt: "Wir werden mit unseren Körpern die Internationale Automobilausstellung stören." Ziel sei es nicht, "Infrastruktur zu zerstören oder zu beschädigen". Die Aktivisten kündigen an: "Von uns wird keine Eskalation ausgehen."

Das Konzept der IAA mit zwar eingezäunten, aber ohne Ticket betretbaren Ausstellungsflächen in der Innenstadt und einer "Blue Lane" genannten Verbindungsstrecke zum Messegelände gibt den Gegnern der Mobilitäts-Schau viele Gelegenheiten für Protestaktionen. Auch das BMW-Werk im Münchner Norden könnte Ziel der Aktivistinnen sein - das zumindest deuten sie in einem vor wenigen Tagen veröffentlichten Podcast an. Zahlreiche gesellschaftliche Gruppen schließen sich dieser Einschätzung an.

Die Messe sei ein "Symbol für Profitmaximierung auf Kosten von Mensch, Umwelt und Klima", so das Bündnis NoIAA, zu dessen Unterstützern unter anderen die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi München zählt. Die Proteste gegen die erstmals in München veranstaltete Autoschau reichen von einer Fahrrad-Sternfahrt, deren bundesweiter Zubringer am Montag in Frankfurt startet, über eine von den Naturfreunden angemeldete Großdemonstration am Samstag bis zu offen angekündigten Blockade-Aktionen.

Mit dem Aufbau eines Mobilitätswende-Camps auf der Theresienwiese haben die Umwelt-Aktivistinnen und Klimaschützer am Freitag nach langem und zähem Ringen mit dem städtischen Kreisverwaltungsreferat (KVR) begonnen. "Gegen den Bescheid vom Freitag werden wir aber klagen", kündigt ein Sprecher der Organisatoren an. Zirkuszelt und Küche für die bis zu 1500 Bewohner des Camps habe die Stadt verwehrt. Auch die Veranstalter der Fahrrad-Sternfahrt (unter ihnen der ADFC und der Bund Naturschutz) wollen klagen. Ganze Routen seien - obwohl seit acht Monaten bekannt - von der Stadt kurzfristig gestrichen worden. "Krasse Lobbyarbeit" im Sinne der Autoindustrie und "Schikane" wird der Stadt im Netz vorgeworfen.

Das KVR wehrt sich. Man müsse "bestehenden Sicherheitsbedenken (...) mit verschiedenen Beschränkungen" begegnen, heißt es in einer Mitteilung vom Freitag. "Für die Radsternfahrt wurde zum Beispiel schon im Vorfeld die Durchführung auf Autobahnen untersagt, für den Demozug zu Fuß eine alternative Route festgelegt und beim Protestcamp werden klare Festlegungen zum Infektionsschutz getroffen." Nach Aussagen der Camp-Organisatoren ging es der Stadt aber gar nicht darum. Vielmehr habe sie behauptet, die Küche diene nur der "Bequemlichkeit" der Teilnehmer und große Zelte seien angesichts des Wetters nicht nötig.

Möglicherweise will aber auch die Polizei, die die IAA mit bis zu 4500 zusätzlichen Beamten schützen wird, jederzeit sehen, was im Camp vor sich geht. "Glücklich sind wir damit nicht", räumte Einsatzleiter Michael Dibowski am Freitag am Rande einer Pressekonferenz ein. "Es wird schon dazu aufgerufen, von dort aus Störaktionen zu planen." Tatsächlich geht das Bündnis "Sand im Getriebe" sehr transparent mit diesen Planungen um. Am Donnerstag werde es im Camp "mehrere Aktionstrainings für unterschiedlichen Erfahrungslevel geben", heißt es auf der Webseite.

Am selben Tag wird Lisa Poettinger, eine der Sprecherinnen von NoIAA beim alternativen Kongress "KontraIAA" im Feierwerk einen Workshop halten über die "Notwendigkeit zivilen Ungehorsams". Diese Notwendigkeit sieht die Münchner Polizei naturgemäß nicht - im Gegenteil. Auch Blockaden seien Straftaten, gegen die man "konsequent einschreiten" werde. Man werde dabei auch auf Erfahrungen von der IAA 2019 zurückgreifen: "Wir stehen in engem Austausch mit den Kollegen in Frankfurt und haben deren Erfahrungen auch schon abgefragt", sagt Polizeivize Dibowski. Im Einsatz werden auch "Super-Recognizer" sein, Polizisten also, die ein enorm gutes Gedächtnis für Gesichter haben.

Es könnte freilich sein, dass gewaltfreie Blockaden noch das geringere Problem sind. Der friedliche "Aktionskonsens" der IAA-Gegner ist von gewaltbereiten Linksextremisten bereits öffentlich aufgekündigt und verhöhnt worden. Man werde "für Eskalation sorgen", verkündet etwa eine anonyme Gruppe auf der Plattform indymedia. Das Ziel sei ja gerade "die Zerstörung von Infrastruktur" - und davon werde man sich weder von der Polizei noch von "Sand im Getriebe" abhalten lassen.

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SZ vom 06.09.2021/infu
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