IAA-Gegner auf der Theresienwiese:Protestcamp mit Einbahnstraßen

IAA-Gegner auf der Theresienwiese: Die Aktivistinnen und Aktivisten haben sich viel vorgenommen: In dem Camp auf der Theresienwiese soll es Vorträge geben und Podiumsdiskussionen, Filmvorführungen, Workshops und mehr.

Die Aktivistinnen und Aktivisten haben sich viel vorgenommen: In dem Camp auf der Theresienwiese soll es Vorträge geben und Podiumsdiskussionen, Filmvorführungen, Workshops und mehr.

(Foto: Robert Haas)

Nach langen Auseinandersetzungen mit Behörden richten sich die IAA-Gegner auf der Theresienwiese ein. Bis die Zelte stehen und die Köche loslegen können, dauert es länger als geplant - die Organisatoren fühlen sich durch die Auflagen schikaniert.

Von Jakob Wetzel

"Ich will vor allem endlich mal kochen", sagt Felix Siegl. Es ist Dienstagvormittag, der Klima-Aktivist von der "Soli-Küche" aus Augsburg steht in einem Zelt am Südrand der Münchner Theresienwiese. Von den weißen Wänden hängen Kellen und Reiben, von der Decke eine Musikbox. In der Mitte haben sie Biertische zusammengeschoben. Auf diesen verteilt Siegl gerade Gaskocher, "für die Woks", sagt er. Davor sollen später gigantische Töpfe stehen, jeder groß wie ein Kinder-Planschbecken.

Bis Sonntag wollen Aktivistinnen und Aktivisten hier für bis zu 1500 Menschen vegan kochen. Für Dienstag standen Knödel mit Kräuterbutter und Tomatensoße auf dem Speiseplan, für Mittwoch mittags Aufstriche, abends veganes Gulasch. Doch zuvor muss Siegl noch einmal nach draußen: Er soll anpacken. Ein Zelt muss versetzt werden. Eigentlich müssen sogar fast alle umgesetzt werden. Die Auflagen.

Am Dienstag haben Aktivistinnen und Aktivisten auf der Theresienwiese ihr Protestcamp gegen die "IAA Mobility" eröffnet. Sie haben sich viel vorgenommen: Es soll Vorträge geben und Podiumsdiskussionen, Filmvorführungen, Workshops und mehr. Sie wollen auch nicht nur über klimafreundliche Alternativen zum Auto sprechen, egal mit welchem Antrieb.

Auf dem Programm stehen auch Vorträge zu fairem Handel, zu Antirassismus und etwa zur Unterdrückung indigener Menschen in früheren Kolonien. Eine Theater-Jurte ist ebenfalls aufgebaut. Doch am Dienstag, als in der Messestadt Riem die "IAA Mobility" eröffnet, ist die Gegenveranstaltung auf der Theresienwiese in großen Teilen noch eine Baustelle. Schuld daran, heißt es im Camp, seien auch die Behörden.

Ärger mit diesen hatte es schon im Vorfeld gegeben. Lange war unklar, ob das Protestcamp überhaupt auf der Theresienwiese stattfinden darf. Anfang September klagten die Organisatoren dann, sie hätten zwar eine Zusage erhalten, aber keinen Auflagenbescheid, sie hätten also keine Planungssicherheit. Die Stadt erklärte hingegen, die Veranstalter hätten "die Parameter der Versammlung immer wieder geändert". Kurz vor dem Beginn kam dann der Bescheid: Und das Kreisverwaltungsreferat untersagte den Organisatoren unter anderem, Zirkuszelte für das Programm aufzustellen. Dass sie auf der Theresienwiese nun überhaupt in größerem Umfang kochen dürfen, mussten sich die Aktivisten erst vor Gericht erstreiten.

Die Küche sei ein wesentlicher Teil des Protests, sagt Vanessa Probst, eine der Organisatorinnen. Sie führt übers Gelände. Es gehe ja nicht nur um den Verkehr, sagt sie, sondern um den Klimaschutz und darum, zu zeigen, dass sich Menschen ernähren können, ohne die Natur und andere Menschen auszubeuten. Außerdem sei das Essen kostenlos, werde auf Spendenbasis ausgegeben, damit es für alle da sei.

Das Protest-Camp ist in vier Bereiche gegliedert. In einem haben sie die Küche aufgebaut, dazu Biergartentische und Zelte mit Vorräten, aus einem davon duftet es nach Brot. In einem anderen Bereich stehen Zelte und Jurten für Veranstaltungen. In einem dritten Teil haben sie Sitzgruppen eingerichtet, dort liegt das Material zum Aufbauen und Organisieren. In einem vierten Teil können die Teilnehmer zelten, auf zugewiesenen Parzellen, wegen Corona. Dort stehen auch Toilettenhäuschen und Waschbecken. Sie sind über ein Einbahnstraßensystem zu benutzen.

Es sind nicht die Corona-Auflagen, von denen sich die Organisatoren gegängelt fühlen. Sondern vor allem davon, dass das Camp aus Sicherheitsgründen so transparent wie möglich sein soll. "Eine uneingeschränkte Durchsicht von außen in das Protestcamp muss möglich sein", heißt es dazu von der Stadt. "Bis auf die Übernachtungszelte sind die Zelte und Pavillons nach allen Seiten offen zu halten." Doch das gehe gar nicht, heißt es von den Aktivisten, schon aus Hygienegründen. Sie müssten Lebensmittel lagern. Viele Zelte ließen sich zudem baulich nicht nach allen Seiten öffnen.

Also müssten die Zelte nun so gestellt werden, dass die Polizei vom Außenzaun aus überall hineinsehen kann. Die Aktivisten müssen die Zelte ausräumen, hochheben, drehen und neu verankern, und das zieht sich. "Wir wollen hier die Leute verpflegen, aber es wird so getan, als würden wir sonst was für ein Süppchen kochen", ärgert sich eine der Helferinnen, während sie zum nächsten Zelt eilt. "Die wollen uns beschäftigen, damit wir keine Zeit haben, um was anderes zu machen", sagt ein anderer. "Zum Beispiel kochen."

Draußen vor dem Zaun kontrollieren derweil Polizisten eine kleine Gruppe, die ins Camp will. Und im Theaterzelt spricht eine Aktivistin von Schikanen. Sie möchte, nicht namentlich genannt werden, wie viele andere in diesem Camp. Sie sei gekommen, um sich mit Theater-Aktivisten anderer Gruppen zu vernetzen, sagt sie. Sie wollten gemeinsam proben und ein Stück aufführen, darin wird der Gilgamesch-Epos mit der Besetzung des Dannenröder Forstes verquickt, die Aufführung sei am Mittwoch um 19.30 Uhr, wohl draußen vor dem Camp. "Man kommt hier in ein Klimacamp und versucht sich für etwas Richtiges einzusetzen", sagt sie. "Aber hier bekommt man das Gefühl, was ich tue, ist falsch." Sie fühle sich kriminalisiert. In der vergangenen Nacht sei sogar ein Polizei-Helikopter über dem Gelände geflogen, wohl mit einer Wärmebild-Kamera, um die Leute im Camp zu zählen. Die Polizei dementiert das.

Ein Polizist, erzählen mehrere Organisatoren, habe noch dazu bei der Camp-Begehung eine Aktivistin sexistisch angeredet: Ob die Spüle gut einsehbar sei, habe diese gefragt. Der Beamte habe geantwortet: Wenn sie ein schönes Dirndl trage, dann schon. Die Polizei entschuldigte sich später und erklärte, der betreffende Beamte sei nicht mehr am Camp im Einsatz.

Als ab 14 Uhr die ersten Besucher kommen, ist das Camp noch immer im Umbau. Fertig ist nur der Stand des Bündnisses "Smash IAA"; unter einer gelben Fahne liegen dort Aufkleber und Handzettel aus mit Schriftzügen wie "Autokonzerne entmachten und enteignen" und "Klima retten, Kapitalismus stürzen". Nebenan bauen die ersten Besucher ihre Zelte zum Schlafen auf. Und Felix Siegl ist noch immer nicht beim Kochen. Er lasse sich nicht unterkriegen, hatte er zuvor gesagt; die Auflagen seien zwar ein Dämpfer, aber dafür sei er nun um so motivierter. "Mach mal die Musik an!", ruft er jetzt. Und hebt mit neun anderen ein weiteres Zelt an einen neuen Platz.

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