Was nach einem Erfolg der Polizei aussah, verwandelte sich vor Gericht in eine Niederlage. Das Präsidium ist mit seiner Strategie, Anti-IAA-Aktivisten in Präventivhaft zu nehmen, juristisch gescheitert. Mehrere Tage, bis zum Ende der Automesse, sollten zahlreiche Aktivisten nach den Brückenblockaden am ersten Messetag in Gewahrsam bleiben, um weitere solcher Aktionen zu verhindern. Sie hatten sich an mehreren Autobahnbrücken angeseilt und hingen über der Fahrbahn, weshalb die Polizei Autobahnen sperrte. Einige Aktivisten wurden zunächst auch inhaftiert, vor zwei Gerichten ist die Polizei später aber unterlegen, mal in erster, mal in zweiter Instanz.
Deutliche Worte findet das Landgericht Landshut zur Aktion, ebenso wie zur polizeilichen Reaktion. Einerseits, so die Richter, sei die Aktion wahrscheinlich strafbar. Außerdem rechtfertige auch das Eintreten für Klimaschutz nicht eine solche sehr gefährliche Aktion: Es hätten schwere Unfälle auf der Autobahn passieren können, durch Ablenkung von Autofahrern an der Brücke oder am Stauende.
Obwohl sich die Aktivisten also sehr wahrscheinlich strafbar gemacht hätten, hätte das Amtsgericht Erding, auf Antrag der Polizei, keine Präventivhaft verhängen dürfen. Es sei schließlich nicht zu erwarten gewesen, dass diese IAA-Gegner nach Eingreifen der Polizei eine weitere Straftat oder Ordnungswidrigkeit "von erheblicher Gefahr für die Allgemeinheit" begehen würden, was laut Polizeiaufgabengesetz Voraussetzung für den Sicherheitsgewahrsam ist. Die Aktivisten hatten ihr Ziel ja bereits erreicht, die Autobahn war blockiert. Unwahrscheinlich, dass sie es gleich nochmals tun, so die Richter, schließlich wollten sie ja um Unterstützung beim Klimaschutz werben. Eine weitere Aktion aber "hätte wohl kaum die gleiche mediale Durchschlagskraft", und die Bevölkerung wenig Verständnis gehabt.
Zwei Richter am Münchner Amtsgericht wiesen bereits in erster Instanz den Antrag der Polizei auf Sicherheitsgewahrsam ab. Ein Richter wertete die Aktion auf der Schatzbogen-Brücke über der A 94 als Versammlung, selbst ohne formale Anmeldung. Weil die Polizei diese Versammlung nicht aufgelöst habe, habe während des Einsatzes das Versammlungsrecht gegolten. Und damit sei eine Gewahrsamnahme rechtswidrig. Auch eine Richterin entschied zugunsten der IAA-Gegner: Um Präventivgewahrsam zu verhängen, müsse "die Begehung einer Straftat unmittelbar" bevorstehen. Das aber sei nicht zu erwarten: "Die ,Abseilaktion' an der Autobahn ist beendet." Für "weitere konkrete Taten" gebe es keine Anhaltspunkte, eine "allgemeine Möglichkeit weiterer Aktionen" sei für eine Gewahrsamnahme nicht ausreichend. Die Aktivisten wurden von Anwälten eines Notdienstes vertreten. Die Polizei äußerte sich auf SZ-Anfrage zunächst nicht zu den Richtersprüchen.
Während das juristische Ringen um die Präventivhaft wohl beendet ist, steht das um die Gewahrsamnahme von vier Journalisten am Anfang: Sie reichten Klage beim Verwaltungsgericht ein, weil sie auf dem IAA-Gelände kontrolliert, in Gewahrsam genommen und durchsucht worden seien - obwohl sie akkreditiert gewesen seien und ihre Journalistenausweise vorgezeigt hätten. "Diese gravierende Einschränkung der Pressefreiheit ist inakzeptabel", sagt Monique Hofmann von der Journalistengewerkschaft dju. Es sei nicht in Ordnung, dass die Polizei "akkreditierte Journalisten mit Presseausweis wie Schwerverbrecher behandelt". Die Polizei hatte zu dem Vorfall getwittert: "Grundsätzlich schließt das Vorzeigen eines Presseausweises eine ganzheitliche polizeiliche Kontrolle nicht aus."