Protest gegen IAA:Brückenkletterer zu geringer Geldstrafe verurteilt

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Im September 2021 sperrte die Polizei die Autobahn nach Lindau bei Germering, weil sich drei Aktivisten an einer Schilderbrücke festgebunden hatten. (Foto: Robert Haas)

Wegen der Blockade der A96 zu Beginn der Automesse IAA im Jahr 2021 spricht das Amtsgericht Fürstenfeldbruck drei Klimaaktivisten der Nötigung schuldig. Nicht in 1296 Fällen, wie von der Anklage gefordert, sondern nur in einem Fall.

Von Bernd Kastner

Das Amtsgericht Fürstenfeldbruck hat drei Klimaaktivisten wegen Nötigung zu einer geringen Geldstrafe verurteilt. Zwei von ihnen hatten sich 2021 zu Beginn der Automobilmesse IAA an ein Brückengeländer über der Autobahn 96 gebunden und so eine Sperrung verursacht. Das Gericht schloss sich nicht dem Vorwurf der Staatsanwaltschaft an, die 1296 Fälle der Nötigung angeklagt hatte, weil so viele Menschen im Stau gestanden seien. Richter Martin Ramsauer wollte sich auf keine Berechnung der Zahl Betroffener einlassen. Er gehe aber davon aus, dass sich zumindest eine Person genötigt gefühlt habe und verhängte jeweils 30 Tagessätze zu 20 bis 30 Euro.

Das unterscheidet sich deutlich vom Strafmaß, das die Ankläger in den Raum gestellt hatten. Die Staatsanwaltschaft München II wollte vor dem Schöffengericht verhandeln lassen. Dieses ist zuständig, wenn ein Strafrahmen von zwei bis vier Jahren Haft zu erwarten ist. Die Anklagebehörde bezeichnete dieses Vorgehen als "Akt der Generalprävention". Ramsauer entschied, dass er als Einzelrichter zuständig sei.

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Was geschehen ist, räumten die Angeklagten von Anfang an ein. Am 7. September 2021 banden sich Mirjam Herrmann und Kim Schulz, beide 25, ans Geländer einer Eisenbahnbrücke über die A96 bei Germering. Susanne Egli, 40, machte Fotos und postete sie. Sie wollten möglichst große Aufmerksamkeit erreichen für den Protest gegen die IAA und für Klimaschutz. Bundesweit berichteten die Medien. Etwa zwei Stunden hingen die Aktivisten am Geländer. Die Polizei sperrte die A96 Richtung München.

Die Angeklagten hätten die Polizei bewusst als "Werkzeug" genutzt

Der Stau von mehreren Kilometern war die Basis für die Anklage auf Nötigung in 1296 Fällen. So viele Insassen errechnete ein Mitarbeiter der Autobahndirektion Südbayern. Er war als Zeuge geladen, erschien aber nicht. Die Angeklagten, so der Staatsanwalt, hätten die Polizei bewusst als "Werkzeug" genutzt, um die Autobahnsperrung zu erreichen. So eine Aktion aber stehe in keinem angemessenen Verhältnis zum Protest gegen die IAA: Wenn man jede Veranstaltung, die einem nicht passe, blockieren wolle, gäbe es viele Straßensperren. Und um das berechtigte "Fernziel" Klimaschutz zu erreichen, sei eine Blockade der IAA auch nicht angemessen.

Die Verteidiger Alexander Rossner, Johannes Hehnen und Klaus Schulz betonten, dass die Angeklagten nicht direkt auf die Autofahrer eingewirkt hätten. Es sei die Polizei gewesen, die sich zur Sperrung entschlossen habe. Die Aktion sei eine Versammlung gewesen, diese aber sei nie wirksam aufgelöst worden. Und überhaupt, aufgrund der zu erwartenden Klimakatastrophe sei es verhältnismäßig, mit einer solchen Aktion auf die Politik einzuwirken: Hier eine überschaubare Zahl von Autofahrern im Stau, dort die Gefahr für das Leben unzähliger Menschen.

In teils emotionalen Statements machten die Angeklagten klar, dass sie sich nicht aus Lust und Laune an eine Autobahnbrücke gebunden und ihnen vier Tage in Präventivhaft keinen Spaß gemacht hätten. In der Vergangenheit seien sie viele der üblichen politischen Wege gegangen, Demos, Petitionen, Parteieintritt. Die Erfahrung aber zeige, dass eine wirksame Klimapolitik so nicht zu erreichen sei. Deshalb der Weg des zivilen Ungehorsams.

Richter Ramsauer begründete sein Urteil damit, dass die Angeklagten "Gewalt im Sinne der Rechtsprechung" ausgeübt hätten. Die Polizei habe keine andere Wahl gehabt, als zu sperren. Mit ihrer Aktion hätten die Angeklagten viele "Mitbürger" in den Stau gezwungen, diese "Instrumentalisierung" sei "verwerfliches Handeln". Einen rechtfertigenden Notstand erkennt er nicht, schließlich funktioniere die Demokratie in Deutschland, also müssten die üblichen Wege beschritten werden. Zwar erkannte der Richter den großen Ernst der Klimakrise an. Doch würde man Selbsthilfe wie bei der Anti-IAA-Aktion billigen, würden sich andere Menschen mit anderen Zielen auch darauf berufen. Dann wäre der soziale Frieden gefährdet.

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