Streit um IAA-Demo:Radfahrer drängen auf die Überholspur

Fahrrad-Demo auf der Autobahn 49

Auf – gesperrten – Autobahnen lässt sich besonders gut erleben, wie schön Radfahren sein kann, finden die Organisatoren der Sternfahrt. Das Bild zeigt eine Fahrraddemo in Gudensberg/Hessen aus dem März 2020.

(Foto: dpa)

Zu einer großen Protestaktion gegen die IAA werden am letzten Ferienwochenende mehr als 10 000 Radler zu einer Sternfahrt erwartet. Darf die Route auch über Autobahnen führen? Darüber muss nun ein Gericht entscheiden.

Von Andreas Schubert

Es soll eine beeindruckende Demonstration für die Verkehrswende werden. Das könnte es auch - wenn so viele Teilnehmer kommen, wie die Veranstalter der geplanten Fahrrad-Sternfahrt am 11. September zur Münchner Theresienwiese sich das vorstellen. 15 000 Radler wollen verschiedene Organisationen für einen Protest gegen die Messe IAA Mobility mobilisieren, mehr als 40 000 Demonstranten sollen es insgesamt werden, je nachdem wie das Wetter und die Corona-Lage es erlauben. Zur Demo gehören auch Fahrten auf Autobahnen. Doch das Kreisverwaltungsreferat hat diese Routen über die Autobahnen nun untersagt - was die Organisatoren der Demo nicht hinnehmen wollen. Sie sammeln bereits Spenden, um eine Klage zu finanzieren.

Zehn Organisationen bilden den Trägerkreis der Anti-IAA-Demo. Dazu gehören beispielsweise der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club ADFC, Greenpeace, der Bund Naturschutz, der Verkehrsclub Deutschland (VCD) und die Deutsche Umwelthilfe. Unter dem Motto "#aussteigen Mobilitätswende jetzt!" fordern sie unter anderem den sofortigen Stopp von Planungen und Bau von Autobahnen und Bundesstraßen, die Halbierung des Autoverkehrs und einen klimaneutralen Verkehr bis 2035 sowie eine generelle Höchstgeschwindigkeit von 120 Kilometern pro Stunde auf Autobahnen, 80 außerorts und eine Regelgeschwindigkeit von 30 Stundenkilometren innerorts.

Dazu sollen Demozüge auf insgesamt 16 Routen aus der Region Richtung München radeln. Davon sollen zwei Strecken sowohl auf der Autobahn A 94 ab Riem als auch auf der A 96 ab Freiham verlaufen. Das wären einmal rund sieben, einmal knapp neun Kilometer. Auf den ursprünglichen Plan, auf den Autobahnen A 8 und A 9 ebenfalls zu radeln, haben die Veranstalter wieder verzichtet. Doch auch die beiden verbliebenen Routen wollen weder die Polizei, noch die Autobahn GmbH, noch das Münchner Kreisverwaltungsreferat zulassen.

Laut Polizeipräsidium München fuhren im Jahr 2019 in beiden Richtungen durchschnittlich 105 039 Fahrzeuge auf der A 96 bei Gräfelfing pro Tag. Auf der A 94 am Autobahnkreuz München-Ost waren es 64 643. Die A 96 ist laut Polizei neben A8, A 9 und A 99 eine wesentliche Süd-Nord-Tangente für Urlaubsreisende und insbesondere den bayerischen Ferienrückreiseverkehr. Zudem erwarten die IAA-Veranstalter am Tag der Demo das höchste Besucheraufkommen, heißt es in einer Stellungnahme. Daher sei mit einem "deutlich über diesen Durchschnittszahlen liegenden Verkehrsaufkommen" zu rechnen. Abgesehen davon, dass nach Einschätzung der Behörden auch der Verkehr auf Ausweichstrecken zum Erliegen käme, müssten die Gegenfahrbahnen gesperrt oder zumindest starke Geschwindigkeitsreduzierung verhängt werden.

"Trotz baulicher Trennung ist mit einer starken Ablenkung des Gegenverkehrs zu rechnen", teilt die Polizei mit, die deshalb vor Unfällen warnt. Ein Verkehrsunfall mit Durchbruch oder Überflug der Mittelleitplanke hätte fatale Folgen für die Versammlung, zudem sei bei jeder Sperrung mit erheblichen Gefahren für Verkehrsteilnehmer an Stau-Enden zu rechnen. 2019 hätten sich an A8, A9, A 94 und A 96 an Stau-Enden 46 Unfälle mit Personenschaden (ein Mensch starb) ereignet, vergangenes Jahr 23 und dieses Jahr bis Mai fünf.

Auch die Autobahn GmbH des Bundes verweist auf all diese Gefahren und erklärt: Autobahnen seien "nur für den Schnellverkehr mit Kraftfahrzeugen bestimmt" und dienten "zur Aufnahme des weiträumigen Verkehrs". Das Interesse an der ungehinderten Nutzung einer Bundesfernstraße habe je nach Lage im Einzelfall hinter die Belange der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs zurückzutreten.

Das Kreisverwaltungsreferat teilt mit, dass die Radlerdemo zwar die Verkehrswende zum Inhalt habe, bis auf die Forderung eines Tempolimits auf Autobahnen geht es den Initiatoren aber "nicht zuvorderst um Autobahnen, sondern um eine generelle Verkehrswende und den Protest gegen die IAA". Ein konkreter Bezug zu den betroffenen Autobahnen sei nicht ersichtlich. Die mediale Aufmerksamkeit und die der Bevölkerung bekomme die Demo ohnehin - und auf den innerörtlichen Straßen und Bundesstraßen werde die Kundgebung sogar besser wahrgenommen.

Andreas Schön, Vorsitzender des Münchner ADFC, der formell als Anmelder der Demonstration auftritt, sieht das anders. Der Sachbezug zu den Autobahnen sei durchaus gegeben, sagt er. Und die von der Polizei genannten Verkehrszahlen seien nicht zutreffend, da auf der A 94 und A 96 vor allem wochentags zwar viel los sei, aber nicht an den Wochenenden. "Es sind 50 Prozent weniger als zu den Verkehrsspitzen unter der Woche", sagt Schön. Das Verbot kann er nicht nachvollziehen, da seiner Einschätzung nach die Sperrung etwa nur eineinhalb Stunden dauern würde. Das aus seiner Sicht "fadenscheinig begründete Verbot" verdeutliche einmal mehr, dass die Behörden dem Autoverkehr einen viel zu hohen Stellenwert einräumen, so Schön. "Wie gut Verkehrsinfrastruktur sein kann, wird für Radfahrende gerade bei einer Fahrt auf der komfortablen und breiten Autobahn erlebbar. Den Gegensatz zu unseren holprigen und schmalen Radwegen spürt man dort besonders deutlich. Das zeigt die unterschiedliche politische Wertschätzung der Verkehrsarten", sagt Schön. Die Klage am Verwaltungsgericht München wird derzeit vorbereitet.

In der Vergangenheit haben Befürworter der Verkehrswende immer wieder versucht, auf Autobahnen zu demonstrieren. Manche Demos scheiterten vor Gericht, auch in zweiter Instanz. Dass es aber auch klappen kann, zeigen Beispiele aus Berlin und auch die Raddemo bei der IAA 2019 in Frankfurt am Main, für die Abschnitte der A 661 und A 648 gesperrt wurden.

Zur SZ-Startseite
Flughafen München

SZ PlusFlugreisen
:"Die Leute wollen wieder fliegen"

Münchens Flughafenchef Jost Lammers und Lufthansa-Vorstand Stefan Kreuzpaintner über Corona, Kurzarbeit und die neue Debatte um Kurzstreckenflüge und Klimaschutz.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: