Süddeutsche Zeitung

Internationaler Korruptionsskandal:Die Autos des Herrn al-Qubaisi

Lesezeit: 3 min

Von Benedict Witzenberger, München

Von außen könnte die Firma auch ein ganz normales, unscheinbares Autohaus in einem Münchner Vorort sein: direkt an einer Ausfallstraße gelegen, mit großen Schaufenstern, die einen Blick auf die Ware zulassen. Doch im Inneren lagern keine VW-, Ford- oder BMW-Modelle. Sondern Autos wie ein Bugatti Veyron, ein Pagani Zonda, ein Koenigsegg oder ein Mercedes-Benz Stirling Moss. Bei diesen Namen bekommen viele Autofans große Augen. Denn sie stehen für sogenannte Super- oder Hypercars. Hochmotorisierte, schnelle, schöne Sportwagen, in den meisten Fällen deutlich mehr als eine Million Euro wert - und damit einer sehr exklusiven Klientel vorbehalten. Selbst für München und Umgebung sind diese Autos nichts Alltägliches.

Nun sollen gleich mehrere dieser Autos eine Rolle in einem der größten Korruptionsskandale der Geschichte spielen. Denn nach Informationen des Schweizer Medienhauses Tamedia und der Süddeutschen Zeitung stehen in dem Autohaus mehrere Supercars, die als Rechtshilfe für die Schweizer Bundesanwaltschaft beschlagnahmt wurden. Der Eigentümer soll Khadem al-Qubaisi sein. Der Mann aus den Vereinigten Arabischen Emiraten soll in die Plünderung des malaysischen Staatsfonds "1Malaysia Development Berhad" (1MDB) verwickelt sein, die 2015 aufgeflogen ist.

Der Staatsfonds 1MDB war vor zehn Jahren ins Leben gerufen worden, um ausländische Investitionen in den Bereichen Tourismus, Energie, Immobilien und Agrarwirtschaft in Malaysia zu fördern. Inzwischen ist das Image des Fonds aber ruiniert, wegen Fehlinvestitionen und zahlreicher Korruptionsvorwürfe. Im Raum steht eine Summe von mindestens sechs Milliarden US-Dollar, die Geschäftsmänner aus dem staatlichen Fonds in den Jahren zwischen 2009 und 2014 abgezweigt und auf der ganzen Welt in Immobilien und andere Wertobjekte angelegt haben sollen. Auch der frühere malaysische Premierminister Najib Razak soll darin verwickelt sein. Ihm wird vorgeworfen, dass mehr als 700 Millionen Dollar auf seinen Konten in den USA gelandet sein sollen. 2018 war seine Regierung unter anderem wegen des 1MDB-Skandals abgewählt worden. Seit Anfang April steht er vor Gericht. Er bestreitet die Vorwürfe.

Nach einem Bericht des Wall Street Journal könnte auch die Deutsche Bank in den Skandal verwickelt sein. Laut der Zeitung untersucht das US-Justizministerium aktuell, ob die Bank gegen Korruptions- oder Geldwäschegesetze verstoßen hat. Die Bank selbst sieht sich in einer Stellungnahme als Opfer von 1MDB, Sachverhalte seien wesentlich falsch dargestellt und verschwiegen worden.

Was hat das alles mit München zu tun? Dem Luxusautobesitzer al-Qubaisi wird vom Schweizer Bundesanwalt unter anderem Betrug, Korruption und Geldwäsche vorgeworfen. Er soll etwa dafür verantwortlich sein, dass 1,37 Milliarden US-Dollar von 1MDB-Konten über Tarnfirmen auf einem Schweizer Bankkonto gelandet sind, obwohl sie eigentlich in die Vereinigten Arabischen Emirate gehen sollten. Ein Teil dieses Geldes soll auf ein Konto von al-Qubaisi in Luxemburg überwiesen worden sein - und floss von dort wohl teilweise weiter nach München, wo es in die Luxusautos investiert wurde.

Zumindest in der Schweiz gibt es Belege, dass al-Qubaisi diese Autos tatsächlich nutzte. Ob einige der Fahrzeuge allerdings auch als Investment oder zur Geldwäsche genutzt wurden, ist unklar. Das Zivilgericht in Genf hat 61 Autos von al-Qubaisi zur Beschlagnahmung ausgeschrieben.

Das Gericht hat erlaubt, bei al-Qubaisi Wertgegenstände in Höhe von insgesamt fast 150 Millionen Euro zu beschlagnahmen. Doch das könnte nur einen Teil des mutmaßlich veruntreuten Geldes abdecken. Im Rahmen einer Zivilklage in den USA wurde al-Qubaisi vorgeworfen, mindestens 472 Millionen US-Dollar unterschlagen zu haben. Dafür soll er unter anderem ein Penthouse in New York und zwei Villen in Beverly Hills für jeweils zweistellige Millionenbeträge gekauft haben.

Seit 2016 sitzt er im Gefängnis Al Wathba in Abu Dhabi und wurde dort im Juni einem Bericht des Wall Street Journal zufolge zu 15 Jahren Haft verurteilt. Die Behörden in Abu Dhabi wollten sich auf Anfrage nicht äußern. Dem Bericht zufolge ging es dabei um Investitionen des emiratischen Staatsfonds IPIC in die italienische Bank Unicredit, von denen al-Qubaisi profitiert haben soll, und nicht um die 1MDB Transaktionen. Den Journalisten aus den USA sagte er Anfang des Jahres in einem Telefongespräch aus dem Gefängnis, er solle als "Sündenbock" für die Regierung in Abu Dhabi herhalten. Seine Handlungen seien mit den Behörden der Emirate abgesprochen gewesen.

Währenddessen ermitteln die Behörden in Europa weiter. Al-Qubaisis Konten in der Schweiz und in Luxemburg wurden eingefroren, in Frankreich wurden Grundstücke in Paris, Saint-Tropez und an der Côte d'Azur beschlagnahmt. In Großbritannien, Australien, Hongkong und Singapur laufen weitere Verfahren. Laut SZ-Informationen konnten die Schweizer Behörden bislang nur elf Fahrzeuge in der Schweiz beschlagnahmen - die restlichen Autos sollen sich im Ausland befinden. Die Schweizer Bundesanwaltschaft bestätigte, dass sie in Deutschland ein Rechtshilfeverfahren in der Sache angestoßen habe. Die Staatsanwaltschaft München I bestätigte, dass dieses Verfahren in München läuft. Das Autohaus wollte sich auch auf mehrmalige Anfragen nicht äußern.

In Malaysia wird der 1MDB-Skandal derweil weiter aufgearbeitet. Mitte August klagte die Staatsanwaltschaft dort 17 aktuelle und ehemalige Manager der Bank Goldman Sachs an, die in den Skandal verwickelt sein sollen. Ihnen drohen ebenfalls hohe Geld- und Haftstrafen.

Mitarbeit: Sylvain Besson, Oliver Zihlmann und Patrick Vögeli

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Quelle:
SZ vom 21.08.2019
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