Projekt in Giesing:Menschen mit Autismus sollen Hunde betreuen

Tierlernstatt der Arbeiterwohlfahrt/Anderwerk, Schwanseestraße 16. In dem Beschäftigungsprojekt  werden künftig Autisten unter Anleitung von Hundetrainern und Sozialpädagogen  eine Hundetagesbetreuung bieten.

Die Sozialpädagogin Alexandra Benz wird den Menschen mit Autismus bei der Betreuung der Tiere zur Seite stehen.

(Foto: Florian Peljak)
  • In Giesing entsteht eine "Huta", eine Tagesstätte für Hunde der Arbeiterwohlfahrt.
  • Dort sollen zwölf Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung enstehen, die Sozialhilfe beziehen und nur wenig Chancen auf Arbeit haben.
  • Betreuen sollen die Hunde Menschen mit einer Autismus-Diagnose, die weniger als 15 Stunden pro Woche arbeiten können.

Von Sven Loerzer

Benny hat die Ruhe weg. Der kräftige Athlet lässt sich von der quirligen Romy nicht den Kopf verdrehen. Mit stoischer Gelassenheit wendet sich der acht Jahre alte Riesenschnauzer ab, während die elf Monate alte Labrador-Hündin Aufmerksamkeit heischend herumspringt. Gut, dass Semmi nicht auch noch mit von der Partie ist, obwohl der kleine, weiße Jack-Russel-Spitz-Mischling sicher einen schönen Kontrast zu den beiden schwarzen Hunden abgegeben hätte: Sein Name leitet sich von Rennsemmel ab.

So verschieden die drei Hunde sind, sie haben doch eines gemeinsam: Ihre Menschen arbeiten alle für dasselbe Projekt - eine Huta. Huta? Wem dabei Kita in den Sinn kommt, der ist auf dem richtigen Weg: Es geht aber um eine Hundetagesstätte. Die Arbeiterwohlfahrt, schon lange aktiv in der Kindertagesbetreuung, ist nun auch auf den Hund gekommen. Tagesbetreuungen für Vierbeiner gibt es zwar auch schon, aber die Tierlernstatt will weit mehr bieten: zwölf Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung, die Sozialhilfe beziehen und nur wenig Chancen auf Arbeit haben.

In dem vom Bezirk Oberbayern unterstützten Modellprojekt sollen volljährige Bewerber mit einer Autismus-Diagnose, die weniger als 15 Stunden pro Woche arbeiten können, die Chance erhalten, sich zu stabilisieren und zu qualifizieren. Die Teilnahme an dem Projekt ist freiwillig, einige Plätze sind noch frei. Wegen der eingeschränkten Arbeitsfähigkeit werden wohl doppelt so viele Menschen dort tätig sein können, wie Jobs für die Zielgruppe angeboten werden.

Entwickelt hat die Idee Uwe Schürch, Abteilungsleiter Werkstätten bei Anderwerk, einem Tochterunternehmen der Arbeiterwohlfahrt. Im Kontakt mit dem Integrationszentrum für Menschen mit Autismus (Maut) und dem Autismus Kompetenzzentrum (Autkom) suchte er nach Beschäftigungsmöglichkeiten, die eine Perspektive zur Qualifikation bieten. "Viele Menschen mit Autismus würden gerne in der Tierpflege arbeiten."

Und da der erfahrene Hundehalter - sein Benny ist als Lawinensuchhund ausgebildet - selbst schon vor dem Problem stand, eine Hundetagesbetreuung zu finden, reifte der Gedanke, daraus ein Modellprojekt zu machen, das Sozialhilfebeziehern mit Autismus einen Zuverdienst bieten soll. "Wir möchten die therapeutischen Erfolgsfaktoren in der Arbeit von Menschen mit Autismus und Tieren nutzen, um eben diesen Menschen Erfolgsaussichten in den Bereichen Beschäftigung und Ausbildung zu ermöglichen", erklärt Schürch.

Die Hunde bekommen jeweils "ihren" Menschen

Die Räume für das Projekt fand Schürch im ehemaligen Pflegezentrum der Arbeiterwohlfahrt an der Schwanseestraße. Dort gibt es einen Speisesaal, der auf einer Seite über große Fensterflächen verfügt, sodass es genügend Tageslicht gibt. Der Boden ist schon hergerichtet, die Wände gestrichen, jetzt müssen noch die Boxen eingebaut werden, in denen von November an bis zu 15 Hunde Platz finden sollen. In zwei bis drei Gruppen mit jeweils drei bis fünf Hunden werden sie betreut. Die Hunde bleiben nicht sich selbst überlassen, sondern bekommen jeweils "ihren" Menschen: "Wir müssen beide richtig zusammenbringen."

Draußen stehen rund 1000 Quadratmeter Freifläche zum Spielen zur Verfügung, obendrein werden die Hunde in kleinen Rudeln zum Spaziergang ausgeführt. Aber es wird auch Raum für den Rückzug geben, damit sich die Beschäftigten auch einmal abschotten können. Und an Streicheleinheiten soll es natürlich keinem Hund fehlen. Alle Hunde sind willkommen, sofern sie sich mit anderen Hunden vertragen. Das lässt sich bei einem Schnuppertermin klären.

Die Sozialpädagogin und Halterin von Romy, Alexandra Benz, wird den Menschen mit Autismus zur Seite stehen, dazu noch eine Heilpädagogin - auch sie hat selbst einen Hund. Als Fachfrau für die Hunde steigt die Biologin Katharina Graunke mit ein, die mit ihrem Schwerpunkt Verhaltensbiologie promoviert hat. Sie hat viel Erfahrung als selbständige Hundeverhaltenstrainerin gesammelt, Semmi ist ihre Hündin. Und sie wird darauf achten, dass die Hunde nicht nur genügend Spiel und Bewegung bekommen, sondern dass auch ihrem Schlaf- und Ruhebedürfnis Rechnung getragen wird. "Sie rund um die Uhr zu bespaßen, wäre zu viel, drei Stunden täglich reichen, sie brauchen nicht immer Action."

Ähnlich wie in der Kita wird man die Huta vormittags, nachmittags oder ganztags buchen können, als Öffnungszeit ist Montag bis Freitag von 7.30 bis 18 Uhr geplant, freitags nur bis 16.30 Uhr. "Wir wollen es so günstig wie möglich machen", sagt Schürch. Der halbe Tag (bis sechs Stunden) soll 25 Euro kosten, der ganze Tag 35 Euro. Außerdem soll es verbilligte Monatspakete geben, bei Buchung von fünf Tagen je Woche soll die Monatspauschale bei 500 Euro liegen. Am liebsten wäre Schürch eine regelmäßige Buchung an festen Tagen: "Bei zu häufigem Wechsel bringt das zu große Unruhe." Auch einen Hol- und Bringservice soll es geben.

Dass die Idee Erfolg haben wird, Hunde und Menschen zusammenzuspannen, davon ist Schürch überzeugt. Und obwohl es auch Skeptiker bei der Arbeiterwohlfahrt gab, steht Geschäftsführer Hans Kopp hinter dem Modellprojekt, weil es Menschen eine Chance eröffnet, für die es sonst wenig Angebote gibt. "Ich bin überzeugt, dass wir wachsen werden", sagt Schürch. Und weitere Ideen dazu, wie das gehen könnte, hat er schon mehr als genug: ein Hundetraining anbieten, Futter und Tierartikel herstellen, die Hunde-Spaziergänge mit einem Klingeldienst bei alten Menschen verbinden, der regelmäßig nachschaut, ob es ihnen gut geht. "Aber jetzt fangen wir erst einmal klein an."

Informationen zu den Arbeitsplätzen und dem Angebot der Hundetagesbetreuung sind per Mail unter tierlernstatt@anderwerk.de oder über Telefon 01590-4684715 erhältlich.

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