Süddeutsche Zeitung

Hotel Wdrei:Null Service ab 110 Euro die Nacht

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In der Maximilianstraße eröffnet schräg gegenüber vom Vier-Jahreszeiten ein gänzlich anderes Hotel. Die Idee lautet: Raus aus dem Haus.

Von Philipp Crone

Gegenüber gibt es den Full-Service im Vier-Jahreszeiten, hier eher Null-Service. An der Maximilianstraße 14 eröffnet das Hotel Wdrei, die Kurzform für "Wir drei", womit drei Künstlerinnen gemeint sind, die in den 20 Zimmern Kunstwerke hinterlassen haben. Es sind Münchner Motive wie die Maximilianskirche im Foyer, wo am Mittwochmorgen Betreiber Michael Faltenbacher sitzt und erklärt, wie ein Hotel ganz ohne Service und Angebot funktionieren soll.

Kein Frühstück, so viel ist klar. Bar und Restaurant ohnehin nicht. Nur an der Rezeption trifft man auf Mitarbeiter. Faltenbacher und seine drei Mitbetreiber haben das Hotel im Rückgebäude übernommen und aus der Not, keinen Frühstücksraum zu haben, eine Tugend gemacht, wobei das im routinierten Sprech eines Hotel-Schaffenden natürlich "Idee" heißt. Die Idee ist also, dass man sich drinnen wohlfühlt und draußen Dinge erlebt, als sei man bei Freunden zu Gast. Diese Idee haben freilich viele.

In diesem Fall ist sie verbunden mit diversen Kooperationspartnern, die auf Wdrei-Gäste vorbereitet sind: Zum Frühstück geht es gegenüber zum Italiener oder ins Brenner's, zum bayerischen Essen ins Heimwerk, zum Feiern mit VIP-Karte ins P1, und nur zum Duschen, Schlafen oder um den Akku aufzuladen ins Zimmer. Oder um die Wände anzustarren, denn die haben Tanja Leithe, Theodora Spassova und Daniela Viveros Barrera gestaltet.

Ab 110 Euro pro Nacht im Einzelzimmer kann sich der Gast ein Kunstwerk in aller Ruhe ansehen, darf es sogar anfassen und sich dranlehnen. Etwa das von Spassova in Raum 65, die das leichte und wabernde Lebensgefühl der Stadt in eine auf Bergen und Wasser über zwei Wände schaukelnden Frau vereint. Leithe wiederum lässt Kubismus-Köpfe über einem Doppelbett in den Raum schauen, während die Motive der Mexikanerin Barrera vom Dackel bis zur Bladenight reichen.

Über drei Stockwerke geht das auf zunächst zwei Jahre angelegte Pop-up-Experiment, mittendrin ein Raum für Getränke, die man nicht gleich bezahlt, sondern via Strichliste auf Vertrauensbasis vermerkt. Ein Hauch von Hostel also, das aber in einer Eins-A-Premium-Lage, in der man die Kronkorken vom Automatengetränk sicher bis zu Versace, vielleicht auch bis zur Oper und manch einer sogar bis zum Marienplatz werfen kann. Faltenbacher spricht davon, dass man nach der Investition einer sechsstelligen Summe nun das bieten wolle, was es "nicht im Internet zu kaufen gibt", nämlich die direkte Verbindung zu Münchner Orten und Erfahrungen. Bier von den Broy-Brauern, Drinks aus der Cortiina-Bar - der Gast soll raus aus dem Hotel, so oft und lange wie möglich. Eine Idee, die bei laut Hotel- und Gaststättenverband 57 900 Hotelbetten in München vielleicht nicht schadet.

Derzeit riecht es überall noch nach Farbe, wobei das durchaus so bleiben könnte, denn die Künstlerinnen werden weiter an ihren Wänden respektive Werken arbeiten. Es wird also wohl neben dem Hostel- und Heimat- auch ein leichtes Atelier-Gefühl bleiben.

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