Laut, schnell und ungewöhnlich:München von unten

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Abenteuerlustig: Stephan Bredenkamp im Hot Rod. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Stadt lässt sich nun auch in Hot Rods erkunden

Von Laura Kaufmann

Es gibt viele Möglichkeiten, München zu entdecken. Auf eigene Faust durch die Altstadt streifen, eine Fahrradtour mitmachen, auf dem Sightseeingbus sitzen oder auch eine der Mottotouren von kulinarisch bis gruselig buchen. Es gibt momentan nur nicht so viele Menschen wie sonst, die München entdecken.

Das hat, wie viele in der Tourismusbranche, auch Stephan Bredenkamp empfindlich zu spüren bekommen. Auch er bietet Erkundungstouren durch München an, nämlich in einem Wenckstern Hot Rod. Einen Wenckstern Hot Rod kann man sich in etwa vorstellen wie eine Seifenkiste mit Viertaktmotor. Erfunden worden ist das Gefährt vor zwölf Jahren in Hamburg von dem gelernten Floristen Maik Wenckstern nach einer Wette, er könne ein solches Ding bauen und eine Straßenzulassung dafür bekommen. Was ihm nach zwei Jahren schrauben und basteln schließlich gelang. Die Hot-Rod-Tradition selbst reicht zurück bis in die 1920er Jahre, als passionierte Bastler in Kalifornien auf alte Fahrgestelle leichte Karosserien bauten und den Motor aufmotzten, um damit kleine Rennen zu veranstalten. Ein vorkriegszeitliches "Pimp My Ride" sozusagen. Irgendwann kam ein Bekannter von Wenckstern auf die Idee mit der Vermietung für Events und für Tagestouren. Mittlerweile gibt es unter der Marke "Hot Rod Fun" Touren in ganz Deutschland, auch in Bukarest und eben in München.

Im Werksviertel sitzt Stephan Bredenkamp, Bereichsleiter Süddeutschland, vor seinem bemalten Schiffscontainer und sagt, die Krise sei auch eine Chance gewesen. Hot Rods gibt es schon seit zwei Jahren in der Stadt, bislang mit Sitz in Moosach. 150 Quadratmeter hatten sie dort. Jetzt sind es nur mehr 23 Quadratmeter, aber dafür im Werksviertel. Die 23 reichen aus für ihre Zwecke, und die seifenkistenartigen Gefährte sind nun sichtbarer im Stadtbild. Fährt eine Gruppe vorbei, meist mit acht bis zwölf Fahrzeugen, ziehen sie alle Blicke auf sich. "Man fühlt sich wie Michael Jackson in dem Ding", sagt Bredenkamp. Michael Jackson mit Helm, natürlich. Viele Münchner sehen die auffälligen Mini-Kraftfahrzeuge jetzt zum ersten Mal und fragen sich, was das ist. Das ist gut fürs Geschäft.

Bredenkamp ist viel am Telefon, weil er den Standort mehr oder weniger alleine schmeißt momentan. Corona hatte die Geschäfte komplett lahmgelegt, mit Kurzarbeit und dem Umzug hat man sich über Wasser gehalten. Die Touristen fehlen immer noch. Dafür läuft es mit einer anderen Zielgruppe wieder an. Für Firmen- und Teamevents sind die Touren momentan gefragt. "Die Leute sind draußen an der frischen Luft", sagt Bredenkamp. Und Abstand ist durch die Autos ohnehin da.

Bei Teamevents sind vorab oft nicht alle gleichermaßen begeistert, da muss dem einen oder anderen Mut zugesprochen werden, dass es in Ordnung ist, in den Wencksternen längere Strecken zurückzulegen. Oder auch der Mut, dass es in Ordnung ist, "nein" zu sagen und lieber einen Kaffee zu trinken. Eine der begleiteten Touren führt zum Starnberger See, und die Fahrzeuge sind fast 90 km/h schnell. Vor jedem Ausflug wird in der Tiefgarage Probe gefahren, damit jeder ein Gefühl für seinen Wenckstern bekommt. Sehr nah an der Straße sitzt der Fahrer, jedes Schlagloch spürt er, und die Lenkung übersetzt sehr direkt. Laut sind die kleinen Kisten auch. Menschen mit "Benzin im Blut", wie Bredenkamp es ausdrückt, stehen darauf. "Nur weil sie brummen und knattern, sind die Hot Rods aber keine Umweltsünder", sagt er. Für 100 Kilometer verbrauchen sie weniger als drei Liter Sprit.

Natürlich könnte man ebenso gut mit der S-Bahn an den See fahren. Aber darum geht es nicht, sondern um das besondere Fahrgefühl - wie etwa bei Motorradfahren auch.

© SZ vom 29.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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