Süddeutsche Zeitung

Abschied in Würde:Ein Raum zum Sterben

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Weil es in München viel zu wenig Hospizplätze gibt, suchen Stadt und Vereine dringend ein Grundstück für das neue Hospiz-Haus des Lebens. Doch geeignete Flächen für ein Palliativzentrum sind rar.

Von Nicole Graner

Es geht um einen Raum. Um einen Raum mit doppelter Bedeutung. In dem Menschen Raum, also Zeit geschenkt wird, um dem nahenden Tod mit Liebe und vor allem Geborgenheit zu begegnen. Das gilt für diejenigen, die wissen, das sich ihr Leben dem Ende nähert, wie auch für die Angehörigen, die die Sterbenden begleiten und den nahenden Verlust eines geliebten Menschen verarbeiten müssen. Und es geht tatsächlich um den Platz, also um ein geeignetes Grundstück, auf dem das neue Hospiz-Haus des Lebens in München gebaut werden kann. Kern des geplanten Baus ist ein stationäres Hospiz- und Palliativzentum mit zwölf bis 16 Betten. Zudem soll es ein Tages- und Nachthospiz sowie weitere ambulante Angebote und ein Café geben.

Nur 28 stationäre Hospizplätze. Mehr gibt es in München derzeit nicht. Die Stadt, der Hospizdienst Dasein, der Christophorus Hospizverein München, das ambulante Kinderhospiz München und viele prominente Unterstützer - alle wollen das Hospiz-Haus des Lebens deshalb so schnell wie möglich. Doch die Suche nach einem Grundstück gestaltet sich schwierig. Dasein-Geschäftsführerin Katharina Rizzi beschreibt den Aufwand der Suche mit zwei Worten: "Sehr umtriebig". Und sie betont das Wort "sehr". Man sei immer mit der Stadt im Gespräch und "rüttle an alle Türen". Doch noch sei nichts gefunden.

An der Notwendigkeit für neue Hospizplätze hat sich nichts geändert. Der Bedarf, sagt Rizzi, "ist so dringend". Denn die Corona-Zeit mache die Situation nicht leichter. Viele Menschen wollten nicht im Krankenhaus sterben, hätten Angst, einsam zu sein in der Zeit, die ihnen noch bleibt. Dazu sei, so Rizzi, auch die Angst gekommen, sich im Krankenhaus mit Corona anzustecken. Trotzdem seien "aus der Not heraus" die Menschen dann ins Krankenhaus gegangen.

Axel Fischer, Geschäftsführer der München Klinik, bestätigt das. Es fehlten Palliativbetten. Viele Menschen, die eigentlich in dieser Station ihres Lebens eine besondere Betreuung bräuchten, könnten dann in einem "ambulanten Setting" nicht richtig aufgefangen werden. "In dieser Corona-Krisenzeit fallen dann andere wichtige Schwerpunkte hinten runter." Das dürfe nicht sein. Man müsse sich langfristig Gedanken machen, wie man in Krisenzeiten mit der Palliativversorgung umgehe.

Derzeit prüft die Stadt geeignete Flächen

Auch der Druck auf die ambulanten Hospizdienste hat laut Rizzi zugenommen. "Wir konnten und können viele Menschen nicht aufnehmen, das ist einfach nur tragisch." Aber ein Grundstück für ein neues Hospizhaus ist nicht in Sicht. Wie die Stadt im jüngsten Gesundheitsausschuss in einer Beschlussvorlage zur Weiterentwicklung der Hospiz- und Palliativversorgung in München aufzeigt, würden derzeit Flächen geprüft. Zum Beispiel in der Messestadt Riem. Hier seien in den noch zu entwickelnden Gebieten einige "im Eigentum der Landeshauptstadt München". Allerdings entspräche dieser Standort laut Gesundheitsreferat nicht dem von den Hospizvereinen "geäußerten Kriterium einer zentralen Lage". Auch sei mit einem möglichen Baurecht erst von 2024 an zu rechnen. Geprüft wird auch ein städtisches Grundstück an der Kochelseestraße/Gotzinger Platz.

Die Projektkoordinatorin für das Hospiz-Haus, Isabel Zacharias, spricht außerdem von einer städtischen "Brache am Ostbahnhof". Unbezahlbare Flächen gäbe es ohne Ende, auch immer mal wieder einen "Lichtblick", aber eben nichts Konkretes. Dennoch zeigt sich Zacharias optimistisch. Die dritte Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD) machte im Ausschuss sehr deutlich, wie wichtig es sei, nicht aufzugeben. Man müsse "alle Hebel in Bewegung setzen", geeignete Flächen für das Hospiz-Haus des Lebens zu finden. Noch immer ist es für die Gesellschaft schwer, sich mit dem Thema Tod auseinanderzusetzen, noch immer ist der Tod ein Tabu. Gerade deshalb müsse es man jetzt an einem Strang ziehen, so Dietl. Oder wie Gesundheitsreferentin Beatrix Zurek noch bildlicher formulierte, wie "Trüffelschweine" nach einem Grundstück suchen.

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