Süddeutsche Zeitung

Home-Office:Zu Hause ist's doch am schönsten

Sterbende Pflanzen, schlechte Luft und von den Kollegen keine Spur: Erst bei der Rückkehr ins Büro zeigt sich, welche besonderen Erfahrungen doch das Home-Office bietet.

Glosse von Christiane Lutz

Die Münchnerinnen und Münchner hat das Home-Office in den vergangenen Monaten sehr beschäftigt. Carrie Bradshaw hat in den späten Neunzigern in "Sex and the City" schon im Home-Office gearbeitet, aber sie nannte es nie so, wenn sie auf dem Bett lümmelnd ihre Kolumne tippte. Heute kann man sagen: Hierzulande durchliefen die Menschen drei Home-Office-Phasen. Phase eins: Eingewöhnung. Die Vogue rief dazu auf, sich an Carrie ein Vorbild zu nehmen, weil die auch zu Hause schicke Outfits trug. Und nicht, so wie der Rest der Bevölkerung, fleckige Jogginghosen.

Man orientierte sich aber selbstverständlich nicht an Carrie, sondern wusch die Haare nicht mehr. Lunch aß man draußen, und wenn man mal schnell frische Erdbeeren auf dem Wochenmarkt kaufen wollte, war das realistischer, als an den Tagen, die man eingesperrt in einem Büroturm verbringen musste und um 19.50 Uhr noch schnell die Erdbeerreste aus dem Supermarkt kratzte. Kurz: Home-Office war herrlich.

Phase zwei: hadern. Dann begann alles zu nerven. Ständig was kochen, ständig Jogginghose waschen. Und unter dem Fenster auf Münchens Straßen machten die fröhlichen Menschen alles, nur nicht Home-Office, während man selbst am improvisierten Schreibtisch klebte. Wie unfair. Wie schön ist es doch im Office-Office, dachte man. Das Office, wo die Leute halbwegs zivilisiert herumlaufen und sogar der Drucker funktioniert.

Phase drei: Erkenntnis. Die Rückkehr ins Office wird zelebriert, der Mundschutz gebügelt, der gute, aus Baumwolle. Wem wird man begegnen? Welche aufregende Post wird eingetroffen sein? Im Büro angekommen allerdings krümelt einem schon die sterbende Pflanze entgegen. Das Postfach quillt über von Einladungen für nicht stattfindende Events. Und die netten Kollegen, die scheinen alle noch zu Hause zu sein, stellt man fest, während man versucht, die schlechte Luft hinaus zu lüften. Wie schön war das doch, seufzt man, im Home-Office.

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SZ vom 26.06.2020/amm
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