Hofspielhaus:Eine weiße Entscheidung

Hofspielhaus: Kritischer Blick: Im Hofspielhaus sind Markus Beisl, Michael A. Grimm und Leon Sandner (v. li.) in "Kunst" zu sehen.

Kritischer Blick: Im Hofspielhaus sind Markus Beisl, Michael A. Grimm und Leon Sandner (v. li.) in "Kunst" zu sehen.

(Foto: Tobias Melle)

Das Hofspielhaus bringt das große Stück "Kunst" von Yasmina Reza auf die kleine Bühne. Ein gelungenes Unterfangen.

Von Julian Gülker

Yasmina Rezas "Kunst" bedarf keiner Einleitung, aber wollte man dennoch eine geben, könnte man mit ordentlich Pathos beginnen: Da steht oft ein Bild auf der Bühne, weiß mit weißen Streifen, und genau das ist das Problem. Denn weiß - Obacht - kann vieles bedeuten: das Gute, das Reine, namentlich das Weise, aber Weiß steht eben auch: für nichts. Für Unendlichkeit à la Matrix, die Abwesenheit von Bedeutung, Form, Grenzen. All dies wäre gewiss nicht falsch, würde der klugen Inszenierung von Dominik Wilgenbus im Hofspielhaus aber nicht gerecht.

Das bekannte Stück der französischen Erfolgsautorin, in dem drei Freunde bei der Frage aneinandergeraten, wie viel Kunst in einem gänzlich weißen, sündig teuren Bild steckt, kommt nämlich ohne jede Schwere aus. Seinen Teil trägt dazu freilich auch die Gesamtsituation bei, sprich die charmante Atmosphäre im Hofspielhaus, die familiär engen Sitzreihen, die überschaubare Bühne im Keller. Noch entscheidender ist aber, wie leichtfüßig die pointenreichen Streitgespräche und sich in Selbstreflexion suhlenden Monologe der drei Männer ihre Wirkung entfalten.

Der schauspielerischen Leistung aller Beteiligten ist zu verdanken, dass die vielen Bedeutungsnuancen und Zwischentöne nicht gewaltsam an die Oberfläche gezerrt werden; die Uneinigkeit darüber, was dieses Bild eigentlich sei, legt die Konfliktherde "unterm Eisberg" einer langjährigen Freundschaft gemächlich frei - "eine Scheiße", wie Markus Beisl in der Rolle des zynischen Marc betont, oder ein Meisterwerk von rotgrauer Schönheit, so die Überzeugung von Serge, Kunstkenner mit Selbstattest, gespielt von Leon Sandner.

Besondere Würze erhält die Konstellation, da der gutmütige und konfliktscheue Yvan entgegen der Urfassung älter ist als seine Freunde - das hat Folgen: Als Kontrastfigur zu den stolzkranken Marc und Serge ist er ohnehin als Sympathieträger vorgesehen; Michael A. Grimm, der erfahrenste Schauspieler auf der Bühne, verleiht aber gerade der "schlaffen, schwabbligen Anmaßung" (Zitat Marc) eine derart raumgreifende Präsenz, dass sie der Handlung an sich fast die Show stiehlt - aber eben nur fast, beinahe, wie Yvan sagen würde, die Inszenierung verliert nie ganz die Balance. Handwerklich gekonnt ist sie dabei sowieso gearbeitet, so präsentiert sich die Bühne um das Bild herum etwa möglichst "unweiß" in lauter Grau- und Schwarztönen.

Zum Schluss ein Wermutstropfen: In wenigen Momenten will der Abend die eigene Leichtigkeit dann doch erzwingen - wenn Serge und Marc sich beim Ankleiden gefährlich nahekommen oder sich die drei flatterhaft im Handschuhanziehen messen, mutet die Szenerie etwas zu slapstickhaft und gewollt komisch an. Diese Ausrutscher sind aber zu verkraften; wie "Kunst" zeigt, ist diese letztlich subjektiv.

Yasmina Rezas "Kunst", Hofspielhaus, Falkenturmstr. 8, nächste Aufführung am 13. Mai, Infos und Tickets unter www.hofspielhaus.de

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