Süddeutsche Zeitung

Filmnachwuchs:Glänzende Aussichten

Seit 2018 gibt es den Hofer Goldpreis für junge Regie-Talente. Der ist hoch dotiert und mit einem Förderprogramm verbunden. Was aus den bisherigen Gewinnern wurde, macht Hoffnung für den deutschen Film.

Von Bernhard Blöchl, München

Manchmal kommt die Zukunft mit der Post. Der Münchner Filmhochschüler Lukas Röder war im Herbst mit dem Goldpreis der Hofer Filmtage ausgezeichnet worden, wenig später sind die damit verbundenen Barren zu ihm nach Hause geliefert worden. "Das Gold kam per Post", erzählte Röder kürzlich bei einer Online-Veranstaltung der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, die den Preis seit 2018 vergibt. Mit einem Grinsen im Gesicht fügte er hinzu: "Das Paket lag im Treppenhaus." Gestohlen wurde nichts, weshalb sich der Regisseur des prämierten Improvisationsfilms "Gehirntattoo" nun mit einer gewissen finanziellen Sicherheit an neue Projekte machen kann. Gleiches gilt für seine junge Kölner Regie-Kollegin Alisa Kolosova ("Charly"), mit der sich Lukas Röder die Auszeichnung des Jahrgangs 2021 teilt.

Etwa 35 000 Euro ist dieser besondere Preis wert. Normalerweise kommt er in Form eines handygroßen Barrens daher, der mal 750, mal 1000 Gramm wiegt. Bei zwei Gewinnern wie zuletzt gibt's kleinere Barren für jeden. Außergewöhnlich ist auch der offizielle Name: "Hofer Goldpreis der Friedrich-Baur-Stiftung verliehen durch die Bayerische Akademie der Schönen Künste in memoriam Heinz Badewitz". Hervorgegangen ist er aus dem ehemaligen Heinz-Badewitz-Preis, der an den Gründer und langjährigen Leiter der Hofer Filmtage erinnern sollte. Was Thorsten Schaumann, Badewitz' Nachfolger in Hof, als "fettes Ding" bezeichnet, ist einer der begehrtesten und bedeutendsten Nachwuchspreise für Filmemacher in Deutschland. Denn es gibt nicht nur Gold (also Geld) für die Gewinner, die hier ausschließlich für ihren ersten Langfilm geehrt werden, sondern auch ein Mentoren-Programm. Ein Jahr lang werden die Regie-Talente von einem erfahrenen Kollegen aus den Reihen der Akademie künstlerisch beraten, bisher von Edgar Reitz, Bernhard Sinkel und Philip Gröning. Dieses Gesamtpaket passt gut zu Hof, diesem kleinen, aber anziehenden Festival, das sich seit jeher als Magnet und Motor für die jungen Wilden verstanden wissen will.

In der Theorie klingt das alles prima, doch was zeigt die Praxis? Was wurde aus den Versprechungen? So viel vorneweg: Ein erstes Fazit fällt bei allen Preisträgerinnen und -preisträgern positiv aus. Luzie Loose, die 2018 mit ihrem rohen Mobbing-Drama "Schwimmen" als Erste überhaupt gewann, sagt heute über den Goldpreis: "Ich finde das großartig. Es ist ja viel substanzieller, als wenn man einfach nur so eine Trophäe bekommt." Loose, ausgebildet an der Filmakademie Baden-Württemberg, habe mehrfach davon profitiert. Zum einen gab es viel Aufmerksamkeit von Produzentinnen und Produzenten sowie wertvolle Kontakte. Andererseits die Bestätigung, "dass ich auf dem richtigen Weg bin". Und dann natürlich die hohe Dotierung: "Ich war immer saumäßig pleite", erzählt die Berlinerin im Zoom-Interview. "Mit dem Preis diesen Druck rauszunehmen, hat Kapazitäten im Gehirn freigemacht, die gut sind, neue Projekte zu entwickeln." Veräußert habe sie ihr Gold bisher nicht. "Die theoretische Anwesenheit von diesem Geld gibt mir eine Freiheit, die viel mehr wert ist als alles, was ich damit hätte kaufen können."

Gold wert war offenbar auch der Austausch mit Edgar Reitz, ihrem Mentor. "Edgar Reitz ist toll. Er ist wahnsinnig neugierig und jung im Kopf und regt immer an, Sachen noch mal anders zu denken", sagt sie. "Er hat sehr viel gelesen von dem, was ich so geschrieben habe." Ganz konkret habe sie von ihm gelernt, "schnell herauszufinden, ob irgendwo in einer Geschichte eine gewisse Wahrheit liegt. Zu überprüfen, ob etwas nur behauptet ist."

Wie sich Loose, Jahrgang 1989, weiterentwickelt hat, kann man ganz konkret sehen. An diesem Sonntag, 23. Januar, läuft in der ARD ihr "Tatort"-Debüt. Gemeinsam mit der Kamerafrau Anne Bolick, mit der sie auch "Schwimmen" filmte, erzählt Loose für den Saarländischen Rundfunk die Geschichte der befreundeten Hauptkommissare Leo Hölzer (Vladimir Burlakov) und Adam Schürk (Daniel Sträßer) weiter, die ein Trauma in ihrer Jugend verbindet. "Das Herz der Schlange" spinnt die bohrende Geschichte um Schürks Vater weiter; der Film ist ein guter, körperlicher Psycho-Thriller, nah an den Figuren, eindringlich und realistisch. Loose bezeichnet sich selbst als "Tatort"-Fan, sie will, dass wieder mehr junge Menschen "Tatort" schauen. "Es gibt Bewegungen, jüngere Regisseurinnen ranzulassen, auch an etablierte Formate." An den Job sei sie über einen Branchentreff auf der Berlinale gekommen. "Der Produzent und der Redakteur haben mich gefragt, ob ich das machen möchte. Beide kannten ,Schwimmen', den Film, für den ich damals den Hofer Goldpreis bekommen habe."

"Meiner Meinung nach sollte es in Deutschland mehr Förderung dieser Art geben"

Diesen Türöffner-Effekt haben auch die anderen Preisträgerinnen und Preisträger festgestellt. So liefen die Gewinnerfilme von Sevgi und Chris Hirschhäuser ("Toprak" triumphierte 2020) sowie Lothar Herzog ("1986" gewann 2019) inzwischen auf zahlreichen Festivals. "Meiner Meinung nach sollte es in Deutschland mehr Förderung dieser Art geben", sagt der in Freiburg geborene Herzog. Die Höhe des Preises erlaube es einem, sich eine gewisse Freiheit zu nehmen, "um seinen künstlerischen Impulsen zu folgen". Auch Alisa Kolosova spricht von einer "starken Rückendeckung". Die in München lebende Türkin Sevgi Hirschhäuser wiederum freute sich über mediale Aufmerksamkeit, finanzielle Sicherheit und inspirierende Gespräche. Lediglich die Corona-Zeit habe das Mentorenprogramm ("eine großartige Idee") etwas erschwert.

Spannend nun der Blick nach vorn. Was steht an beim prämierten Nachwuchs? Luzie Loose schreibt nach den jüngsten Auftragsarbeiten wieder an einem eigenen Stoff, und auch Sevgi Hirschhäuser arbeitet an einem Langfilm. Erneut will sie in der Türkei drehen, "hoffentlich noch dieses Jahr". Lukas Röder widmet sich abermals dem Thema Schizophrenie; ihn beschäftigen gleich zwei Filme zu dem Thema, darunter eine schwule Liebesgeschichte mit dem Arbeitstitel "Mein toller, toller Freund". Lothar Herzog berichtet von einem Dokumentarfilm, den er mit der Schauspielerin und Regisseurin Patricia Hector realisiert; es soll darin um die letzten Zeugen der Zeit des Nationalsozialismus gehen. Und auch Alisa Kolosova hat Großes vor. Einerseits arbeitet sie an einem essayistischen Dokumentarfilm, "der Erinnerungen an die Leningrader Blockade festhält". Andererseits schreibt sie an einem Spielfilm, den sie in der Drehbuchwerkstatt München entwickelt.

Was die jungen Kreativen verbindet, ist der klare Fokus auf ihre künstlerische Entwicklung. Ermöglicht auch durch die Absicherung, die der Hofer Goldpreis bietet.

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