Nachruf:Tod eines Überlebenden

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Peter Höllenreiner hat als Kind vier NS-Konzentrationslager überstanden. (Foto: Stephan Rumpf)

Peter Höllenreiner hat als Holocaust-Zeitzeuge dafür gekämpft, dass Sinti und Roma endlich gehört und geachtet werden. Nun ist er mit 81 Jahren gestorben.

Nachruf von Bernd Kastner

Wie durch ein Wunder. Man sagt das gerne so dahin, aber was anderes als ein Wunder sollte das Weiterleben von Peter Höllenreiner gewesen sein? Er hat Auschwitz überstanden, wo sie ihn 1943, am Tag nach seinem vierten Geburtstag, aus dem Zugwaggon holten und mit Knüppeln und Hunden in eine Baracke trieben. Er hat später auch Ravensbrück und Mauthausen und Bergen-Belsen überlebt, alles Konzentrationslager. Die Nationalsozialisten hatten den Buben mit seiner Familie dorthin deportiert und ihm ein Z auf den Arm tätowiert, Z wie Zigeuner. Am Dienstag ist Peter Höllenreiner, 81 Jahre alt, gestorben. Friedlich sei er nach kurzer Krankheit eingeschlafen, im Kreise seiner Familie und in München, seiner Heimatstadt, das berichtet einer seiner Verwandten.

"Wieso sollten wir uns verstecken müssen? Wir sind Sinti, wir sind aber auch Deutsche." Auf den Tisch hat er gehauen und sein Publikum fixiert, vor ein paar Jahren war das, bei einem Vortrag im Eine-Welt-Haus. Höllenreiner hat im Alter seine Stimme erhoben und als Zeitzeuge dafür gekämpft, dass Sinti und Roma heute endlich gehört und geachtet werden. Denn nach dem Ende des NS-Regimes wurde ja längst nicht alles besser für die Ausgegrenzten. "Hinter, in die letzte Bank mit dir!" So habe ein Lehrer ihn angeherrscht, wie Höllenreiner seiner Biografin Maria Anna Willer erzählte, "Der Junge aus Auschwitz", hat sie ihr Buch überschrieben. Höllenreiner startete ohne Schulabschluss und ohne Berufsausbildung ins Erwachsenenleben, und doch war er erfolgreich, er baute das Fuhrunternehmen seines Vaters wieder auf, war erfolgreich als Händler.

Die Familie Höllenreiner ist eine weit verzweigte Münchner Familie, viele Mitglieder haben die NS-Vernichtungsmaschinerie nicht überlebt. Peters älterer Bruder Hugo war einer derjenigen, die es geschafft haben, er hat bis kurz vor seinem Tod 2015 vom Erlebten berichtet. Peter Höllenreiner wollte die Zeitzeugenarbeit des Bruders fortführen. 2016 war er wieder in Auschwitz, er war eingeladen, dort zusammen mit Papst Franziskus zu gedenken. Der Besuch des Schreckensortes hat Höllenreiner sehr zugesetzt.

"Das Wichtigste ist die Jugend", hat Peter Höllenreiner damals, im Eine-Welt-Haus, noch gesagt, und es klingt heute wie ein Vermächtnis. Auf dass der Schrecken der NS-Zeit nie vergessen werde, auf dass die Diskriminierung der Sinti und Roma ein Ende habe. "Ihr müsst die Geschehnisse weitergeben."

© SZ vom 29.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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