Heiraten in der Pandemie:Brautkleid-Shoppen per Zoom-Konferenz

Lesezeit: 3 Min.

Im Laden "Kleider machen Bräute" haben manche Kundinnen es sehr eilig, andere holen ihr Kleid nicht mal ab.

Von Julia Huber, München

Früher gab es immer den großen Zeitpuffer. Sechs bis zwölf Monate vor ihrer Hochzeit kamen junge Frauen in den Laden, um sich ein Brautkleid auszusuchen. Schließlich steht das ganz oben auf jeder Hochzeits-To-Do-Liste, die es im Internet gibt. Aber wenn keiner weiß, was in sechs oder zwölf Monaten ist, bringt der schönste Zeitpuffer nichts. Saskia Hamann, 27, und Anne Gschwandtner, 26, sitzen in ihrem Laden "Kleider machen Bräute" im Glockenbachviertel. Erst im November 2020 haben sie die Münchner Filiale eröffnet, ihr Nürnberger Geschäft gibt es seit 2018.

Sie haben im vergangenen Jahr alles Mögliche erlebt: Frauen, die eigentlich im Juni 2020 heiraten wollten, und dann nicht mal ihr Kleid abholten. Manche Brautkleider hängen seit Monaten an der Stange - bereit für das Fest, das auf irgendwann verschoben wurde. Andere Frauen holten die Kleider ab, heirateten trotz Pandemie. Und dann im November kamen plötzlich lauter Paare, die beschlossen hatten, spontan im Dezember zu heiraten: der Standesbeamte, das Brautpaar und der mitgebrachte Kuli. Da hatte Anne Gschwandtner, die die Münchner Filiale leitet, ordentlich zu tun, denn die Kleider mussten ja alle noch vor dem Lockdown ausgesucht und angepasst werden. Und sie verkaufte jede Menge mit Spitze besetzte Mund-Nasen-Masken.

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Manche Frauen kamen gleich mit ihren Verlobten zur Kleideranprobe, sagt Anne Gschwandtner. Das war vorher selten vorgekommen, denn es gibt ja den Aberglauben, dass es Pech bringt, wenn der Bräutigam das Brautkleid vor der Hochzeit sieht. "Eine Frau sagte: Och, wir heiraten sowieso nächste Woche. Da kann er jetzt auch mitkommen und mitentscheiden", erzählt Anne Gschwandtner. Sie habe die Treffen mit den kurzentschlossenen Paaren sehr entspannt wahrgenommen, sagt sie, "da hat man gemerkt: das Paar steht im Mittelpunkt, und nicht irgendwelche großen Vorbereitungen oder stressigen Planungen".

Laut Statistischem Amt der Landeshauptstadt München haben im Jahr 2019 noch 11 084 Paare geheiratet, im Jahr 2020 waren es 9 556. Im Januar und Februar 2021 waren es trotz Lockdown 778 Eheschließungen. Saskia Hamann denkt, dass zurzeit viele Paare übers Heiraten nachdenken. "Corona nimmt gerade sehr vielen Menschen Sicherheit", sagt sie. "Ich kann mir vorstellen, dass Viele diese Sicherheit dann im Privatleben suchen: Ein fester Partner, eine Ehe hat ja immer was mit Beständigkeit zu tun."

Corona hat natürlich auch die Termine in ihrem Brautmodenladen verändert. Vor der Pandemie durfte jede Kundin fünf Leute mitbringen. Meistens kamen die Oma, die Mama, die Schwester und die Trauzeugin - ein Familien-Happening mit Sekt. Jetzt darf nur noch eine Begleitperson mitkommen. Und weil alle Masken tragen, gibt es keinen Sekt mehr. Aber auch hier wird jetzt eben viel gezoomt und geskypt. Seit sie im März wiedereröffnen durfte, war Anne Gschwandtner virtuell schon in Chile, Österreich und Griechenland. Viele Paare planen ihre Hochzeiten jetzt für den Sommer. Manche hoffen auch, ihr Hochzeitsfest im April oder Mai feiern zu können.

Die meisten Brautmodengeschäfte haben für ihre Kleider Lieferzeiten von mehreren Monaten. Auch "Kleider machen Bräute" hat eine eigene Kollektion, die die Modedesignerin Saskia Hamann aus nachhaltigen Stoffen entworfen hat, und die auf Bestellung in einer Schneiderei in Passau gefertigt wird. Im Laden gibt es aber auch Secondhand-Kleider - also Kleider, in denen schon jemand geheiratet hat. Sie können spontan gekauft und mitgenommen werden. Oft haben die Vorbesitzerinnen Zettel dazu geschrieben. Darauf steht, was ihnen das Kleid bedeutet hat, wie sie sich darin gefühlt haben, was sie der neuen Besitzerin wünschen. Andere Kleider sind zwar secondhand, aber ungetragen, etwa weil die Hochzeit geplatzt ist.

Die Designerin Saskia Hamann und die Leiterin des Münchner Geschäfts Anne Gschwandtner haben ein paar schwierige Monate hinter sich. Der Lockdown, die Ungewissheit, wann wieder Normalität einkehrt. Wenn irgendwann alle geimpft sind, glauben sie, dass die großen Feste alle nachgeholt werden. Dass Bedarf da ist, merken sie an all den Terminanfragen. Auf einer Liste haben sie 120 Frauen, die alle in nächster Zeit Brautkleider anprobieren wollen.

Eine der Frauen kommt jetzt ins Geschäft. Sie hat sich an Silvester mit ihrem Freund verlobt. Anne Gschwandtner hilft ihr beim Anprobieren. Nach etwa 40 Minuten hat die Frau sich für ein Hochzeitskleid mit Spitzenoberteil und schlichtem Rock entschieden. Es ist aus der eigenen Kollektion, muss also erst in der Schneiderei neu angefertigt werden. Aber sie hat auch noch Zeit: Am 21. August wollen sie und ihr Verlobter heiraten, mit 100 Gästen in einer Jugendstilvilla in Mittenwald. "Wir sind Optimisten", sagt sie.

© SZ vom 27.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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