Süddeutsche Zeitung

Studium in der Pandemie:Schockierte Studierende

Die Hochschule München verkündet, trotz Corona keine Prüfungs- und Abgabefristen mehr verlängern zu wollen - und knickt dann unter Druck wieder ein.

Von Sabine Buchwald

Die Hochschule München (HM) möchte anscheinend möglichst schnell zurück in die Normalität. Dabei lässt die Hochschulleitung offenbar außer acht, unter welchen schwierigen Bedingungen manche Studierende gerade leben und lernen. Mit einer E-Mail hat die Leitung am Wochenende das Vertrauen der Studierenden in die HM erschüttert.

Ihnen wurde mitgeteilt, dass für die Wiederholungsprüfungen in diesem Sommersemester nun wieder die üblichen Regelungen der Studien- und Prüfungsordnung des jeweiligen Studiengangs gelten. Der Prüfungsausschuss der HM habe die Sonderregelungen aus dem Sommersemester 2020 und Wintersemester 20/21 nicht verlängert. Auch auf der Webseite der Hochschule wurde das so kommuniziert. Zudem wurde darauf hingewiesen, dass man sich bis diesen Mittwoch für die Wiederholungsprüfungen anmelden müsse. Ebenso würden die Sonderregelungen und Fristen für Abschlussarbeiten, anders als in den beiden vorangegangenen Semestern, nun nicht mehr verlängert.

Viele Studierende reagierten schockiert auf diese Ankündigung. Auf eine Blitzumfrage der Studierendenvertretung über Instagram meldeten sich innerhalb von 24 Stunden mehr als 100 Studierende mit verschiedenen Sorgen. Manche befürchteten sogar das Ende ihres Studiums.

Alle seien von dieser Mitteilung überrumpelt worden, sagt Kristina Dörfl, stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Studentischen Parlaments der Hochschule. Denn sie hätten sich auf das Versprechen des Wissenschaftsministeriums verlassen, auf das sich auch die Hochschule Anfang April bezog. Wissenschaftsminister Bernd Sibler hatte Ende März nach einem Beschluss des Landtags betont, dass wie im Wintersemester 2020/2021 auch dieses Sommersemester "die angesichts der Covid-19-Pandemie für das Sommersemester 2020 getroffenen Regelungen zur individuellen Regelstudienzeit und zu Prüfungen im Bayerischen Hochschulgesetz" gälten. Die Studierenden wähnten sich also sicher.

Sowohl Bernd Sibler als auch Hochschulpräsident Martin Leitner betonen seit Beginn der Pandemie, dass ihnen das Wohl der Studierenden in diesen Zeiten sehr am Herzen liege. Aber ist der Hochschulleitung tatsächlich bewusst, was manche Studierende gerade erleben?

"Studienanfänger hatten bislang fast nur Online-Unterricht", sagt Dörfl. Sich am Computer zu konzentrieren sei sehr viel schwieriger als bei einer Präsenzveranstaltung. Sie selbst studiert bereits im siebten Semester und kennt den Unterschied. Man könne viel schlechter den Lernstoff einschätzen und entsprechend auch die Prüfungen, sagt sie. Deshalb hätten manche Kommilitonen ihre Prüfungen erst mal verschoben oder eben nicht geschafft.

Studieren in Corona-Zeiten stellt die Studierende vor viele Herausforderungen. In zahlreichen Mails an die Studierendenvertretung berichten Betroffene, in welcher Situation sie nun stecken. Um ihnen nicht zu schaden, sollen ihre Namen hier nicht genannt werden: Ein junger Mann schreibt, er habe sein Praktikum aufgrund der Pandemie erst später beginnen können als geplant. Er sei in Quarantäne gewesen und habe die versäumte Zeit nacharbeiten müssen. Bei der Anmeldung zu seiner Bachelorarbeit sei er davon ausgegangen, nicht nur bis Mitte Juli Zeit dafür zu haben. "Wenn ich vorher gewusst hätte, dass eine Fristverlängerung nicht möglich ist, hätte ich die Arbeit erst nächstes Semester begonnen und jetzt entsprechend andere Kurse belegt, um möglichst gut mein Studium zu beenden."

Der Zeitpunkt, die Entscheidungen zu kommunizieren, sei zu spät

Ein Sprecher einer Lerngruppe erklärt, dass sich alle in der Gruppe dieses Semester aufgrund der Pandemie neue Jobs suchen mussten, "um sich über Wasser zu halten". Sie hätten seit anderthalb Monaten für ein Fristfach nicht gelernt, dessen Prüfung sie verschieben wollten. Sie fragen sich, wie sie das nun aufholen sollen.

"Die Studierenden haben sich einfach nicht darauf eingestellt", sagt Dörfl. Der Zeitpunkt, die Entscheidung zu kommunizieren, sei zu spät. Rechtlich möglich wäre sie aber wohl schon. Auf Nachfrage erklärt Vizepräsident Klaus Kreulich, die Zuständigkeit für die Fristen von Wiederholungsprüfungen liege beim jeweiligen Prüfungsausschuss der Hochschulen. Erkenntnisse aus vergangenen Jahren hätten gezeigt, so Kreulich, dass im Sinne der Studierenden Prüfungswiederholungen so bald wie möglich nach dem Erstversuch stattfinden sollten." Das allerdings sind Erfahrungen aus Vor-Pandemie-Zeiten. Unter dem Druck der Studierenden hat die Hochschule nun ihre Ankündigung am Dienstagabend zurückgenommen.

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SZ vom 05.05.2021/wean
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