Süddeutsche Zeitung

Modemagazin:Düstere Perspektiven

Die Zukunft ist ungewiss. Und sie verunsichert viele junge Menschen. Zu viele Dystopien drohen Realität zu werden - das zeigt der Fotograf Raphael Glaser mit seinem Modemagazin.

Von Johanna Schlemmer

Wo siehst du dich in fünf Jahren? Diese Frage bekommen viele junge Menschen entweder in Bewerbungsgesprächen oder bei Familientreffen zu hören. Eine Antwort darauf können die wenigsten von ihnen geben. Erst recht, wenn der Blick in die Zukunft mit Angst verbunden ist, mit Frust und Wut. In seinem jüngsten Semesterprojekt setzt sich der Modefotograf Raphael Glaser mit verschiedenen Zukunftsvisionen in Form von fünf Modestrecken auseinander. Dabei fließen Erfahrungen und Gedanken anderer ein, aber vor allem seine persönlichen Ängste in Hinblick auf die Zukunft prägen das Modemagazin. Der 25-Jährige studiert an der Hochschule München im sechsten Semester Fotodesign. Davor absolvierte er bereits ein Bachelorstudium in Architektur.

Der Titel seines Modemagazins nannte er "Visions". Raphael will nicht nur Kleidung schön präsentieren, sondern auch immer eine tiefgründigere Botschaft dem Betrachter vermitteln. Vor allem Fragestellungen haben ihn angetrieben: Welche Szenarien sehe ich persönlich in der Zukunft? Was könnte funktionieren und was nicht? Neben den Fotostrecken sind auch Textpassagen zu finden, die die Aussagen der Fotostrecken unterstreichen.

Angefangen mit der ersten Fotostrecke "Reality" zeigt Raphael eine eher frustrierte Sicht auf das Hier und Jetzt. Die Bilder zeigen eine schwarz-weiße Nüchternheit, genauso wie die Verletzlichkeit des Models mit den dunklen schulterlangen Haaren- nicht gestellt und natürlich.

Ganz anders entwickelte er seine zweite Fotostrecke "Dystopia". Mit Mütze, Kapuze und Schal ist das Model bedeckt, sodass kaum bis gar keine Haut mehr zu sehen ist. Eine Zukunft, in der sich die Menschen vor äußeren Elementen wie Dürre, Wasserknappheit und Umweltverschmutzung schützen und um das Überleben kämpfen müssen. Durch das wenige Fotolicht, den schwarzen Hintergrund und die schwarzen Klamotten tritt der starke und mit einer gewissen Härte versehene Blick des Models in den Vordergrund. Die Bilderreihe spiegelt eine Zukunft, geprägt von einer engstirnigen und naiven Sicht anderer Leute, wider. "Wir können nicht mehr so weitermachen wie jetzt. Es zeigt auch meine eigene Frustration, gegen die eigene Bequemlichkeit nicht immer anzukommen", sagt Raphael.

Gegensätzlicher könnte "Dream" hingegen gar nicht sein. Raphael bildet eine verträumte und positive Zukunft ab. Die Bilder scheinen von einem Schleier überdeckt zu sein. "Es unterstreicht einmal mehr die Distanz zur Realität und bietet somit einen Zufluchtsort", sagt Raphael. Creme- und hautfarbene, fließende Kleider unterstreichen die Softness der Fotostrecke.

Realitätsfern ist auch Raphaels nächste Strecke "Dellusion". Mit farbverzerrten und unrealistischen Bildern spricht er Leute an, die die momentanen Probleme verleugnen. Wenn er daran denkt, kann der 25-Jährige nur den Kopf schütteln.

Sein letztes Shooting ist wohl auch das persönlichste. "Mit ,Void' kann ich mich persönlich am besten identifizieren", offenbart der Student. Der apathische Blick des Models, die schwarzen Looks und die weiten weißen Räume geben eine Perspektivlosigkeit und Leere wieder. "Die Angst vor der fehlenden Rente, Kampf um Wasser und das ständige Arbeiten löst in mir Angst aus. Was bringt es überhaupt noch?", fragt sich Raphael.

Und wo sieht sich Raphael in fünf Jahren? Da möchte er im Ausland Fuß fassen, einem guten Fotografen assistieren, sich hocharbeiten und sich als Modefotograf etablieren. Um die zerstörerische Macht der Modebranche und seine persönlichen Werte zu vereinbaren, will Raphael innerhalb der Branche als gutes Beispiel vorangehen und sich zusätzlich für gute Zwecke engagieren.

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