Die Gäste, die alle so restlos begeistert sind von den geplanten Hochhäusern und dem neuen Quartier an der Paketposthalle, haben direkt an der Aus-Linie Platz genommen. Statt des Podiums wird hier bald ein Basketballkorb stehen, vor der improvisierten Bühne liegt die in knalliges Lila und Pink gefärbte Wurfzone. „We ball together“ steht dort am Boden geschrieben. Damit ist im Prinzip alles gesagt über die Informationsveranstaltung der Büschl Unternehmensgruppe zu ihrem Großprojekt in Neuhausen. Man wirft sich zwei Stunden lang Jubelbeschreibungen wie „legendär“ und „ikonisch“ zu wie ein bestens eingespieltes Team.
Sogar die etwa 400 Zuschauer wirken als freundlich gesinntes, wohltemperiert applaudierendes Fanpublikum mit. Auf dem Podium in der Paketposthalle sitzen am Dienstagabend neben der Hauptperson, dem Projektentwickler Ralf Büschl, ein Architekt des verantwortlichen Büros Herzog und de Meuron, Stadtbaurätin Elisabeth Merk, die Stadträtinnen und Stadträte Anna Hanusch (Grüne), Anne Hübner (SPD) und Manuel Pretzl (CSU), der Kulturveranstalter Michi Kern und der frühere Wirtschaftsreferent und jetzige OB-Kandidat der CSU, Clemens Baumgärtner.
Es soll endlich mal mehr um diese denkmalgeschützte Paketposthalle in Neuhausen gehen, um das neue Stadtquartier, das unweit der Station Hirschgarten an der S-Bahn-Stammstrecke liegen soll. Und nicht immer nur um die beiden dazu gehörenden Hochhäuser, die 155 Meter in den Himmel wachsen sollen und hitzig diskutiert werden. Fast 50 000 Unterschriften haben die Gegner gesammelt, genügend für einen Bürgerentscheid. Doch den ließ der Stadtrat aus rechtlichen Gründen jüngst nicht zu. Nun klagen die Gegner, und Richter werden über die Zulässigkeit entscheiden.
Die acht Teilnehmer des Podiumsgesprächs schaffen es konsequent, über den vom Stadtrat aus rechtlichen Gründen jüngst abgelehnten Bürgerentscheid, das Gerichtsverfahren und die Diskussion in der Stadt kein Wort zu verlieren. Nichts soll stören an diesem Abend auf dem Basketballfeld, einem der Vorboten für die Zwischennutzung der Halle, bis alle Genehmigungen vorliegen. Gleich daneben stehen schon Fußballtore, Courts für Padel-Spieler sind zu erkennen. Das Team von Veranstalter Kern hat den denkmalgeschützten Ingenieursbau, den einst die Post fürs Verteilen von Päckchen und Briefen genutzt hat, erst mal sehr hip und lässig eingerichtet.
1180 Wohnungen sollen hier entstehen
Das eigentliche Prunkstück der riesigen Halle ist noch nicht zu sehen: das Dach mit einem Rippengewölbe, das sich in der Spitze mehr als 30 Meter hoch über dem Boden befindet. Momentan ist eine Decke eingehängt, die Besucher müssen sich die Dimension vorstellen. An der Stirnseite und an der Front hinter dem Podium sind dafür riesige Leinwände aufgezogen, auf denen Simulationen zeigen, wie nicht nur das Dach, sondern das gesamte Areal einmal aussehen könnte.
Herzstück sind die Paketposthalle, die der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden soll, und die beiden Hochhäuser. Dazu kommen im engeren Umgriff sechs weitere Gebäude. Insgesamt sollen 1180 Wohnungen und mehr als 3000 Arbeitsplätze entstehen. Geplant sind auf dem Areal unter anderem Einzelhandel, Gewerbe, Hotels, Kultur, Soziales und eine Altenpflegeeinrichtung. In der Halle soll viel Kultur unterkommen. Sie soll wirken wie ein überdachter Stadtplatz.
Er wollte von Anfang an etwas Besonders schaffen, etwas Urbanes, Städtisches, Lebenswertes. So sagt es Hausherr Büschl an diesem Abend. Und das alles „aus einem Guss“. Dafür werden seit Jahren auch die Münchnerinnen und Münchner eingebunden, es gab ein eigenes Bürgergutachten. Bis 23. Juni liegen nun der Entwurf des Bebauungsplans und des geänderten Flächennutzungsplans zum Einsehen für die Öffentlichkeit aus: digital unter https://bauleitplanung.muenchen.de und in Papierform im Planungsreferat (Blumenstraße 28 b, Erdgeschoss, Raum 071).
„Nicht im letzten Jahrtausend einfrieren“
Wie gefährdet das Projekt durch einen drohenden Bürgerentscheid und die angekündigte Klage aus Sicht Büschls ist, dazu äußert er sich nach dem offiziellen Ende der Veranstaltung auf Nachfrage. Er sei „völlig entspannt“, sagt er, und verlasse sich auf die juristische Expertise der Stadt. Sollten das die Richter anders sehen, dann würden die Münchner halt abstimmen, sagt Büschl. Auch da hat er wenigstens nach außen hin großes Vertrauen. Eine große Mehrheit wolle die Stadt „nicht im letzten Jahrtausend einfrieren“, hofft er. Sollte er sich täuschen, sei das Projekt am Ende. Ohne Türme kein Stadtquartier, sagt Büschl.
Die drei großen Fraktionen und die Stadtbaurätin Merk weiß er im Kampf darum fest an seiner Seite, wie der Abend zeigt. Immerhin würde die Hälfte der Wohnungen in den geförderten Wohnungsmarkt fallen, sagt die SPD-Stadträtin Hübner. Immerhin habe man dem Entwickler große Grünflächen reinverhandelt, sagt ihre Grünen-Kollegin Hanusch. Im Gegensatz zu seinem Parteikollegen Robert Brannekämper, der den Widerstand gegen die Hochhäuser anführt, empfinde er 60 Meter hohe Häuser als „Stumpen“, sagt CSU-Mann Pretzl.
Nichts kann die Harmonie trüben, auch nicht die wummernden Töne aus der Ausstellung im hinteren Teil der Halle, die immer wieder erklingen. Dort geht es um die ebenfalls ziemlich ikonische und legendäre Titanic, die allerdings ziemlich dramatisch unterging. Das mag sich an diesem Abend keiner der Beteiligten für die beiden so sehr gewünschten Hochhäuser und das gesamte Quartiers-Projekt wünschen.