Hochhäuser in München:Ein bisschen einig reicht nicht

Hochhäuser in München: 155 Meter hoch sollen die beiden Wolkenkratzer in Neuhausen an der Paketposthalle in den Himmel ragen.

155 Meter hoch sollen die beiden Wolkenkratzer in Neuhausen an der Paketposthalle in den Himmel ragen.

(Foto: Herzog & de Meuron)

Grüne und CSU im Stadtrat wollen einen Bürgerentscheid über Hochhäuser, aber zu unterschiedlichen Fragestellungen. Da sie keinen Kompromiss finden, platzt das Vorhaben.

Von Sebastian Krass

Es ist ein politischer Vorgang, wie es ihn in der Geschichte des Stadtrats noch nicht allzu oft gegeben haben dürfte: Vier Fraktionen - eine aus der Regierung und drei aus der Opposition - haben an diesem Mittwoch im Planungsausschuss eigentlich ein gemeinsames Ziel, nämlich dass der Stadtrat per Ratsbegehren einen Bürgerentscheid über Hochhäuser in München in die Wege leitet.

Weil sich aber vor allem die zwei großen Fraktionen Grüne/Rosa Liste und CSU/Freie Wähler über die Details uneins sind, bekommen sie keine Mehrheit zusammen. Und so versammeln sie sich letztlich mit der ursprünglichen Rathaus-Minderheit aus SPD/Volt und FDP/Bayernpartei hinter dem Antrag von Referentin Elisabeth Merk: dass der Stadtrat keinen Bürgerentscheid in Auftrag gibt. "Wenn zwei sich streiten, freuen sich die Dritten, in diesem Fall die SPD und wir", sagte Jörg Hoffmann (FDP) schon in der Debatte vor der Abstimmung.

Der Grundkonflikt, den die Grünen und die CSU nicht ausgeräumt bekamen, kreist darum, ob die Münchnerinnen und Münchner über eine generelle Hochhaus-Obergrenze (Grüne) oder konkret über das geplante Bauprojekt an der Paketposthalle mit zwei 155-Meter-Türmen (CSU) hätten abstimmen sollen. Noch kurioser ist die Sache dadurch, dass sich beide Parteien in ihrer Stoßrichtung einig sind: gegen Obergrenze und für das Paketpost-Projekt.

"Wir wollen aus zwei Gründen den Blick auf die ganze Stadt wenden", sagte Grünen-Fraktionschef Dominik Krause. Zum einen sei es "bisher guter Usus gewesen, dass Bürgerentscheide nicht durch den Stadtrat aufgehoben werden, auch wenn ihre Bindungswirkung ausgelaufen ist". Er bezog sich damit auf den Bürgerentscheid von 2004, als sich eine knappe Mehrheit für eine Obergrenze von 100 Metern ausgesprochen hatte. Zum anderen habe es zum Paketpost-Projekt mit dem von der Stadt initiierten Bürgergutachten schon eine umfassende und inhaltlich tiefe Beteiligung und Befragung der Bevölkerung gegeben.

Auch eine Fragestellung mit der Obergrenze von 100 Metern wird abgelehnt

Die CSU wiederum sprach sich gegen die stadtweite Fragestellung aus. Sie befürchtete, eine solche sei rechtlich nicht zulässig, weil damit die Planungshoheit der Stadt zu sehr eingeschränkt würde. Diese Befürchtung allerdings teilte Jacqueline Charlier, stellvertretende Leiterin des Planungsreferats und Juristin, nur bedingt. Die Rechtsprechung sei bei dem Thema nicht eindeutig. "Es kommt immer darauf an, wie die Frage formuliert ist, sowohl für eine gesamtstädtische Fragestellung als auch für einzelne Projekte."

Alexander Reissl (CSU) wies allerdings auch auf eine Unsicherheit hin: Der Verein "Hochhausstop" des CSU-Landtagsabgeordneten Robert Brannekämper sammelt Unterschriften für ein Bürgerbegehren, das für das Paketpost-Projekt eine Hochhaus-Obergrenze von 60 Metern festschreiben will - was natürlich indirekt auf die ganze Stadt ausstrahlen soll. Für die Sammlung gibt es keine zeitliche Begrenzung. Brannekämper, der an der Spitze einer CSU-internen Hochhaus-Opposition steht, kann etwa auch den Landtagswahlkampf im nächsten Jahr dafür nutzen.

"Der Bauherr hat erst Rechtssicherheit, wenn in einigen Jahren der Stadtrat den Satzungsbeschluss für den Bebauungsplan gefasst hat", sagte Reissl. "Bis dahin kann ein Bürgerbegehren zu einem Bürgerentscheid führen und die viele Arbeit des Planungsreferats, des Stadtrats und des Bauherren in die Tonne treten." Auch deshalb solle der Stadtrat die Sache selbst in die Hand und Brannekämper den Wind aus den Segeln nehmen, so Reissls Kalkül.

Grüne und CSU waren bei dem Thema getrieben von der Fraktion ÖDP/München-Liste, die im vergangenen Jahr mehrere Anträge für ein Ratsbegehren zu einer Hochhaus-Obergrenze gestellt hatte - mit dem Ziel, neue Hochhäuser zu verhindern. In der Ausschusssitzung brachten sie mit der Linken zusätzlich einen Änderungsantrag ein, die Münchnerinnen und Münchner über eine 100-Meter-Obergrenze entscheiden zu lassen, quasi eine Neuauflage von 2004. Sie fanden dafür aber keine Unterstützung.

"Entweder sind die Stadtratsmitglieder der CSU und der Grünen komplett unfähig oder sie haben für uns alle ein Laien-Theaterstück aufgeführt", erklärte Dirk Höpner (München-Liste) nach der Sitzung. Seine Fraktion sei "zu allen Kompromissen bereit" gewesen. Brigitte Wolf (Linke) betonte: "Mit einer grundsätzlichen Fragestellung wäre das Thema einfach erledigt für die nächsten zehn, 15 Jahre."

SPD-Fraktionschef Christian Müller hingegen pochte auf die Kompetenz des Stadtrats. "Wir sind dafür gewählt, Entscheidungen über das Stadtbild zu treffen." Stadtweite Bürgerentscheide zu einzelnen Projekten würden zudem "in ein regionales Absurdistan" führen: "Was interessiert einen Truderinger ein Hochhaus, das in Freiham entsteht?"

Die Büschl-Unternehmensgruppe aus Grünwald, die das Paketpost-Projekt bauen will, interpretiert den Stadtratsbeschluss vom Mittwoch als Unterstützung für die eigene Planung. Der Beiratsvorsitzende Ralf Büschl hatte sich selbst für ein Ratsbegehren ausgesprochen, um schneller Planungssicherheit zu bekommen. Die Frage, wie er es bewertet, dass es nun nicht dazu kommt, lässt er unbeantwortet.

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