Die Wärmewende mag schwierig sein, ärgerlich für viele, notwendig für andere. Sicher ist: sie kommt - die Stadt arbeitet nach Kräften daran. Heute wird noch jedes zweite Gebäude in München mit Öl oder Gas beheizt. Künftig soll der Wärmebedarf überwiegend aus Geothermie gedeckt werden, also aus Erdwärme, die im Münchner Untergrund gespeichert ist. So will die Stadt weniger abhängig von fossiler Energie werden und dem ambitionierten Ziel näherkommen, bis 2035 eine klimaneutrale Kommune zu sein. Das "Herzstück" dieses Plans ist die Wärmekarte, die nun im Münchner Geoportal veröffentlicht wurde, sagt Christine Kugler (Grüne), Referentin für Klima- und Umweltschutz (RKU). Sie sei froh, dass der Wärmeplan mit großer Mehrheit im Stadtrat verabschiedet worden ist.
Nun geht es an die Umsetzung. Ab sofort können Münchnerinnen und Münchner auf der Wärmekarte nachsehen, welche erneuerbaren Energiequellen sie in ihrem Baublock nutzen können. Dass man nicht jedes einzelne Haus sieht, hat Datenschutzgründe. Durch Zoomen lässt sich in der Karte navigieren oder nach einer bestimmten Adresse suchen. Per Klick auf einen Punkt erhält man detailliertere Informationen zum jeweiligen Standort. Farbige Flächen signalisieren, ob in einem Gebiet das Fernwärmenetz verdichtet werden soll, ob es künftig für die Fernwärme erschlossen wird, ob es sich eher für eine Wärmepumpe eignet oder für eine andere nachhaltige Technik.
Ein Selbstversuch zeigt: Die Navigation funktioniert recht gut, wenn auch nicht so geschmeidig, wie es Nutzer von Google Maps gewohnt sind. Das "eigene" Mietshaus liegt in einem Gebiet, wo eine "Fernwärmeversorgung grundsätzlich technisch möglich" ist, heißt es auf der Seite; noch wird die Wohnung allerdings mit Erdgas beheizt. Der Hauseigentümer könnte sich aber bei den Stadtwerken München (SWM) für einen Anschluss an das Fernwärmenetz anmelden. Je mehr Interessenten es in der Nachbarschaft für einen Anschluss gibt, desto schneller werden die SWM ihre Gebäude mit dem Netz verbinden.
Auf diese Weise sollen künftig zwei Drittel des Wärmebedarfs durch Fernwärme gedeckt werden, heute ist es ein Drittel. Die meisten dieser Gebiete liegen zentral, zwischen Laim und Haidhausen, Schwabing und Sendling. Für dezentrale Gebiete außerhalb des Fernwärmenetzes schlägt die Karte alternative Wärmequellen vor. Dabei gilt: die erstgenannte Option ist die technisch-ökonomisch beste; sie deckt mindestens 80 Prozent des Wärmebedarfs eines Baublocks aus erneuerbaren Quellen. In vielen Fällen dürften dies Wärmepumpen oder Nahwärmenetze sein. "Außerhalb der Fernwärmegebiete haben es Eigentümer selbst in der Hand, wie sie ihre private Wärmewende gestalten", sagt Kugler. Nur für zwei Prozent der Fläche könne man noch nicht sagen, welche Lösung passt. Aber auch dort wird die Abkehr von Öl und Gas kommen.
Ein Drittel der Anlagen in den Heizungskellern sind mehr als 30 Jahre alt
Die Stadt hat sich auf den Weg gemacht. Sie will mit Geothermie-Kraftwerken Wärme aus großer Tiefe holen und damit möglichst viele Haushalte versorgen. Hinter dem großen Ziel der Dekarbonisierung können sich viele vereinen, Politiker, Hausbesitzer, Mieter. Schätzungsweise ein Drittel der Anlagen in den Heizungskellern sind über 30 Jahre alt und müssten dringend erneuert werden. Aber es gibt auch Kritik. "Die Wärmeplanung ist nicht verbindlich", sagt Rudolf Stürzer, Vorstand des Haus- und Grundbesitzervereins München. "Verlassen sich Eigentümer auf die Planung und wird diese geändert, hat dies erhebliche Zusatzkosten zur Folge", so Stürzer. Im schlimmsten Fall führe dies zu Fehlinvestitionen.
Markus Stumbaum, Geschäftsführer eines Handwerksbetriebs und stellvertretender Obermeister der Innung für Spengler, Sanitär- und Heizungstechnik (SHK) in München, sieht die Planung dagegen als Gewinn: "Die Verunsicherung durch das Heizungsgesetz ist groß. Mit der Wärmeplanung hat die Stadt München für einen großen Teil des Stadtgebiets eine Planungsgrundlage geschaffen, die Kunden und Handwerkern hilft." Er könne jetzt mit iPad zum Kunden gehen und ihm sehr konkret sagen, welche Lösung für ihn sinnvoll ist - und müsse sich nicht mehr mit einem Dutzend Optionen auseinandersetzen.
Um Missverständnissen vorzubeugen, warnt die Stadt auf dem Geoportal: Aus der Karte könne kein Versorgungsanspruch geltend gemacht werden. Mit den Informationen sei auch keine Verpflichtung für Gebäudeeigentümer verbunden, eine bestimmte Wärmeversorgung zu installieren oder zu nutzen. Die Wärmeplanung ersetzte auch keine individuelle, projektbezogene Planung. Sie soll über die kommenden 20 Jahre tragen und fortlaufend aktualisiert werden, sodass die Planungssicherheit mit der Zeit wächst.
Lohnt sich der Umstieg?
In den kommenden Monaten gibt es eine Reihe von Informationsveranstaltungen zum kommunalen Wärmeplan, die sich an Mieter, Hauseigentümer und Handwerksbetriebe richten. Außerdem beraten Experten des RKU Bürger bei allen Fragen zum Heizungstausch und zur Gebäudesanierung. Gleichzeitig unterstützt die Stadt Eigentümer finanziell und ergänzt die Bundesförderung mit dem "Förderprogramm Klimaneutrale Gebäude" (FKG). Viele Fragen zur Wärmewende in der Stadt und zum Gebäudeenergiegesetz des Bundes werden auf einer Internetseite von Rethink München beantwortet, einer Initiative des RKU, die Bürger zu klimaneutralem Handeln motivieren möchte.
Auf eine entscheidende Frage gibt es allerdings nur eine vage Antwort: Lohnt sich der Umstieg auf erneuerbare Energie beim Heizen? Wie wirtschaftlich ein Heizungstausch ist, hängt von einer Vielzahl von Annahmen ab - etwa der Energiepreisentwicklung, dem energetische Zustand der Gebäude und der Frage, wie stark Vermieter die Kosten auf Mieter abwälzen. "Veränderungen dürfen nicht einseitig nur zulasten der Mieterinnen und Mieter gehen", sagt Beatrix Zurek, Vizevorsitzende des Deutschen Mieterbundes. Diese dürften nicht überfordert werden. Damit Heizkunden künftig entspannt auf ihre Abrechnung schauen können, gibt es noch viele Widerstände zu überwinden.