Süddeutsche Zeitung

Heizkraftwerk Nord:Alternativen zur Kohle gesucht

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Von Dominik Hutter

Der Kohleblock im Münchner Norden kann deutlich früher heruntergefahren werden als zum aktuell im Rathaus diskutierten Termin 2028. Zu diesem Schluss kommen die Experten des Öko-Instituts in einem Kurzgutachten, das sie im Auftrag des Bündnisses "Raus aus der Steinkohle" verfasst haben. Voraussetzung sei allerdings, dass die Stadtwerke ihre Bemühungen intensivieren, Ersatz für die wegfallende Fernwärmeerzeugung zu finden. Bislang habe das kommunale Unternehmen noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. "Die Darstellung, das Kohlekraftwerk müsse weiterlaufen, bis die Nord-Süd-Stromtrasse 2026 oder 2028 fertiggebaut sei, ist nicht zutreffend", erklärt der Gutachter Christof Timpe. "Sobald die Wärmeabsicherung anderweitig gelöst ist, kann das Kohlekraftwerk bereits vorher in die Stromnetzreserve verschoben werden und liefe dann voraussichtlich nur noch an wenigen Tagen im Jahr."

Hintergrund des Streits um einen vertretbaren Abschalttermin für die Anlage, die nach einem Bürgerentscheid eigentlich 2022 vom Netz gehen sollte, sind unterschiedliche Anforderungen in puncto Strom- und Wärmeversorgung. Die Anlage produziert beides, sie funktioniert mit der sogenannten Kraft-Wärme-Kopplung, die als sehr effektiv gilt. Nach Einschätzung der Bundesnetzagentur ist das Kraftwerk wichtig für die Stabilität des deutschen Stromnetzes und darf daher 2022 noch nicht vom Netz. Erst wenn neue Leitungen gebaut sind, die den mit Windrädern erzeugten Strom aus dem Norden gen Bayern transportieren, dürfe der Kohleblock abgeschaltet werden. Bis dahin muss die Anlage zumindest für Notfälle betriebsbereit, also in Kaltreserve, gehalten werden. Das Problem: Damit lässt sich die Münchner Fernwärmeversorgung im Ernstfall nicht sichern - es dauert zu lange, den Kohlekessel vom Reservebetrieb wieder hochzufahren. Die Stadtwerke haben daher einen Kompromiss entwickelt: Das Kraftwerk soll bis 2028 gedrosselt laufen. Das entspreche sowohl den Vorgaben der Bundesnetzagentur als auch dem Wärmebedarf der Münchner.

Das Gutachten des Öko-Instituts sagt nun: Findet man einen Ersatz für die Fernwärmeversorgung, steht dem baldigen Übergang in die Kaltreserve nichts entgegen - man müsse nicht zwangsläufig bis 2028 weiter Kohle verfeuern. Die Einsparung an CO₂ liege in der Kaltreserve bei etwa 90 Prozent, sodass der Bürgerentscheid von 2017 zumindest im Großen und Ganzen umgesetzt werde.

Franziska Buch vom Umweltinstitut, das Teil des Bündnisses "Raus aus der Steinkohle" ist, fordert daher die Stadtwerke auf, möglichst rasch Alternativen zu finden. Denkbar sei es beispielsweise, das bestehende, aber zur Stilllegung vorgesehene Gasheizwerk auf dem Kraftwerksgelände in Unterföhring weiter zu betreiben und möglicherweise ein neues an gleichem Ort dazuzubauen. Denn letztlich reiche es aus, an sehr kalten Tagen über Notfall-Kapazitäten zu verfügen, falls ein anderes Kraftwerk ausfällt. Für den Regelfall werde der Kohleblock gar nicht mehr benötigt. Ihn den Großteil des Jahres im gedrosselten Betrieb weiterlaufen zu lassen, sei deshalb nicht sinnvoll.

Die Stadtwerke sind allerdings skeptisch, was das Heizwerk in Unterföhring angeht. Denn eigentlich sei emissionsschutzrechtlich der Betrieb der Anlage ab 2023 nicht mehr möglich. Eine Umrüstung oder Modernisierung erfordere eine neue Genehmigung. Zudem sei ein reines Heizwerk weniger effektiv als die im Kohleblock vorhandene Kraft-Wärme-Kopplung. SPD-Stadträtin Simone Burger will ihrer Fraktion am Montag vorschlagen, die Forderungen der Umweltverbände zu übernehmen und die Stadtwerke zur intensiven Alternativensuche aufzufordern. Zudem solle, das fordern auch die Initiativen, der gedrosselte Betrieb so schnell wie möglich beginnen. Das Thema steht am Dienstag auf der Tagesordnung des Ausschusses für Arbeit und Wirtschaft.

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Quelle:
SZ vom 16.11.2019
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