Zwei Wände, das blaue Piktogramm einer männlichen Figur, auf dem Boden zwei stilisierte Fußabdrücke: Vom Flughafen kennt man die Sicherheitsschleuse und den Bodyscanner schon. Seit Dezember gibt es nun auch einen 3D-Ganzkörperscanner in der Dermatologie der München-Klinik an der Thalkirchner Straße. 92 Kameras fotografieren die Haut ohne Strahlenbelastung von Kopf bis Fuß. Alle Pigmentmale. In nur einer Sekunde.
Der Scanner ist viel größer als am Flughafen. 2,50 Meter hoch und 2,50 Meter breit, aber schöner designt. Wie ein futuristischer Kopfhörer sieht er von der Seite aus. Lisa Däumler hat sich für die Präsentation des 3D-Scanners in einem weißen Body auf die Fußabdrücke gestellt und macht genau jene Pose wie bei einem Sicherheits-Bodyscan am Flughafen: breite Beine, etwas unnatürlich abgespreizte Arme und Hände. Augen zu, klick, Blitzlicht, fertig.
Nur wenige Minuten später hat die Künstliche Intelligenz (KI) aus den Aufnahmen eine Art „Stadtplan von verdächtigen Muttermalen erstellt“, erklärt Daniela Hartmann. Auch Pigmentmale im Genitalbereich werden aufgenommen. Nur die Kopfhaut muss sich die Chefärztin der Klinik für Dermatologie, Allergologie und Lasermedizin noch einmal gesondert ansehen. Alle Muttermale sieht sie gesammelt in einer Art Kreis auf dem Bildschirm und kann sich ganz gezielt einzelne Muttermale aussuchen. Mit dem digitalen Dermatoskop, das 200-fach vergrößert, schaut Hartmann dann noch einmal ganz genau darauf. Die KI benennt dann das Muttermal, also um welche Art es sich handelt, und gibt Entwarnung. Grün bedeutet alles gut. Rot steht allerdings für bösartige Veränderungen der Haut.

Ist die KI besser als der Mensch? Studien zeigten, dass es nur in Kombination gehen könne, sagt Hartmann. „Der Mensch zusammen mit der Maschine ist am besten.“ Der Scanner erkenne in den Bildern typische Muster, die man mit dem bloßen Auge gar nicht erfassen könne. Damit sei er genauer und schneller.

Schnelligkeit ist ein wichtiger Faktor: Um genau feststellen zu können, ob das verdächtige Muttermal entfernt werden muss, macht man in der Regel eine Biopsie, bei der verdächtiges Gewebe entnommen und vom Histologen untersucht wird. Diesen Schritt kann man in der Klinik umgehen. Denn auch dafür gibt es eine neue, KI-unterstützte Bildgebung, die in der München-Klinik seit Januar angewendet wird. Das Gerät hat einen Namen, den man sich kaum merken kann: Line-field konfokale optische Kohärenztomographie (LC-OCT). Damit kann die verdächtige Stelle ganz ohne Schnitt eingestuft werden.
Ein kleines Muttermal bei Model Lisa Däumler wird mittels LC-OCT plötzlich fein und gut sichtbar in alle Hautebenen aufgegliedert. „Mit der optischen Biopsie schaut man sehr tief in die Haut“, sagt Hartmann und erklärt auch, dass mit dieser Methode viele invasive Biopsien einfach ersetzt werden können.
In Bayern hat die Zahl der Erkrankungen an Hautkrebs und anderen bösartigen Veränderungen der Haut stark zugenommen. Im Jahr 2003 waren es laut Statistischem Bundesamt 8600 Fälle, 2022 schon 17 100. „Die Inzidenz steigt weiter an“, bestätigt auch Hartmann. An erster Stelle stünden bei Tumoren der schwarze Hautkrebs mit Melanomen und der weiße Hautkrebs mit Plattenepithel- und Basalzellkarzinomen. Die älter werdende Bevölkerung und Umwelteinflüsse nennt die Ärztin als Gründe.
Muss ein Tumor operativ entfernt werden, dann arbeitet die dermatologische Klinik mit einem Schnellschnittmikroskop. Das frisch entfernte Gewebe wird eingegeben, zwei Minuten später zeigt es den operierenden Ärzten genau, wo die Ränder eines Tumors liegen, wie weit ein Schnitt gehen kann und sollte. „Damit verhindern wir einfach ein unnötiges Nachoperieren“, erklärt Hartmann.

Eine Million Euro kostet der große Scanner, der damit wohl eher nicht so leicht für jeden niedergelassenen Dermatologen zu finanzieren ist. „Vectra“, der Modellname des Scanners, steht deshalb an der Thalkirchner Straße, weil die Dermatologie Teil der Digitalisierungsoffensive der München-Klinik ist. Das sogenannte Krankenhauszukunftsgesetz des Bundes finanziert Maßnahmen wie „Vectra“. „15 weitere Förderprojekte laufen derzeit in der München-Klinik“, sagt der kaufmännische Geschäftsführer, Tim Guderjahn. „Wir wollen digitale Prozesse gut und schnell vorantreiben.“ Dazu gehört eine standortübergreifende Vernetzung von Fachbereichen, digitale Notaufnahmen und eine KI-gestützte Diagnostik – so wie mit dem 3D-Scanner. Diese Prozesse kommen den Patientinnen und Patienten zugute. Denn bürokratischer Aufwand falle weg, Ärzte und Pflegefachkräfte hätten am Ende mehr Zeit für den Patienten.
Mehr Zeit für den Patienten bei einer schlechten Diagnose
Zeit, die im Falle von „Vectra“ auch gebraucht werde. Denn der 3D-Scanner sagt dem Patienten sofort, wie es um eine Hautstelle bestellt ist. „So eine schnell gestellte Diagnose ist nicht für jeden gut zu verkraften“, erklärt die Bereichsleiterin Pflege, Patricia Guerrisi. „Dann fangen wir den Patienten auf, haben Zeit, mit ihm alles noch einmal zu besprechen, Fragen zu beantworten.“
Auf eine Behandlung mit „Vectra“ muss der Patient im Schnitt zwei bis drei Wochen warten. Das Ganzkörperfoto und die schnittfreie Biopsie kostet den Patienten beziehungsweise Selbstzahler etwas: 250 Euro und 140 Euro pro getestetem Muttermal. Sollte diese Technik aber am Ende nicht jedem Patienten zur Verfügung stehen, egal ob privat oder gesetzlich versichert? Hartmann und Guderjahn haben beide den Wunsch, dass diese Möglichkeit zukünftig kassenfinanziert allen angeboten werden soll. Aber dazu müssten erst die „Versicherungsträger bewegt werden“, dass der 3D-Scanner in das Leistungsportfolio aufgenommen werde.