Haushalt:Wie München der Finanzkrise trotzen will

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Auch 2022 rechnen Grüne und SPD zudem noch damit, dass sie die Folgen von Corona sozial abfedern müssen. (Foto: imago images/Ralph Peters)

Riesengroß klafft das Loch im städtischen Haushalt. Für die grün-rote Koalition ist klar, sie will "sparen und gestalten". Nur wie soll das gehen?

Von Heiner Effern

Mit Sparen und viel Mut will die Koalition der städtischen Finanzkrise im Jahr 2022 trotzen und eigene politische Akzente setzen. So erklären es Haushaltspolitiker der Grünen und der SPD, die sich auf die Eckpfeiler für den Haushaltsplan geeinigt haben. Blickt man in die entsprechende Beschlussvorlage, die der Stadtrat am 28. oder 29. Juli verabschieden soll, dann gehört zum Finanzplan auch eine Portion Hoffnung. Denn Grüne und SPD werden vorerst einen Etat für 2022 verabschieden, der an der Grenze des Erlaubten kratzen oder diese Grenze reißen wird. Daran wird auch nichts ändern, dass die Münchnerinnen und Münchner kräftig mitzahlen werden.

"Die Genehmigungsfähigkeit des Haushalts und damit die finanzielle Handlungsfähigkeit der Stadt stehen in Frage", schreiben Grüne und SPD in einer gemeinsamen Mitteilung. Sie wollen aber trotz des enormen Lochs von 476 Millionen Euro, das sich im Jahr 2022 nach derzeitiger Planung auftun wird, auch "mutig" investieren: in mehr bezahlbare Wohnungen, den sozialen Zusammenhalt, den Klimaschutz und die Verkehrswende. "Wir müssen gleichzeitig sparen und gestalten. Nur durch klare Prioritätensetzungen und mutige Reformen" könne man die Zukunft kommender Generationen sichern, erklärte Florian Roth, Fraktionschef der Grünen. Dafür will auch die SPD "alles" tun, sie räumt aber ein, dass die Stadt das alleine nicht schaffen wird. "Das wird ohne Hilfe von Bund und Land nicht möglich sein", sagte Christian Köning, finanzpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion.

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Auch in ihrer Planung beweisen Kämmerer Christoph Frey (SPD) und die Koalition einen gewissen Mut. Das Land Bayern hat bisher nämlich nur die prinzipielle Bereitschaft erklärt, über 2020 hinaus die wegen der Pandemie eingebrochene Gewerbesteuer auszugleichen, falls auch der Bund seinen Teil beiträgt. In Berlin ist allerdings die letzte Sitzung des Bundestags vor der Neuwahl am 26. September bereits vorüber. Trotzdem sind 200 Millionen Euro als mögliche Hilfe festgehalten. Weitere 200 Millionen sollen die Referate einsparen, wie schon 2020 und 2021. Weil das noch lange nicht für den ausgeglichenen Haushalt reicht, werden auch die Münchner zur Kasse gebeten. 50 Millionen Euro sollen sie 2022 mehr an Eintrittspreisen und Verwaltungsgebühren bezahlen. Weil die Stadt aber auch 112 Millionen Euro an Schulden tilgen muss, bleibt das angestrebte ausgeglichene Ergebnis immer noch außer Reichweite. Oder aber das Prinzip Hoffnung greift bis zum Herbst, dann blieben die Folgen einer vierten Welle überschaubar, die Wirtschaft zöge stärker an als gedacht und die Gewerbesteuer fiele ein bisschen höher aus als geplant. Oder der Bund ließe doch was springen oder der Freistaat schösse auch Geld ohne Hilfe aus Berlin zu. Und vielleicht drückte der Freistaat nochmals ein Auge zu und sähe über gerissene Grenzen hinweg.

Grüne und SPD haben ihren Referenten schon jetzt erklären müssen, dass sie sich als erstes noch gewünschte Ausgaben und Investitionen in Höhe von 631 Millionen Euro abschminken können. So viel haben sie, über das jetzige Finanzloch hinaus, an weiterem Bedarf angemeldet für das Jahr 2022. Die Antwort des Kämmerers steht in der Vorlage: Sie können das Geld dafür nur ausgeben, wenn sie es selbst an anderer Stelle einsparen. Nicht immer wird sich die Koalition daran halten, aber dem Vernehmen nach soll es statt der gut 600 Millionen Euro bei einem mittleren zweistelligen Millionenbetrag bleiben. Dazu wird es de facto einen Einstellungsstopp geben.

Bei aller Finanznot wollen aber Grüne und SPD ihr Wahlversprechen halten, künftig pro Jahr 100 Millionen Euro als festes Budget in den Klimaschutz und in günstigere Mieten zu investieren. Insgesamt waren im Jahr 2022 etwa 1,8 Milliarden Euro für den Bau von Schulen, Wohnungen und die Ertüchtigung der Infrastruktur vorgesehen. Auch diese wurden nochmals um etwa 200 Millionen Euro gedrückt. Die Koalition betonte aber, dass sie in den öffentlichen Nahverkehr investieren wird. Die Kosten für den Bau der Tram-Westtangente, der Nordtangente und der Verlängerung der Tram 16/17 nach Johanneskirchen und der Tram 23 zur Bayernkaserne seien in die langfristige Finanzplanung aufgenommen worden.

Auch 2022 rechnen Grüne und SPD zudem noch damit, dass sie die Folgen von Corona sozial abfedern müssen. Ein finanziell heißer Herbst droht aber vor allem, wenn Bund und Land nichts zuschießen. Dann werden "sowohl im Ausgaben- wie im Einnahmenbereich weitere Konsolidierungsbeschlüsse notwendig werden", heißt es. Das bedeutet: Der Kämmerer würde nochmals den Rotstift auspacken.

© SZ vom 10.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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