Süddeutsche Zeitung

Kultur:Zwei Drittel der Belegschaft des Hauses der Kunst könnten entlassen werden

  • Nach Plänen der Geschäftsführung könnten zwei Drittel der Belegschaft des Hauses der Kunst demnächst entlassen werden.
  • Grund dafür sei die finanzielle Lage, erklärte der kaufmännische Direktor Bernhard Spies.
  • Spies war vor einem guten Jahr von der Belegschaft freudig begrüßt worden. Jetzt sind viele Mitarbeiter enttäuscht.

Von Susanne Hermanski

Die Belegschaft des Hauses der Kunst kommt nicht zur Ruhe: 48 Mitarbeiter - Pförtner, Aufsichten und Kassenkräfte, die meisten in Teilzeit oder als Minijobber beschäftigt - sollen womöglich entlassen beziehungsweise in andere Gesellschaften ausgelagert werden. Der Betriebsrat spricht von einer geplanten "Massenentlassung", die er "als skandalös" empfinde. Betroffen seien davon "zirka zwei Drittel der gesamten Belegschaft", viele von ihnen seit 15 bis 20 Jahren am Haus der Kunst tätig.

Der kaufmännische Direktor des Hauses, Bernhard Spies, bestätigt, die Auslagerung der entsprechenden Bereiche an externe Dienstleister in Erwägung zu ziehen. Die Nachwehen jahrelanger finanzieller Misswirtschaft, die das Haus an den Rand der Insolvenz gebracht hätten, zwängen ihn dazu: "Die wirtschaftliche Lage hat sich verbessert, ist jedoch nach wie vor noch nicht entspannt", sagt Spies. Es bedürfe weiterer Maßnahmen, um das Unternehmen für die kommenden Jahre wirtschaftlich auf eine solide Basis zu stellen, "insbesondere, weil wir während der fälligen Sanierung des Hauses eine Teilschließung statt einer Komplettschließung anstreben".

Seine Vorgänger hätten eine Komplettschließung favorisiert und seien ohnehin davon ausgegangen, sehr viel mehr Arbeitsplätze, nämlich rund 75 aufzugeben. Die Verhandlungen mit dem Betriebsrat würden vor der Einigungsstelle fortgesetzt. Ferner betont er: "Ich bin mir hierbei meiner Verantwortung für das wirtschaftliche Wohlergehen des Unternehmens sowie meiner sozialen Verantwortung für die Belegschaft in gleichem Maße bewusst."

Bernhard Spies ist im März 2018 vom Kunst- und Wissenschaftsministerium ans Haus der Kunst geholt worden, um es aus der finanziellen Schieflage zu holen und um dessen Verwaltung neu zu ordnen. Zuvor hatte man sich vom kaufmännischen Leiter getrennt und vom langjährigen Personalverwalter, dessen vermutete Mitgliedschaft bei Scientology den Verfassungsschutz auf den Plan gerufen hatte. Danach trennte man sich von weiteren Mitarbeitern aus dem Bereich der Aufsichten. Der damalige künstlerische Direktor Okwui Enwezor löste aus gesundheitlichen Gründen seinen Vertrag im Sommer 2018 auf und ist im März 2019 gestorben. Bernd Sibler, der als Minister für Kunst und Wissenschaft dem Aufsichtsrat des Hauses des Kunst vorsitzt, hielt es für geraten, gleich nach seinem Amtsantritt im November 2018 mehr Transparenz für alle Vorgänge im Haus zu versprechen. Er rief eine Findungskommission für den neuen künstlerischen Direktor ins Leben. Die Bekanntgabe eines Namens steht aber immer noch aus, obwohl man sich auch dadurch neue Stabilität für das Haus erhofft.

Viele Mitarbeiter sind enttäuscht

Dass staatliche Museen mit Aufsichten arbeiten, die über Dienstleister kommen, ist in München nicht ungewöhnlich. Die Pinakotheken etwa beschäftigen 90 Prozent ihrer Aufsichten auf diesem Wege. Die übrigen zehn Prozent erhalten ein Tarifgehalt, dessen Stundensatz über jenem liegt, den die Aufsichten am Haus der Kunst derzeit erhalten. Dieser beläuft sich bei Mitarbeitern, die mehr als 3000 Stunden für das Haus gearbeitet haben, auf 11,84 Euro. Auch das Haus der Kunst hat früher mit einem externen Museumswachdienst gearbeitet. Der einstige Direktor Christoph Vitali entschied in den 1990er-Jahren, diesen durch museumseigene Aufsichten zu ersetzen. Vitali sei angesichts der besonderen Geschichte des Hauses als ehemaliges NS-Vorzeigeobjekt und Hitlers Kunsthalle zweierlei besonders wichtig gewesen, sagt der Betriebsrat: eine Belegschaft, die kontinuierlich für das Haus arbeite und die keinesfalls uniformiert auftrete.

In der Tat scheint die Bindung vieler Mitarbeiter an das Haus besonders eng. Viele der langjährigen Aufsichten und Kassenkräfte sind selbst im künstlerisch-kreativen Bereich tätig und bessern sich ihr geringes Einkommen durch den Zusatzjob auf. Andere sind Rentner, manche mit kunstgeschichtlicher Vorbildung, vier der Betroffenen sind Schwerbehinderte. "Gerade für die älteren Mitarbeiter ist dieser Zusatzverdienst im teuren München existenziell wichtig, auch wenn sie Renten beziehen", sagt der Betriebsrat. Zudem sind sie alle dem Haus trotz der Turbulenzen der vergangenen Jahre treu geblieben. Und diese waren zum Teil heftig. An die Öffentlichkeit gedrungen waren sexuelle Übergriffe unter Angestellten, denen von der früheren Geschäftsführung nicht mit der gebotenen Aufmerksamkeit nachgegangen worden war. Die Diskussionen um Scientology-Kontakte verfolgten viele bis ins Private.

Als Spies ans Haus kam und betonte, es sei besonders wichtig, sich um die beanspruchte Belegschaft zu kümmern, hatten sich auch die Aufsichten und Kassenkräfte gefreut. Nun sind sie enttäuscht.

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SZ vom 09.07.2019/lfr
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