Tausende und Abertausende Menschen fahren Tag für Tag daran vorbei, mit dem Zug – oder im Auto über die Donnersbergerbrücke. Wie viele von ihnen wohl wissen, was in dem gewaltigen historischen Gebäudekomplex mit der Glaskuppel untergebracht ist? Die Antwort – München-Kenner werden müde lächeln – ist: der Zoll. Zumindest nutzt die Behörde noch Teile des einstigen Hauptzollamts.
112 Jahre ist die Anlage an der Landsberger Straße 122 bis 132 inzwischen alt, nun steht ihr eine Generalsanierung bevor. Aus einem Wettbewerb, den die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) als Eigentümerin ausgeschrieben hatte, ist das Büro des britischen Star-Architekten David Chipperfield als Sieger hervorgegangen. Es hat nun den Auftrag, „einen Sanierungsfahrplan zu erarbeiten“, wie eine Bima-Sprecherin auf Anfrage mitteilt. Zuerst haben Münchner Merkur/tz darüber berichtet.
David Chipperfield ist einer der weltweit berühmtesten Architekten. In München hat sein Büro zuletzt den Gewerbekomplex „Karl“ an der Karlstraße, den Apple bezogen hat, entworfen sowie eine Luxus-Wohnanlage an der Kolbergerstraße in Bogenhausen. Zu den Stammkunden von Chipperfield gehörte auch der Signa-Konzern von René Benko.
Für ihn entwarf das Büro den „Elbtower“ in Hamburg, derzeit eine Bauruine, die zum deutschlandweiten Sinnbild für die Signa-Pleite geworden ist. In München entwickelten Chipperfields Leute für Signa den Plan für das „Corbinian“, einen Neubaukomplex an der Schützenstraße auf dem Areal des ehemaligen Karstadt am Hauptbahnhof.
Beim Hauptzollamt geht es laut der Bima, die den Immobilienbestand des Bundes verwaltet, zum einen darum, das historische Gebäude wieder instand zu setzen. Dabei geht es auch um die markante Kuppel, die Schäden aufweist. Die letzte Renovierung des Komplexes wurde 1987 abgeschlossen.
Zum anderen soll und muss das Gebäude energetisch ertüchtigt werden. Welcher Klimastandard dabei zu erreichen ist, das ist noch zu prüfen. Bei diesem wie allen anderen Arbeiten hat der Denkmalschutz mitzureden, schließlich ist das Hauptzollamt bereits seit etwa 50 Jahren ein Einzeldenkmal.
Die Anlage, zu der auch ein Bereich mit Wohnbebauung gehört, hat eine bewegte Geschichte. Prinzregent Luitpold gab sie 1908 in Auftrag, weil das alte Zollamt nicht mehr ausreichte, um den wachsenden Güterverkehr zu verarbeiten. Nach der Fertigstellung 1912 wurde der Komplex bald zum Lazarett für Verwundete aus dem Ersten Weltkrieg. Später übernahmen die Nazis die Anlage, sie lagerten in den Hallen Wein, Käse und Tabak – nach Kriegsende plünderten Bewohner des Westends die Räume. Nächster Hausherr war die US-Armee, die das Hauptzollamt als Versorgungsstation nutzte.
Erst 1969 kam es zurück in die Hände des deutschen Zolls. Derzeit sind dort noch die Abteilung „Finanzkontrolle Schwarzarbeit“ und das Zollfahndungsamt untergebracht. Einen Teil des Hauptgebäudes mit seinen Lagerhallen nutzt das Deutsche Museum als Depot. Auch die Münchner Dependance der Bima und das Landesamt für Denkmalpflege haben Räume im Hauptzollamt.
Für die Zeit der Sanierung, die die Bima auf drei bis vier Jahre veranschlagt, werden die Nutzer umziehen müssen. Auch das Deutsche Museum werde seine Sammlung auslagern, erklärt die Bima-Sprecherin, die Inventarisierung solle bis Ende 2024 abgeschlossen sein.
Beginnen sollen die Arbeiten am Gebäude frühestens im Herbst 2026. Zu den Kosten könne man noch keine Angaben machen, erklärt die Bima-Sprecherin. Ein deutlich dreistelliger Millionenbetrag dürfte aber anfallen.
Transparenzhinweis: In einer früheren Version des Textes hieß es, das Depot des Deutschen Museums könne während der Sanierung bleiben. Diese Information stammte von der Bima, inzwischen hat sie ihre Auskunft dazu geändert.