Verkehrswende:Am Hauptbahnhof sollen 3000 Radparkplätze entstehen – bis 2038

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So sieht es andernorts aus: Am Hauptbahnhof in Amsterdam können rund 7000 Fahrräder unterirdisch geparkt werden. (Foto: Jochen Tack/Imago)

Viele Schrotträder, gefährlich abgestellt: An Münchens zentralem Verkehrsknotenpunkt herrscht ein Radl-Chaos. Um es zu entwirren, sind aufwendige und langwierige Umbauten nötig. Und weil Geld fehlt, wird eine geplante Garage gleich ganz gestrichen.

Von Heiner Effern

Die Stadt will mit dem Neubau des Hauptbahnhofs erstmals seit Jahrzehnten ein umfassendes Angebot für das Abstellen von Fahrrädern schaffen. Vier Parkhäuser und Parkgaragen mit insgesamt etwa 3000 Plätzen sollen entstehen. Diese sollen in einem fünfstöckigen Radparkhaus an der Arnulfstraße, in einer Garage an der Ecke Seidl-/Arnulfstraße, in der ehemaligen unterirdischen Conti-Pkw-Garage an der U-Bahn-Strecke von U1 und U2 sowie in einem bisher nicht genutzten Zwischengeschoss am Bahnsteig der Linien U4 und U5 unterkommen. Eine weitere Radtiefgarage unter dem Empfangsgebäude hat der Mobilitätsausschuss am Mittwoch wegen der hohen Kosten gestrichen.

„Wir brauchen ein attraktives, gutes Fahrradparken am Hauptbahnhof“, sagte SPD-Stadträtin Simone Burger. Das müsse einfach und gut zugänglich sein. Darauf konnten sich alle Fraktionen des Stadtrats in der Sitzung einigen. Das gilt auch für die Kritik an der Situation während der Bauzeit und schon in der Zeit davor. „Unglaublich viele Schrotträder“ stünden herum, sagte Burger. „Wie Kraut und Rüben“ schaue es am Hauptbahnhof aus, sagte ihre CSU-Kollegin Veronika Mirlach.

Das soll sich mit den neuen Radparkplätzen ändern, die allerdings einen Makel haben. Bis alle Parkflächen gebaut sind, wird es noch Jahre dauern. „Der Wermutstropfen ist die Bauzeit“, sagte Grünen-Verkehrsexperte Paul Bickelbacher. Die Früchte der Beschlüsse des neuen Parkangebots für Fahrräder werde man „erst sehr spät ernten“. Das fünfstöckige Parkhaus an der Arnulfstraße soll sogar erst 2038 fertig werden.

Das erregt aktuell den Unmut vieler Radfahrer in München, die sich sofort eine Verbesserung wünschen. Sie haben eine Petition gestartet, die auch das Bündnis Radentscheid unterstützt. Seit Jahren werde eine kurzfristige Lösung versprochen, es passiere aber nichts, so lautet die Kritik. Das Mobilitätsreferat räumt ein, dass die Situation gerade „nicht den Ansprüchen an ein hinreichendes Bike & Ride-Angebot eines zentralen Umsteigebahnhofs“ entspreche. Anfang des Jahres 2025 will es im Stadtrat ein Konzept zur Abhilfe vorstellen.

Details gibt das Referat bisher nicht bekannt, doch einen Ausblick in die Zukunft wagt es. Im Norden des Hauptbahnhofs sollen „in den kommenden Jahren auch Fahrradgaragen als größere Ersatzstandorte“ gewonnen werden. „Insgesamt könnten so rund 1000 Stellplätze für Fahrräder geschaffen werden“, sagte eine Sprecherin. Den Anblick „ungeordnet abgestellter Fahrräder im Umfeld des Hauptbahnhofs“ nannte auch das Referat unbefriedigend.

Lange hatte München das Ziel, „Radlhauptstadt“ zu werden. Die Zustände am Hauptbahnhof konterkarieren diesen Anspruch. (Foto: Florian Peljak)

Der Mobilitätsausschuss beschäftigte sich am Mittwoch jedoch ausschließlich mit den Plänen für die Zukunft nach der Sanierung des Hauptbahnhofs. Die neuen Abstellmöglichkeiten an der Arnulfstraße sind schon beschlossen. Das Grundstück für das Parkhaus mit etwa 1300 Stellplätzen hat die Stadt bereits im November 2023 von der Deutschen Bahn gekauft. Allerdings kann sie es erst nach Abschluss der Bauarbeiten am Bahnhof nutzen, was die geplante Fertigstellung bis 2038 erklärt. Dann sollen die beiden großen Garagen im Gebäudekörper des Hauptbahnhofs schon längst fertig sein.

Ursprünglich wollte die Stadt dort zwei Standorte nutzen: einen am Baukörper der U-Bahn an den Linien 1 und 2 für etwa 1300 Räder und einen unter dem Empfangsgebäude für etwa 650 Räder. Dafür sollte der Mobilitätsausschuss am Mittwoch laut Beschlussvorlage 44 Millionen Euro freigeben. Doch die Mehrheitsfraktionen aus Grünen/Rosa Liste und SPD/Volt änderten diese Pläne in letzter Minute, bevor sie sich bei der Deutschen Bahn festlegen mussten. Die Garage unter dem Empfangsgebäude mit etwa 700 geplanten Stellplätzen wird aus Kostengründen komplett gestrichen. Das soll im angespannten Haushalt 17 Millionen Euro einsparen.

Die frühere Conti-Garage am Bauwerk der U1 und U2 soll künftig als neue Radgarage nicht mehr über eine Rampe, sondern über mindestens drei Aufzüge erschlossen werden. Die grün-rote Koalition verspricht sich dadurch mehr Akzeptanz bei den Radfahrern als bei einer steilen Direktzufahrt. Die CSU und Freien Wähler bezweifeln das. Sie halten die Lösung mit Aufzügen für anfällig und sehen die Gefahr einer Verschmutzung, die auf Nutzer abschreckend wirken könnte. Sie sprachen sich für eine Zufahrt über eine Rampe aus.

Für die gestrichene Garage unter dem Empfangsgebäude ist eine Alternative am U-Bahnsteig der Linien U4 und U5 angedacht. Dort gibt es im Sperrengeschoss einen Hohlraum, der als Abstellanlage geeignet und von außen gut zu erschließen sein könnte. Diese Variante soll nun vertieft untersucht werden. Insgesamt hat das Mobilitätsreferat einen Bedarf von 3000 Plätzen errechnet.

Dieser ergibt sich aus der Zahl der Pendler, die in der Stadt wohnen, am Bahnhof parken und mit Zügen weiterreisen. Genauso aber sollen Fahrgäste der Bahn hier ihr Rad deponieren können, die von auswärts kommen und in München zum Beispiel ihre Arbeit aufsuchen. Auf Dauer geht die Stadt von einem weiteren Anstieg des Bedarfs aus.

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