Es hat ein wenig gedauert, bis Stadtverwaltung und Polizei bemerkt haben, welche neuen sozialen Probleme durch den Umbau des Hauptbahnhofs entstanden sind: Kriminelle, Drogenkranke und Obdachlose – zuvor mehr oder weniger an einem Platz konzentriert – verteilten sich nun über das ganze Viertel. Am auffälligsten war diese Entwicklung im Alten Botanischen Garten.
Um gegen diesen Zustand etwas zu unternehmen, entstand vor eineinhalb Jahren die sogenannte Taskforce, deren Gründung Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) gerne für sich beansprucht. Ihr gehören, neben Vertretern des Polizeipräsidiums, verschiedene städtische Referate an. Die Leitung hat das Kreisverwaltungsreferat. Außerdem sind regelmäßig Sozialreferat (mit dem „Allparteilichen Konfliktmanagement in München“, kurz Akim), Baureferat, Gesundheitsreferat, Referat für Arbeit und Wirtschaft und Mobilitätsreferat sowie die Büros des Oberbürgermeisters und des Zweiten Bürgermeisters beteiligt.
Die Beschäftigung mit dem Alten Botanischen Garten zeigte Erfolg: Dealer und Gewaltbereite wurden der ständigen Kontrollen bald überdrüssig und verließen den Park – aber natürlich nicht die Stadt. Und so verlagerten sich viele der Probleme mit ihren Verursachern, vorwiegend ins südliche Bahnhofsviertel. Dieses ist ein recht heterogenes Gebilde, es reicht ungefähr vom Altstadtring bis zur Martin-Greif-Straße, von der Bayer- bis zur Landwehrstraße. Das Viertel trägt auch den Spitznamen „Klein-Istanbul“ – Menschen aus mehr als hundert Nationen leben hier.
Die Zahl der Straftaten im südlichen Bahnhofsviertel steigt seit Beginn des Bahnhofsumbaus kontinuierlich an, hat aber nun, nach der „Befriedung“ des Alten Botanischen Gartens, einen neuen Boost bekommen. Geschäftsleute und Anwohner berichten von Drogenhandel auf offener Straße, Gewaltausbrüchen und Kriminalität, vom Taschendiebstahl bis zum Raubüberfall. Hier kommt die Taskforce Bahnhofsviertel ins Spiel: Sie hat laut einer Mitteilung der Stadt ihren Schwerpunkt dorthin verlegt und plant eine Vielzahl an Maßnahmen.
Die Polizei hat schon vor geraumer Zeit ihre Präsenz rund um die Schillerstraße verstärkt, ebenso der Kommunale Außendienst. Jetzt sollen weitere Aktivitäten folgen, wie eine Kameraüberwachung an der Ecke Schillerstraße/Schwanthalerstraße. Dabei weist das KVR darauf hin, dass die Problemlage dort vielschichtiger ist als im Alten Botanischen Garten: Die Fläche ist deutlich größer, zudem dicht bebaut mit viel Publikumsverkehr.
Es gebe außerdem nicht nur eine Problemgruppe, sondern mehrere. Etwa die Kriminellen, die in die Zuständigkeit der Polizei fallen. Obdachlose und Suchtkranke, die mehr Hilfe als Repression benötigen. Oder solche, die sich auffällig verhalten oder anderweitig in Erscheinung treten.
Auf der Suche nach Erfolg versprechenden Maßnahmen arbeiten deshalb die Polizei, das Sozial- und das Gesundheitsreferat sowie das KVR zusammen. Es soll die Beleuchtung und die Sauberkeit im ganzen Viertel verbessert werden. Zudem soll ein einheitliches Konzept für die momentan zahlreichen Baustellen erarbeitet werden: Vorgaben, die Gestaltung der Bauzäune betreffend, sollen das Bild der Baustellen vereinheitlichen und für Übersichtlichkeit und Sauberkeit sorgen.
Anwohner und Geschäftsleute sollen in die Überlegungen einbezogen werden. „Die Zusammenarbeit mit den Anliegerinnen und Anliegern ist entscheidend, um positive Veränderungen herbeizuführen“, sagt Kreisverwaltungsreferentin Hanna Sammüller. Deshalb nutze die Taskforce auch viele Ressourcen für Gespräche und Ortstermine mit den Akteurinnen und Akteuren im Viertel.
Wie lange es dauern wird, bis die Maßnahmen Erfolge zeigen, ist ungewiss. Oberbürgermeister Dieter Reiter ist aber zuversichtlich: „Die Taskforce Bahnhofsviertel ist ein Erfolgskonzept, das zeigt, wie schnell wir in München Situationen verbessern können, wenn alle an einem Strang ziehen. Ich bin überzeugt, dass dieser Ansatz auch im südlichen Bahnhofsviertel funktionieren wird.“

